Die Turnhalle in der Malmöer Straße ist die letzte Notunterkunft ihrer Art in Prenzlauer Berg. Einen genauen Termin für den Umzug gibt es immer noch nicht.
„Ich bin eigentlich immer überrascht, dass es noch keine heftigen Proteste gegeben hat“, sagt Bärbel Behnke, Leiterin der Notunterkunft in der Malmöer Straße. Seit dem 4. November 2015 ist die Turnhalle der Marcel-Breuer-Schule eine Notunterkunft (NUK) für geflüchtete Menschen. Und die einzige noch verbliebene der ehemals drei Turnhallen-Notunterkünfte im Stadtteil. Anfang September wurde dieTurnhalle in der Winsstraße wieder frei. Kurze Zeit später Stand der Umzug der Menschen aus der Notunterkunft in der Wichertstraße an. Die Bewohner beider Turnhallen zogen in die Gemeinschaftsunterkunft in der Treskowstraße in Heinersdorf. Die NUK Malmöer Straße musste stattdessen vor wenigen Tagen ins zweite Jahr ihrer Existenz starten.
Und das, obwohl der Umzug in die neue Tempohome-Unterkunft in der Siverstorpstraße in Karow eigentlich zeitgleich mit den anderen ursprünglich schon während der Sommerferien geplant war. TTempohomes sind Bauten aus mehreren Wohncontainern. Aus Unterstützerkreisen heißt es, der Umzug sei zuletzt für Mitte November angekündigt worden. Aber bereits jetzt ist klar, dass auch dieser Termin nicht eingehalten werden kann. „Die Unterkunft in Karow ist noch nicht fertig“, sagt Sascha Langenbach, Sprecher des neuen Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LaF). Auch einen Betreiber gebe es noch nicht. Auf die Frage, warum sich die Fertigstellung und Eröffnung der Unterkunft verzögert, antwortet Langenbach lediglich, bei Bauprojekten passierten eben oft unvorhergesehene Dinge.
„Seit einem Jahr nicht mehr richtig geschlafen“
„Die Menschen hier fühlen sich im Stich gelassen“, sagt Behnke. „Manche sagen mir, sie haben seit einem Jahr nicht mehr richtig geschlafen. Auch wenn alle still sind, ist in einer Halle mit über hundert Menschen immer ein Geräuschpegel.“ Behnke kritisiert auch, dass vom LaF nicht ausreichend über den aktuellen Stand berichtet wird, was bei den Bewohnern zu noch mehr Frust führt. Die Nerven lägen deshalb bei allen blank, Konflikte eskalierten schneller zu Streits. 138 Bewohner wohnen momentan noch in der Notunterkunft. Zu Zeiten der Vollbelegung waren es 200 Menschen. Inzwischen gibt es allerdings einen Belegungsstopp für die Turnhallen, sodass, wenn jemand geht, keine neuen Bewohner mehr dazu kommen. Manche hätten WG-Zimmer gefunden, einige bringe das Jobcenter inzwischen wieder in Hotelzimmern unter, so Behnke.
Wie unerträglich es sein muss, über ein Jahr auf engstem Raum mit über hundert Menschen und ohne Privatsphäre zu leben, ist vorstellbar. Behnke zufolge geht die Verzweiflung so weit, dass manche Bewohner ein Hausverbot erzwingen, um in eine neue Unterkunft umzuziehen. „Wir haben hier drei Leute rausgeworfen, weil sie eine Massenschlägerei anzetteln wollten“, sagt Behnke. „Und die hatten dann nachher einen schicken Platz in der Gemeinschaftsunterkunft. Das bekommen die anderen natürlich mit.“ Einige Bewohner versuchten also, auch ein Hausverbot zu bekommen, allerdings möglichst ohne den Betreibern Probleme zu machen. Einer habe zum Beispiel vor den Augen aller in seinem Bett eine Zigarette geraucht.
Hoffnung ab Januar
Über diese absurde Gemengelage hat sich NUK-Leiterin Behnke beim LaF beschwert. Daraufhin war LaF-Sprecher Langenbach vergangene Woche mehrere Stunden in der Notunterkunft zu Besuch. Langenbach habe versichert, dass die neue Gemeinschaftsunterkunft bis spätestens Mitte Januar, vielleicht sogar noch im Dezember eingzugsbereit sei, so Behnke. Den Prenzlauer Berg Nachrichten gegenüber wollte Langenbach sich nicht auf einen konkreten Zeitpunkt festlegen. Man habe aber den Ernst der Lage erkannt und wolle sich nun noch mehr beeilen. „Mir wäre es am liebsten, es würde auch samstags gebaut. Das ist aber wegen höherer Kosten schwierig“, sagt Langenbach.
Aus dem Unterstützerkreis heißt es, das LaF habe versprochen, dass alle 14 Tage ein Vertreter die Malmöer Straße besucht und über den aktuellen Stand informiert. Das könnte den Menschen zumindest das Gefühl geben, nicht im Stich gelassen zu werden. Jetzt bleibt abzuwarten, ob der Zeitplan eingehalten werden kann und sich der Umzug nicht nochmal um drei Monate verzögert.
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