Gruppenarbeit für den Dreiecksplatz

von Anja Mia Neumann 17. Juni 2015

Die Bürgerbeteiligung im Humannkiez erinnert ein wenig an Schule. Alle müssen sich zusammenreißen und es fällt das schöne Wort Pumucklhausen. Am Ende steht eine Liste mit Wünschen der Anwohner. Tatsächlicher Einfluss: unklar.

Darum geht’s:

 

• Das Bezirksamt versucht sich in der Strategie einer moderierten Bürgerbeteiligung

• Der Dreiecksplatz im Humannkiez soll neu gestaltet werden, mit Geld aus dem städtebaulichen Denkmalschutz

• Anwesende Anwohner, fast ausschließlich Autofahrer, fürchten um ihre Parkplätze und schimpfen auf Fahrradfahrer

• Vorschläge werden gesammelt, unklar, inwieweit sie in die Planungen tatsächlich einfließen

 

„Ruhig und sachlich bleiben, nicht brüllen, keine Beleidigungen!“ Nein, diese Anweisungen stehen nicht auf einer Tafel für den Grundschul-Unterricht. Sondern in einem Raum, in dem der Bezirk eine Bürgerbeteiligung aka Planungswerkstatt für Anwohner veranstaltet. Die rund 90 Teilnehmer sind allesamt Erwachsene. Die Worte machen klar: Hier hat sich einiges aufgestaut, Spannung und Emotionen drohen ganz schnell in Aggression umschlagen.

Es geht um die Krügerstraße im Humannkiez und um den Platz an der Kreuzung zur Kugler- und Dunckerstraße, liebevoll Dreiecksplatz genannt. Der ist wild bewachsen und ein Beispiel dafür, wie größtmögliche Vernachlässigung eines Stadtplatzes aussieht. Straße und Gehweg sind wie so viele andere in Prenzlauer Berg löchrig und Bordsteinkanten hoch.

 

Nach Eskalation noch mal von vorn

 

Für die Umgestaltung des Platzes und die Erneuerung der Straße lässt nun das Bund-Länder-Programms Städtebaulicher Denkmalschutz Geld springen. 880 000 Euro stehen im Raum.

Wofür werden die genutzt? Im vergangenen November gab es dazu schon einmal ein Treffen von Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne) und Bürgern – rund 60 Teilnehmer sollen es nach Bezirksangaben gewesen sein. Doch Ideen wie Spielstraße, Fahrradstraße, verkehrsberuhigter Bereich, weniger Parkplätze – das kam bei den meisten anwesenden Bürgern schlecht an. Die Veranstaltung eskalierte. Statt normaler Diskussion trafen letztlich Killerphrasen, Beleidigungen und Unverständnis aufeinander. Anschließend herrschte Krieg: vor allem zwischen Bezirksamt und Anwohnern.

Tortendiagramme der Bürgersteigbefragung und Regeln zum Reden. Foto: Anja Mia Neumann

 

Am Dienstagabend nun der Versuch, noch mal neu zu starten. „Wir gehen einen Schritt zurück und schauen uns ganz offen die Möglichkeiten an“, sagt Kirchner zu Beginn des Abends. Eine Mitarbeiterin wertet Bürgersteiggespräche aus – nicht repräsentativ, aber ein Stimmungsbild. 43 Prozent wollen nur eine Gehweg- und Fahrbahnsanierung und damit eine bessere Schulwegsicherheit, 57 Prozent können sich auch Bänke und Bäume auf dem Dreiecksplatz vorstellen.

Dann geht es in die Gruppenarbeit. Es ist die Strategie einer moderierten Bürgerbeteiligung – mit Wünschen und Sorgen auf bunten Blättchen und anschließender Abstimmung.

