Der Seniorentreff mit angeschlossenem Heimatmuseum an der Dunckerstraße steht am Scheidepunkt, schon wieder. Helfen soll diesmal unter anderem ein Seniorentransfer aus dem Thälmannpark.
Karin Ehrlich vom Verein „Miteinander-Füreinander“ hat kein Händchen für Sprachbilder. Ihre Senioreneinrichtung also stehe „gerade an einer absoluten Stolperstelle“, sagt sie, und zwar dergestalt, dass man in finanzieller Hinsicht „von Monat zu Monat wackelt“. Der Einrichtung, seien wir ehrlich, geht es damit also wie so manchem Besucher, obwohl die Herbstlaube in der Dunckerstraße kaum 25 Jahre alt ist. Ums Überleben kämpft sie trotzdem, zum wiederholten Male. Sah es zwischenzeitlich so aus, als ob die Seniorenbegegnungsstätte mit dem angeschlossenen Prenzlauer Berger Gründerzeitmuseum dauerhaft erhalten werden könnte, ist genau das nun wieder offen. 2016 könnte Schluss sein. Nun hängt es am Bezirk. Und vielleicht auch an der Bereitschaft von Senioren aus dem Thälmannpark, die Besuchszahlen der Herbstlaube in die Höhe zu treiben.
Zu Wendezeiten wurde die Seniorenbegegnungsstätte im Helmholtzkiez gegründet, unter den damals üblichen chaotischen Bedingungen. Anwohner besetzten das Haus der „Nationalen Front“, einer Organisation der Blockparteien, daraus wurde ein ABM-Projekt, ein Treffpunkt für ältere Menschen. Betrieben wird die Herbstlaube heute vom Verein „Miteinander-Füreinander“, schon immer wurde hier auf Kante genäht. Was den Verein nicht abhielt, vor mehr als zehn Jahren das Heimatmuseum „Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus“ zu gründen, betrieben wird dieses zusammen mit dem Museum Pankow und von diversen Ehrenamtlern. 2011 geriet der Verein das erste Mal in arge Not, eine Insolvenz stand kurz bevor. Die konnte mit einer Abspeckung der Vereinsarbeit verhindert werden, doch schon im Jahr drauf wurde es wieder eng: Der Bezirk musste seine Zuschüsse zusammenstreichen, wie in anderen sozialen und kulturellen Einrichtungen auch. 2013 konnte die endgültige Schließung nur verhindert werden, weil Mieten für Museum und Herbstlaube erlassen wurden. Im vergangenen und diesem Jahr sprang dann wieder der Bezirk ein, auch diese Förderung ist allerdings nur befristet. Was nun zu der Stolperstelle führt, von der Karin Ehrlich spricht. Denn wieder einmal geht es für ihren Verein und damit das Gründerzeitmuseum um alles. Immerhin: Man hat da jetzt schon Routine.
Zusagen über 2015 hinaus nicht möglich
Herbstlaube und Museum sind eine Low-Budget-Angelegenheit. Pro Jahr, so Karin Ehrlich, bekomme die Seniorenbegegnungsstätte 30.000 Euro vom Bezirk, das Museum rund 14.000. Der Verein erhalte zudem 7.000 Euro jährlich als Personalkostenzuschuss – beschäftigt werden eine hauptamtliche Sozialarbeiterin und sieben Ehrenamtler. Seit Kurzem muss von diesem Geld ein Ausgabenposten beglichen werden, der zuvor entfallen war: Die Miete für die Räume des Seniorentreffs. Die wurde im April 2013 von der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag erlassen, das gleiche galt für die Räume des Museums, hier gewährte ein privater Vermieter ein Mietmoratorium.
Im Museum muss der Verein seit Januar 2014 wieder ganz regulär zahlen, in der Herbstlaube nun seit April dieses Jahres. Karin Ehrlich spart jetzt an jeder Ecke und sammelt Krümel. Zum Beispiel vom Freundeskreis, der vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde und der 20 Mitglieder mit mindestens zehn Euro Monatsbeitrag hat. Außerdem verkaufen Senioren in der Auslage der Herbstlaube selbst gemachte Dekostücke, kürzlich gab es einen Trödelverkauf am Wochenende, Einnahmen 105 Euro. Es gehe, betont Karin Ehrlich, wirklich um jeden Euro.
