Bädertest: Stadtbad Oderberger Straße

von Constanze Nauhaus 11. November 2016

Selbsttest Teil 3: Das derzeit gehypteste Bad der Stadt überrascht mit Mut zur Lücke: Flach und kalt ist es im Mercedes unter den Schwimmhallen. Ja, und sehr, sehr schön.

Journalisten am Limit: In dieser Woche wagen wir für unsere Leser den ultimativen Selbsttest, gehen an unsere Grenzen. Und zwar schwimmen. Bisherige Erkenntnisse: Staufrei sportelt es sich am besten in der SSE Landsberger Allee, wohingegen die Schwimmhalle im Thälmannpark inmitten der Plattenidylle eher Ostalgiker anzieht. Bald kann sich Prenzlauer Berg vielleicht mit vier Hallen schmücken. Vorerst sind es drei. Seit der Wiedereröffnung des Stadtbades in der Oderberger Straße.

 

Wassertemperatur

 

Draußen ist es kalt und nass. Drinnen auch. Bei bescheidenen 24 Grad Wassertemperatur will sich auch nach 20 Minuten zügigen Bahnenziehens Omas vielgepredigter Wennde-da-jenuch-beweechst-wird-dit-janz-schnell-warm-Effekt nicht einstellen. Das mitgebrachte Badethermometer nennt das Kind beim Namen: Kaltbad. Dabei wurde die Wassertemperatur in der zum Hotel Oderberger gehörigen Schwimmhalle schon von anfänglichen 22 auf nun 24 Grad angehoben. Denn einige Schwimmer sollen es für zu kalt befunden haben. Kann man sich gar nicht vorstellen. Zum Vergleich: SSE Landsberger Allee: 26 Grad, Thälmannpark: 28 Grad. Dabei grenzten schon die Tage, ach, Wochen vor dem geplanten Testschwimmen an Vorfreude. Grenzten.

 

 Öffnungszeiten und Eintrittspreise

 

Denn die Vorfreude wurde von der Öffnungszeitenpolitik des Bades im Keim erstickt. Drei Anläufe, um in das hippe Superbad hereinzukommen. Das ist ja fast wie im.. Stopp! Wir wollen uns nicht mit abgegriffenen Club-Vergleichen anbiedern. Beim ersten Versuch schmückten leinenbespannte Bistrotische den hochgefahrenen Beckenboden der schönen, stuckbesetzten Halle mit den Arkadengängen. Das zweite Mal waren es Konferenzmöbel unter einer Power-Point-Präsentation. Sollte an diesem Tag nicht bis 22 Uhr geöffnet sein? „Wir haben da nichts geändert“, entgegnet die lächelnde Rezeptionistin. „Heute hatten wir bis 12 Uhr auf.“ Zum Glück leben wir im Dokumentationszeitalter, fassungslos schaut die Dame auf die vom smarten Phone festgehaltenen Öffnungszeitenangaben von vergangener Woche. Bis 22 Uhr. Tatsache. „Oh. Mh. Ja, ich weiß auch nicht. Also, heute hatten wir jedenfalls bis 12 Uhr auf.“ Überflüssigerweise deutet sie erneut auf die riesige Tafel mit den Öffnungszeiten des laufenden Monats, die als Karikatur ihrer Selbst an der Wand prangt. Kurz: Ob wir hier die aufgrund vieler schwimmferner Veranstaltungen sehr variablen Öffnungszeiten des Bades auflisten oder Goethes Faust paraphrasieren, käme vom Umfang her auf das Gleiche heraus. Bitte vor dem Besuch einfach auf der Homepage nachsehen, ob gerade geöffnet ist.

 

Sporterlebnis

 

Beim dritten Versuch klappt es dann. Ein wenig erhebend ist sie schon, die Atmosphäre dieses alten Bades, getaucht in rosa- und türkisfarbenes Licht. Vor dem Testbesuch meckerte eine Bekannte über die Überschaubarkeit des Beckens, in der „Pfütze“ könne man „nicht treten“. Was durchaus zutrifft. Allerdings nicht wegen vieler Sportelnder, gerade einmal zu zehnt tummeln wir uns im Wasser. Nein, zum Treten ist bei zaghaften 1,35 Metern Wassertiefe schlichtweg nicht genug Platz nach unten. Dafür kann man so aber einen schönen Spaziergang durchs Becken machen. Zum richtigen Auspowern ist es sowieso nicht geeignet. Auf bescheidenen 20 Metern Beckenlänge kommt man bei einem durchschnittlichen Schwimmtempo – abzüglich zweimaligen kraftvollen Abstoßens von den Beckenrändern – auf etwa 15 Schwimmzüge pro Bahn. Kaum an einer Seite angekommen, muss man schon wieder wenden. Expertentipp: Zur Schwindelprävention abwechselnd nach links und rechts wenden.

