Mit „Gemüse Schramm“ in der Hufelandstraße schließt dort einer der letzten Läden, die es noch vor der Wende gab. Ein Nachruf.
Verdrängt werden sie nicht. Es wollte einfach keiner ihren Job übernehmen. Herr und Frau Schramm gehen in den verdienten Ruhestand. Damit verliert das Bötzowviertel ein Stück Einzelhandelsgschichte und wir, meine Nachbarn und ich, einen tollen Gemüse- und Naturkostladen. Die Lücke wird groß sein.
Dabei sah alles noch so gut aus. Als die Schramms vor gut einem Jahr entschieden haben, den Laden zu schließen, hatten sie (und auch ich) noch gehofft, einen Nachfolger zu finden, der den Laden weiterführt. Aber die hohe Arbeitsbelastung, die ein solches Geschäft mit sich bringt, war wohl schuld, dass sich keiner fand. Nun ist also Schluss.
Laden seit dem Jahr 1976
Der Laden hatte Geschichte: Die Familie Schramm handelte in der dritten Generation mit Obst und Gemüse. Schon 1896 begannen die Großeltern mit dem Gemüse-Großhandel in der Zentralmarkthalle am Alexanderplatz. Die Eltern führten den Großhandel nach dem 2. Weltkrieg bis zu Enteignug in der DDR 1972 fort. Dank guter Kontakte zu regionalen Erzeugern im Berliner Umland konnten sie schnell als private Händler für Obst und Gemüse Fuß fassen. Seit 39 Jahren gab es den Laden in der Hufelandstraße, den die heutigen Schramms ein Jahr vor der Wende übernommen hatten.
Schritt für Schritt haben die Schramms ihr Sortiment umgestellt. Als nach der Wende das regionale Obst und Gemüse nicht mehr allzu hoch im Kurs stand, begann der sehr frühmorgendliche Einkauf auf dem Großmarkt. Später dann die langsame Umstellung auf bio.
Vor zehn Jahren gab es noch alles doppelt
Als ich vor rund 13 Jahren ins Viertel zog und in den Jahren danach, gab es gefühlt alles doppelt: Da lag dann die quietsch-rosafarbene Orange neben der organgefarbenen Bio-Orange. Mit den Jahren setzte sich der Trend durch und so verschwand das konventionelle Gemüse (fast) ganz aus dem Sortiment. Und während ich das schreibe wird wohl die letze Lieferung an frischer Ware ausgepackt.
Und nun? Nun kommt ein Schuhladen. Ausgerechnet. Da wo ich herkomme hat sich „unsere“ Einkaufsstraße auch verändert. Da ist jeder zweite Laden entweder ein Schuh- ein Klamotten- oder ein Designer-Laden geworden. Nicht dass ich die nicht mag. Aber damit stiegen die Mieten und etablierte Läden des täglichen Bedarfs mussten schließen. Man kennt das. Und so wird das vielleicht auch mit der Hufelandstraße passieren. Die Schramms gehen aus einem anderen Grund. Aber das ist genauso schade.
Vielen Dank, liebe Schramms. Sie waren toll. Genießen Sie Ihren Ruhestand. Wir werden Sie und Ihren Laden vermissen.
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