Da kann Stadtrat Torsten Kühne (CDU) nur zustimmen. Er ist mit seinem Amt für das Gründerzeitmuseum zuständig und kündigt an, sich in den anstehenden Haushaltsverhandlungen dafür einzusetzen, dass auch im kommenden Haushaltsjahr wieder Zuschüsse für das Museum fließen. Ausgang offen: „Wir sagen dem Verein immer, dass er sich nicht allein auf den Bezirk verlassen soll“, so Kühne, er plädiert für mehr Spendenakquise. Sein Ziel ist es, dass die bezirklichen Zuschüsse in gleicher Höhe wie bisher weiter fließen, was aber wahrscheinlich nicht reicht. Grund, so Kühne, sei der neue gesetzliche Mindestlohn, der die Personalkosten wohl um einen dreistelligen Eurobetrag erhöhen könnte. Unbedeutend, möchte man meinen, aber Kühne widerspricht. „2013 haben solche Summen über Wohl und Wehe ganzer Einrichtung entschieden.“ Das könnte jetzt leicht wieder passieren, so Kühne. Auch Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), sie ist zuständig für die Förderung der Seniorenbegegnungsstätte, will keine Zusagen für das kommende Jahr machen. „Natürlich gibt es immer eine Unsicherheit“, sagt sie. „Das ist aber bei allen zuwendungsgeförderten Projekten so. Sie können immer nur im Rahmen des laufenden Haushaltsjahres gefördert werden.“
Senioren sollen „stärker in die Zukunft denken“
Karin Ehrlich möchte daher mit ihrem Verein am liebsten raus aus der Projektschiene. Den beiden Stadträten hat sie daher in einem „Initiativpapier“ (liegt vor) vorgeschlagen, aus den beiden getrennt geförderten Einrichtungen, Museum und Seniorentreff, eine zu machen. Ein „soziokulturelles Doppelprojekt“ könnte dies werden, mit dem Arbeitstitel „Herbstmuseum Jahrhundertleben“. Beschrieben wird in der Arbeitsskizze das, was jetzt schon Standard ist. Ältere Vereinsmitglieder, Ehrenamtliche und Besucher der Herbstlaube kommen über das Museum und darin stattfindende Projekte mit Jüngeren ins Gespräch. „Bezirkliche Geschichtsarbeit“ werde damit möglich, heißt es, generationsübergreifendes Arbeiten, die „Würdigung der Lebensleistung jedes Einzelnen“. Konkret geht es dabei beispielsweise um Schulklassen, die sich im Museum zeigen lassen, wie Wohnen und Leben in Prenzlauer Berg um die vorvergangene Jahrhundertwende aussah – und dabei mit den Senioren über die etwas jüngere Vergangenheit reden. Eine Komplementärfinanzierung durch Kultur- und Sozialabteilung des Bezirksamts hätte „Modellcharakter“, meint Karin Ehrlich. Der Vorschlag stößt aber auf wenig Gegenliebe beim Bezirksamt. Stadtrat Kühne jedenfalls erklärt, dass dies rechtlich schlicht nicht möglich sei. Und seine Kollegin Zürn-Kasztantowicz äußert sich dazu erst gar nicht.
Es wird also, wenn überhaupt, wohl bei einer getrennten Finanzierung für Herbstlaube und Museum bleiben. Zum Verhängnis könnte den beiden Einrichtungen dabei werden, dass sie in einer Gegend liegen, die nicht als unterversorgt gilt, geht es um Treffpunkte für Senioren. Anders als beispielsweise der Thälmannpark, wie Stadtrat Kühne sagt. Auf dieses 15 Gehminuten entfernte Areal zielt auch sein Blick, geht es um die weitere Daseinsbegründung für die Einrichtung in der Dunckerstraße. Die Herbstlaube, so Kühne, brauche einfach mehr Besucher, um einen Weiterbetrieb auf lange Sicht zu rechtfertigen. Wünschenswert sei es daher, wenn die Gewobag als Großvermieter im Thälmannpark die dortigen Bewohner verstärkt auf den Seniorentreff hinweise, für den sie in der Dunckerstraße die Räume vermiete. „Dafür muss die Herbstlaube stärker ihre Einzigartigkeit herausstellen“, so Kühne. „Man muss da mehr in die Zukunft denken“, so seine Empfehlung an die Hochbetagten in der Herbstlaube.
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