 

Hier ein kleines Sammelsurium an aufgeschnappten Sätzen:

 

„Das hier waren schon immer Straßen, warum soll das übermorgen anders sein?“

„Den ganzen Platz zuzustellen, ist doch Blödsinn.“

„Wir sind hier nicht in Pumucklhausen. Wir brauchen unsere Parkplätze.“

„Das Denkmal kann einfach sein, wir brauchen nichts Buntes.“

„Es soll ein Haufen Geld ausgegeben werden, aber die Funktionalität muss erhalten bleiben.“

„Gehweg-Vorstreckungen wollen wir nicht.“

„Wer sollte bei einer Fahrradstraße denn Vorfahrt haben?“

„Wenn Sie anfangen, einen Schilderwald aufzustellen, ist die Verwirrung komplett.“

„Ich halte es für völlig vertretbar, wenn Parkplätze wegfallen.“

 

Der letzte Satz fällt raus und war an dem Abend sehr selten zu hören und auch nicht sehr geschätzt. Gesagt hat ihn Matthias Groh von der Initiative der Temporären Spielstraße in der Gudvanger Straße um die Ecke vom Dreiecksplatz. Ihn wundere immer wieder, dass Parkplätze so einen großen Unmut auslösten, sagt er. „Mein Wunsch wäre ein verkehrsberuhigter Bereich in der Krügerstraße und schöne, schattige Bänke für die Älteren auf dem Dreiecksplatz.“ Gewissermaßen ein Ruhepol und Gegengewicht zum turbulenten Humannplatz mit seinem großen Spielpaltz.

Uwe Kriegsmann ist anderer Meinung: „Straßen müssen für Autos da sein“, sagt er. Von der Idee, die Krügerstraße umzugestalten hält er nichts. „Sicherheit ja, aber dann endet es. Und über den Dreiecksplatz sollen sie einfach mal einen Stadtgärtner rüberschicken.“ Seit 1977 fährt Kriegsmann privat Auto, er war Lkw-, Bus- und Taxifahrer bevor er in Rente ging.

Der Platz des Anstoßes. Foto: Anja Mia Neumann

 

Insgesamt klingt es an dem Abend nach einem recht einseitigen Kanon von passionierten Autofahrern mit einem großen Ruhebedürfnis. Ob sie es sind, die bereit sind drei Stunden am Abend für das Gespräch mit dem Bezirksamt zu opfern? „Familien mit kleinen Kindern, die auch im Kiez wohnen, haben es sicher schwerer“, meint Thomas Bauermeister. Er arbeitet bei der Bürgerbeteiligung als Moderator und ist Landschaftsarchitekt.

Die Heftigkeit, mit der sich Anwohner gegen eine Umgestaltung sträuben, überrascht. Aus Bauermeisters Sicht liegt das vor allem an der Angst vor Veränderung und vor Gentrifizierung. „Die Parkplatzsorge ist eine reale Sorge – dahinter steckt aber die Angst vor einer Aufwertung und vor Verdrängung.“

Aus planerischer Sicht sei eine Fahrradstraße ein spannender Denkansatz, findet Bauermeister. Sie gibt es etwa in der Linienstraße in Mitte und bedeutet, dass Fahrräder Vorrang haben, aber Anwohner weiterhin mit ihrem Auto auf die Straße können. „Das würde bewirken, dass der Fahrradverkehr vom Gehweg geholt wird – das wird ja oft bemängelt.“

 

Vogeltränke, Litfaßsäule, Verkehrssicherheitsbehörde

 

Letztlich nimmt das Bezirksamt vertreten durch Stadtrat Kirchner einige konkrete Vorschläge mit: eine Mehrheit für Bäume und Bänke auf dem Platz, außerdem eine Vogeltränke, eine Litfaßsäule, Licht in Gaslaternen-Optik, Stehlen in Erinnerung an die alte Straßenbahn, Infotafeln und Zebrastreifen. Außerdem die Idee, zwei Parkplätze für Fahrradständer zu nutzen, was für einen kleinen Aufschrei im Saal sorgt.

Inwiefern die Vorschläge der Anwohner nun konkret in die Planung einfließen, lässt Kirchner offen. Er wird aber nicht müde, zu betonen, dass die sichere Gestaltung der Straße im Zweifel die Verkehrssicherheitsbehörde anordne.

 

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