1986 wurde der Fußgängertunnel am Thälmannpark eröffnet. Aus der praktischen Abkürzung zur Straßenbahn ist inzwischen ein „Angstraum“ geworden. Er soll verschwinden.
Manche Menschen hängen ja so ziemlich an allem, was es bereits früher gab, und hier in dieser Ecke Prenzlauer Bergs ist die Nostalgie besonders greifbar. Ein paar Meter weiter steht eine Thälmann-Statue, die irgendwie aussieht wie Lenin. Im Thälmann-Park stehen Kultureinrichtungen, die aussehen, wie sie nun mal aussehen. Und am Horizont steht eine Hochhausanreihung, gegen die andere Hochhaussiedlungen definitiv abstinken, nimmt man zum Beispiel das bemerkenswert hässliche Märkische Viertel als Kontrastmittel. Das alles ist gar nicht so alt, knapp dreißig Jahre, aber doch aus einer anderen Zeit. Und ein Großteil der Anwohner schätzt den Charme der sozialistischen Mustersiedlung, unter diesem Label nämlich wurde hier einst gebaut. Die Initiative teddyzweinull kämpft gerade dafür, dass hier möglichst viel so bleibt, wie es ist, während der Bezirk ganz andere Pläne hat. „Ich will es gar nicht erst beschreien“, sagt deshalb der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), aber eigentlich geht er davon aus, dass es auch wegen des Fußgängertunnels unter der Tram-Station am S-Bahn-Halt Greifswalder Straße Proteste geben wird. Der soll nämlich weg.
Die Unterführung gibt es seit 1986, seit der Kompletterneuerung des Areals und der Sprengung des Gasometers (Dossier zum Thälmannpark). Seitdem müssen Passagiere, die von der S- auf die Straßenbahn umsteigen wollen, nicht mehr den Weg über die Straße nehmen, sondern den darunter. Eine feine Sache damals, doch hat seitdem weltweit der Ruf von Fußgängertunneln gelitten, auch jener des Thälmann-Tunnels. „Das ist inzwischen ein Angstraum“, sagt Stadtrat Kirchner. Außerdem, und das ist das Hauptargument für den geplanten Wegfall des Tunnels, ist er nicht barrierefrei.
Man geht nicht gerne Treppen runter und hoch
Christian Gaebler, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, führte die Nachteile des Tunnels kürzlich als Antwort auf eine Anfrage der Prenzlauer Berger Abgeordneten Clara West (beide SPD) im Abgeordnetenhaus aus. „Schlecht angenommen“ sei dieser, erklärte Gaebler. Unter anderem wegen „verlorener Steigungen“, ein Fachbegriff, der besagt, dass Menschen nicht gerne Treppen absteigen, nur um dann wieder eine andere hochzusteigen. Vermiedene Steigung ist deswegen an der Greifswalder Straße vermehrt zu beobachten, dergestalt, dass Fußgänger über die Straße rennen und die an der Tram-Station befindlichen „Absperrgitter überklettern und so gefährliche Situationen herbeiführen“, so Gaebler.
Schon länger steht die Idee im Raum, den Tunnel wegen der genannten Nachteile, vor allem für Menschen mit körperlichen Behinderungen, aufzugeben. Eine Sache, der sich viele Akteure annehmen müssten: Das Land, der Bezirk, die BVG als Betreiber der Tram-Haltestelle und die Deutsche Bahn als Eigentümer der S-Bahn-Station und der über die Greifswalder Straße führenden Brücke. Laut Stadtrat Kirchner scheiterte ein Fortkommen bisher vor allem an der Bahn, die nach seinen Worten einem kostenintensiven Umbau kritisch gegenüber stehe. „Die wollen nicht an die Brücke ran“, so Kirchner. Er begrüße deshalb, dass die Senatsverwaltung jetzt gehandelt habe – und einen „Prüfauftrag“ an die BVG vergeben habe. Diese soll laut Staatssekretär Gaebler „Variantenuntersuchungen zu diesem ÖPNV-Knotenpunkt“ vorlegen. Die Vorschläge sollen dann später mit Bahn, Bezirk und Senat erörtert werden.
Die Bahn weiß von nichts
Die BVG bestätigt, dass man gerade Alternativen prüfe. „Die Fahrgäste nutzen lieber einen oberirdischen Weg, deshalb brauchen wir dort eine andere Lösung“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. „Da herrscht auch weitgehend Einigkeit.“ Allerdings verweist er auch darauf, dass es keine einfache Lösung gebe, und die Bahn mit an Bord müsse, sofern die Brücke bei der Neugestaltung eine Rolle spiele. Und davon ist auszugehen, nimmt man die Vorstellungen von Stadtrat Kirchner zum Maßstab. Er bringt eine Treppe von der S-Bahn-Brücke direkt zur Greifswalder Straße ins Spiel, mit der sowohl die Tram-Station als auch die Straßenseite hin zum Thälmann-Park erreicht würde. Zusätzlich wäre mindestens ein Aufzug nötig, um Barrierefreiheit herzustellen.
Welche Vorstellungen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für eine Neugestaltung des Übergangs hat, war von dort nicht zu erfahren. Bei der Bahn ebenso nicht, dort ist nicht einmal bekannt, dass die BVG prüft. „Die BVG hat das Projekt an die Senatsverwaltung 2012 zurückgegeben“, erklärt die Bahn, was die BVG strikt zurückweist, und die Bahn auf erneute Nachfrage bekräftigt. Soll heißen: Eine Einigung über die Beseitigung des Tunnels kann sich noch hinziehen. Derzeit ist er sowieso gesperrt, die Wasserbetriebe bauen. Und ein Übergang zur verlegten Tram-Station ist über die Straße mit mobiler Ampelanlage möglich.