Endlich darf sich auch Pankow Fair Trade Town nennen. Dafür galt es, Läden ausfindig zu machen, die mindestens zwei Produkte aus fairem Handel verkaufen. Grund zum Stolzsein?
Die Schönhauser Allee Arcaden: H&M, Kaiser’s, Thalia, Medimax. Heimat der typischen Vertreter von Konsumgesellschaft und Billigwaren. Ausgerechnet hier hat der Verein TransFair e.V dem Bezirk Pankow am Dienstag den Titel Fair Trade Town verliehen. Mit dieser Auszeichnung steht der Bezirk allerdings nicht alleine da: In Berlin gibt es bereits zwei weitere Fair Trade Towns. Deutschlandweit ist Pankow schon die 391. Kommune, die sich so nennen darf.
Fair Trade Town heißt konkret: ein Stempel fürs Weltverbessern. Der Beweis, zu den Guten zu gehören. Ein reines Gewissen. Aber was die Auszeichnung dem Bezirk und seinen Bewohnern wirklich bringt, wird dabei nicht deutlich. Edith Gmeiner von TransFair e.V. nennt als Zweck: „die Vernetzung von Verwaltung und Zivilgesellschaft innerhalb der Kommunen“. Laut Internetseite des Vereins, der das Label „Fair Trade“ für Produkte aus dem gerechten Handel vergibt, geht es außerdem um die „Positionierung als innovative und weltoffene Stadt.“ Aus dem Bezirksamt heißt es außerdem, die Kampagne habe nur wenig Kosten verursacht, weil so viel ehrenamtliche Arbeit hineingeflossen sei. Geht es also hauptsächlich um Stadtmarketing?
Fünf Stufen auf dem Weg zum Ruhm
Fest steht: Um Fair Trade Town zu werden, musste der Bezirk in den letzten zwei Jahren fünf konkrete Kriterien erfüllen: Zuerst mussten Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) und die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in den Büros und bei Sitzungen auf fairen Kaffee umstellen. Zweitens ernannte der Bezirk eine rund 20-köpfige Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertretern von Kirchen, Schulen, Wirtschaft, Bezirksamt und Zivilgesellschaft, die sich um die Durchsetzung der weiteren Kriterien kümmerte.
Drittes Kriterium war das Ausfindigmachen von Geschäften und Gastronomiebetrieben, die fair gehandelte Produkte verkaufen. Die Steuerungsgruppe fand insgesamt 65 Geschäfte und 45 Restaurants und Cafés in Pankow, mehr als für die Bewerbung benötigt. Hierzu zählen aber nicht nur engagierte Betriebe wie der Weltladen „Zeichen Der Zeit“ in der Wörtherstraße oder die Papeterie „Zweite Liebe“ in der Florastraße. Denn: Ein Geschäft muss nur „mindestens zwei Produkte aus Fairem Handel“ anbieten. Daher zählen auch fast alle Supermärkte und Ketten wie Rewe, Penny, Tchibo oder Blume 2000 zu den angeblich fairen Geschäften.
Auch Schulen, Kirchen und Vereine beteiligten sich an der Aktion, wodurch das vierte Kriterium abgedeckt war. Die Grundschule an der Marie veranstaltete Schülerprojekte über Schokolade und unterstützte Hilfsaktionen des Weltladens und die Evangelische Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord schenkte fairen Kaffee aus.
Das fünfte Kriterium ist, dass lokale Medien über die Bewerbung und ihre Aktivitäten berichten. Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben das bereits vor zwei Jahren getan.
Stolz und Fehlurteil?
Bezirksbürgermeister Köhne zeigte sich mächtig stolz auf die Auszeichnung. Die ist seiner Ansicht nach aus einem höchst aktuellen Grund wichtig: „Pankow kümmert sich darum, Fluchtursachen wie Armut zu bekämpfen, die beispielsweise durch ungerechte Handelsbeziehungen verursacht werden.“ Eine Gruppe Schüler ruft daraufhin einige Pankow-Jubelrufe vom oberen Stockwerk herunter. Die klingen aber eher ironisch gemeint.
Auch sonst ist das Stimmungsbild unter den Besuchern etwas uneindeutig. Ein Mann singt im Vorbeigehen schmunzelnd „Kumbaya my Lord“. Einige Zuschauer sind angetan von der Verleihung: Rentnerin Elisabeth Huth freut sich darüber, dass Pankow jetzt Fair Trade Town ist. In der Kirchengemeinde „Heilige Familie“ in der Wichertstraße betreut sie ehrenamtlich das Flüchtlingscafé und pflichtet Bürgermeister Köhne bei: „Besonders wichtig finde ich es, dass direkt in den betreffenden Ländern etwas gemacht wird, um dort die Situation zu verbessern. Deswegen achte ich darauf, fair gehandelte Produkte zu kaufen, auch wenn’s meistens etwas teurer ist.“
Luft nach oben beim sozialen Engagement
Die Funktion der Auszeichnung Fair Trade Town bleibt bisweilen nebulös. Vielleicht könnte sie ein Startschuss für mehr Engagement für gerechten Handel in Pankow sein. Dafür wären allerdings weitere Impulse der Politik gefragt, die über die Erfüllung der eher niedrig angelegten Kriterien hinausgehen. Vom Verein Trans Fair heißt es, dass „jeder Deutsche im Jahr nur zehn Euro für Fair Trade-Produkte ausgibt.“ Leider gibt es keine Zahlen für Prenzlauer Berg. In jedem Fall ist hier aber noch viel Luft nach oben.
Auch die Frage, wie es in Pankow mit dem Einsatz für gerechten Welthandel jetzt weitergeht, ist unklar. Die Steuerungsgruppe wolle weiterhin fleißig unterschiedliche Akteure miteinander ins Gespräch bringen und dabei in Zukunft die vielen NGO’s im Bezirk miteinbeziehen, so der Ehrenamtliche Kurt Damm. Und wenn mindestens acht Bezirke die Kriterien erfüllen, kann sogar ganz Berlin irgendwann zur Fair Trade Town werden.
Bleibt nur zu vermuten, dass Pankow auch jetzt schon ein Ort ist, an dem verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit intensiv umgesetzt und gelebt werden. Das wird bei der Kampagne nicht erkennbar. Allein mit einem Titel wie Fair Trade Town ist es beim sozialen Engagement nicht getan.
DIESEN ARTIKEL VERSCHENKEN: Wenn Ihr schon Mitglied seid, könnt Ihr den Link unten im Kasten teilen und diesen Artikel so Euren Freunden zum Lesen schenken.