Auf nach Legoland!

von Brigitte Preissler 6. März 2011

In Dirk Lauckes bittersüßem Drama „Alter Ford Escort Dunkelblau“ wollen drei Jungs in das Land aus Plastik. Schauspiel- und Regiestudenten der Ernst-Busch-Hochschule brachten das Stück jetzt auf die bat-Studiobühne.

 

 

Ach, die 80er. Waren sie eigentlich je vorbei? Auf der bat-Studiobühne, bei der Premiere von Dirk Lauckes Stück „Alter Ford Escort Dunkelblau“ konnte man vergangenen Freitag eher den Eindruck gewinnen, dieses Jahrzehnt dauere seit über dreißig Jahren an. Goldene Pailletten-Glitzershirts, Karottenhosen, legere Herren-Blousons und gegelte Vokuhilas  –  das waren so die Requisiten. Die Musik (Klaas Hübner) entstammte entweder einem selbstgebaut aussehenden Umhänge-Mischpult mit Gitarrengriff. Oder sie war von Nena.

 

Es kann einem ja schon ein wenig auf den Wecker gehen, dieses seit Jahren anhaltende, modisch-musikalische Revival einer Epoche ästhetischer Kollektivverblödung. Doch zugegebenermaßen passt die gesellschaftliche Stimmung jener Zeit gut zu Lauckes Stück. Ziemlich gut sogar. „No future“ sangen damals bekanntlich die Sex Pistols – zumindest westlich des Eisernen Vorhangs. Und auch im südlichen Sachsen-Anhalt, wo Lauckes Stück spielt, konnte man sich in diesen elenden Kalten Kriegs-Jahren als junger Mensch bestimmt höllisch perspektivlos fühlen. Besonders, wenn man kein Geld, keine Frau und keinen Job hatte wie die drei Protagonisten Schorse, Boxer und Paul. Boxers Mutter sprang vom Balkon, als er 14 war. Schorse vermisst seinen Sohn; er sieht ihn kaum noch, seit er bei seiner Frau Karin rausflog. Was aus ihnen mal werden soll, wissen sie alle drei nicht so genau.

 

Während sie trübsinnig Bierkisten stapeln, träumen sie sich also nach Legoland. Vor allem Schorse will da hin, seines Sohnes wegen. Ihm mal was zeigen von der Welt, was erleben. Einmal raus aus dem stumpfen Trott, rein in die Stadt aus Plastik. Karin, die Mutter, hat allerdings was dagegen. Also kidnappen die drei den Jungen kurzerhand. Gut geht das alles am Ende nicht aus.

 

Überraschender Minimalismus

 

Aus diesem bittersüßen, dichten Text entwickelten Regie und Besetzung ein berührendes Bühnengeschehen – und zwar mit erstaunlich wenigen Mitteln. Sicher, das bat-Studiotheater ist die Bühne der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Natürlich will man hier kein technisches Klimbim, keine aufwändigen Spezialeffekte sehen. Sondern Schauspiel- und Regiestudenten, deren Namen es sich für die Zukunft zu merken lohnt; mit einiger Wahrscheinlichkeit wird man ihnen in ein paar Jahren auch auf größeren Bühnen des Landes wieder begegnen.

 

Der Minimalismus dieser ersten gemeinsamen Theaterarbeit von Studierenden des 3. Jahrgangs Regie und Schauspiel aber war dann doch überraschend radikal; was man hier zu sehen bekam, war „Theater unplugged“ im allerbesten Sinne. Das Bühnenbild bestand aus kaum mehr als einer Kaffeemaschine und einer Discokugel; eine Wand mit ein paar Rohren mutierte zum titelstiftenden Ford, zwei Taschenlampen dienten als Frontlichter. Den Schauspielern Patrick Bartsch, Florian Steffens, Lucie Heinze und Božidar Kocevski reichte ein schlichter, unbemannter Cowboyhut, um ein ganzes Kind auf die Bühne zu zaubern. Selbst wenn das Ding bloß an der Wand hing – er war es tatsächlich, der echte, leibhaftige Schorse Junior. Und Florian Steffens als Boxer brauchte nur sein Basecap umzudrehen, das Hemd ein wenig vor der Brust aufzurollen –  schon hatte er sich in eine ziemlich transige Tankstellenverkäuferin verwandelt. Die Regie (Elsa Vortisch; Assistenz: Tanita Olbrich) griff derweil munter die Bildsprache des Mediums Films auf, zum Beispiel durch zeitlupenartige Bewegungsabläufe im Moment der Kindesentführung. Während der langen Autofahrt agierten die Schauspieler dagegen auch mal, als hätte jemand ihre innere Fast Forward-Taste gedrückt.

 

Den Kommilitonen im Publikum – und nicht nur ihnen – machte das alles außerordentlich viel Spaß. Trotz des tragischen Endes, und obwohl Nena sang: „Irgendwie fängt irgendwann irgendwo die Zukunft an.“ Nun, irgendwann müssen sie schließlich mal aufhören, die 80er. Und spätestens dann wird sich Nenas Weissagung für die wunderbare Crew dieser Inszenierung mit Sicherheit bewahrheiten.

 

Nächste Vorstellung (mit anderer Besetzung) am Freitag, 25. März um 20 Uhr im bat-Studiotheater, Belforter Straße 15. Karten unter www.bat-berlin.de oder unter 755 417 777.

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