 

Publikum und Flirtfaktor

 

Letzterer: Hoch! Nicht zuletzt dank der nicht immer reibungslos funktionierenden Chipkarten, die den Besucher zum Passieren des Drehkreuzes ermächtigen. Ein ebenso gutaussehendes wie gut gekleidetes (ja, wir sprechen von der Bademode) Kastanienallee-Mädchen steht mit ihrer Karte ratlos vor dem Drehkreuz. Ihr zu Hilfe eilt ein schöner Unbekannter. „Meine Karte funktioniert irgendwie nicht.“ – „Na, jetzt bin ich ja da.“ Zwinker. Lächeln. Einträchtig nebeneinander ziehen sie kurze Zeit später ihre Bahnen und plaudern leise. Auch sonst ausschließlich Katalogmenschen im Wasser. Und Hotelgäste. Kann aber auch Zufall gewesen sein, an diesem Wochentag um 17 Uhr. Zu Menge und Touristenanteil der Schwimmgäste könne er noch nichts sagen, so der Rezeptionist, die Öffnungszeiten seien zu unregelmäßig. Ach, wirklich.

 

Ambiente und Ausstattung

 

Verdient bei diesem Bad eine eigene Zwischenzeile. Wie oft denkt sich der geneigte Schwimmfreak in gemeinen Hallen, das und das und das hätte man doch wirklich besser umsetzen können. Wie oft fragt man sich, welcher idiotische Innenarchitekt hat die Handtuchhaken derart weit von den Duschen weg konzipiert? Wieso kann es direkt vor den Duschen, aber in spritzsicherer Entfernung, nicht eine bequeme Ablage für Handtuch, Shampoo und Kollegen geben? Gibt es in der Oderberger natürlich. Zudem Spender mit Duschshampoo. Aber nicht irgendeines, nein. Organic ist es. Und es duftet. Nach freilaufenden Orangenblüten. Die hatten sicher ein erfülltes, glückliches Leben, bevor sie sich für unser einmaliges Duscherlebnis opferten. Oder der Fön. Ist umsonst. Keine quälenden inneren Konflikte, ob man jetzt, obwohl die Haare doch schon zu 80 Prozent trocken sind, wirklich nochmal fünf Cent locker machen sollte. Und dieser Fliesenboden in der Umkleide, ach! Kein hektisches, angeekeltes In-die-Schlappen-Schlüpfen mehr, nicht ein Haar beschmutzt diesen Boden. Im Gegenteil, so weich und warm wirkt sein einladendes Grau, dass man sich direkt niederknien möchte, um seine Wange an ihn zu schmiegen. Als würde dieser Fliesenboden die Sinne nicht schon überstrapazieren, wird zu allem Überfluss demnächst auch die Sauna eröffnen, voraussichtlich noch im Dezember.

 

Eintrittspreise

 

Im Gegensatz zu den Öffnungszeiten vermitteln die Preise ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität. Zwei Stunden Plantschen kostet für Erwachsene sechs, für Kinder zwischen vier und zehn Jahren sowie für Hotelgäste (aha!) vier Euro. Beim Erwerb einer Zehnerkarte spart man sagenhafte fünf Euro. Zehn Euro Pfand sind zudem für Schließkarte und Spindschlüssel zu hinterlegen.

 

Fazit

 

Zweifelsohne ein Hotelbad. Und als solches sicher eines der schönsten der Stadt. Zur Durchführung von Aktion Sommerkörper nicht geeignet, zum Ausführen der neuesten Badegarderobe hingegen sehr. Ein Bad für Ästheten, in jeder Hinsicht. Nach dem Besuch werden Sie sich vielleicht nicht sportlicher, aber reicher, schöner, wertvoller fühlen. Einfach ein besserer Mensch. Fasprochn.

 

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