Geht doch: In der Kulturbrauerei feiert die Partymeute bis in die Morgenstunden, während die Anwohner selig schlafen. Der Weg dahin führte über einen Haufen Geld und ein zerlegtes Treppenhaus.
Das Verhältnis zwischen Clubs und Anwohnern war auch im Umfeld der Kulturbrauerei alles andere als entspannt in den letzten Jahren. Vor allem die Nachbarn der Knaackstraße beschwerten sich regelmäßig über den Lärm aus den Clubs, der sie nachts aus ihren Betten trieb. Als infolgedessen 2010/11 die Schallpegel gemessen wurden, zeigte sich, dass die zulässigen Richtwerte im Anwohnerbereich tatsächlich überschritten waren.
Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein Club in Prenzlauer Berg aus diesem Grund hätte schließen müssen. Doch die Clubbetreiber der Kulturbrauerei suchten lieber gemeinsam mit dem Bezirk und der Treuhand als damaligem Grundstücks-Eigentümer nach einer für alle annehmbaren Lösung.
Besser schlafen ohne tieffrequente Töne
Die scheint nun gefunden zu sein. Am vergangenen Donnerstag waren Sören Birke, der Chef der Consense Gesellschaft, die das Maschinen- und das Kesselhaus bespielt, und Frank Isenthal, der Geschäftsführer vom Soda Club, zu Gast in dem BVV-Ausschuss für Beschwerden und Umweltschutz. Dort präsentierten sie die Maßnahmen zur Lärmminderung, die in der Kulturbrauerei umgesetzt worden sind.
Zum einen hat man die Anlagen in den Veranstaltungsstätten eingepegelt, um die tieffrequenten Töne herauszufiltern. Diese Töne haben einen Frequenzbereich von unter 100 Hertz und sind damit noch tiefer als Bässe. Sie hatten in der Vergangenheit die größten Probleme verursacht. Birke erklärt, dass diese Frequenzbereiche erst seit den nuller Jahren in den Clubs ertönen, weil es vorher noch gar keine entsprechenden Soundsysteme gab. „Deswegen ist auch kein Veranstaltungsraum, der schon seit den Neunzigern in Betrieb ist, darauf ausgelegt, diese Töne abzuschirmen.“ Das gilt auch für die Locations in der Kulturbrauerei.
Für die 74- jährige Rosina Reyels, die an der Knaackstraße wohnt, war die Einpegelung der Anlagen der entscheidende Schritt. „Seitdem die Bässe nicht mehr bis in meine Wohnung dringen, ist für mich alles in Ordnung“, sagt sie. Gegen Konzerte habe sie überhaupt nichts einzuwenden, „im Gegenteil!“
Bleiplatten ins Dach
In der Kulturbrauerei wurde zusätzlich die Schallisolierung der Gebäude optimiert. Eine Überprüfung in den Jahren 2010/11 hatte ergeben, dass der bauliche Schallschutz für die Nutzung als Veranstaltungsstätten nicht ausreichte.
Birke sagt: „Wenn man will, dass der Schall im Gebäude bleibt, braucht man vor allem Masse.“ Blei eigne sich besonders zur Schalldämmung, weil es ein so dichtes Material sei. Aus diesem Grund wurden noch bleihaltige Platten in das Dach des Maschinenhauses eingebaut. Das komplette Dach musste dafür abgehoben werden.
Gummi ins Treppenhaus
Zusätzlich wurden alle Stellen in den Veranstaltungsräumen abgedichtet, durch die Schall besonders leicht entweicht: Fenster, Türen, Ritzen, Löcher. Der spektakulärste Eingriff betraf ein Wohnhaus an der Schönhauser Allee, das direkt an das Kesselhaus grenzt: Das komplette Treppenhaus wurde zersägt, damit man eine lärmdämmende Gummifüllung in die Sägefuge einbringen konnte.
Es hat sich offenbar gelohnt. Laut Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU), zuständig für Verbraucherschutz, Kultur und Umwelt, weisen die Veranstaltungsstätten jetzt einen guten baulichen Schallschutz aus. Die Immissionsrichtwerte würden eingehalten.
Ein Lärmschutzpaneel aufs Dach
Doch selbst wenn aus den Gebäuden nichts mehr nach außen dringt, können klirrende Flaschen und Stimmen aus dem Innenhof der Kulturbrauerei noch immer die Stille der Nacht zerreißen. Um diese Geräusche besser abzufangen, wurde zur Knaackstraße hin eine transparente Lärmschutzwand auf das Dach des Soda-Clubs gesetzt.
All diese Maßnahmen in der denkmalgeschützten Kulturbrauerei umzusetzen, hat rund 1,3 Millionen Euro gekostet. Das Geld dafür kam zum größten Teil von der Lotto-Stiftung Berlin. Sie hat die Kosten für sämtliche Baumaßnahmen in der Kulturbrauerei übernommen. Das Land Berlin steuerte nur noch das Geld für die Dämmung des Treppenhauses an der Schönhauser Allee bei.
Birke sagt, die Veranstalter seien „happy hoch zehn“ mit der Lösung. Sie könnten in den Clubs jetzt alles machen, was Künstler und Gäste erwarteten, ohne die Anwohner zu stören. Also alles Friede, Freude, Eierkuchen? Gelegentlich gebe es schon noch Beschwerden, sagt Birke. Aber: „Der Zustand hat sich um ein Vielfaches verbessert“. Wenn jetzt Klagen kämen, seien die nur noch auf das Verhalten der Besucher bezogen. Gegen lautes Grölen im Hof können eben auch die dichtesten Fenster und die massivsten Bleidächer nichts ausrichten.