Obdachlose werden im Bezirk in privaten Pensionen untergebracht. Hier gelte das Recht des Stärkeren, monieren Kritiker. Heimbetreiber achten strikt darauf, dass die Öffentlichkeit draußen bleibt.
Der Mann wollte nichts mit Drogen zu tun haben und er hatte Angst. Das war der Grund, warum er sich vor ein paar Wochen an Jan Schrecker wandte – jener Pirat und Pankower Bezirksverordnete, der sich in seiner politischen Arbeit vor allem den gesellschaftlich Benachteiligsten im Bezirk widmet. Der Mann, der Schrecker aufsuchte, war obdachlos und deswegen in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht. Dort, so berichtet er Schrecker, wimmele es nur so von Dealern, und außerdem fühle er sich ob einer gewissen Gewaltaffinität mancher Mitbewohner nicht mehr sicher. Das Gespräch war Anlass für Jan Schrecker, das System der Obdachlosenunterkünfte im Bezirk genauer in den Blick zu nehmen. Keine leichte Aufgabe: Denn tatsächlich scheint die Hilfe für Wohnungslose in Pankow, aber auch in anderen Bezirken, eher Privatsache zu sein. Sache der Unternehmen, die die Unterkünfte betreiben.
Elf private Wohnheime gibt es nach Angaben der Stadträtin Christine Keil im ganzen Bezirk Pankow, manche bieten nicht mal zehn Plätze, andere über hundert. 658 Plätze sind es insgesamt, „und die sind in der Regel ständig belegt”. Und der Bedarf wächst rapide. Wurden nach Statistik des Bezirksamts 989 Menschen im Jahr 2012 mindestens einen Tag in einem Obdachlosenheim untergebracht, waren es im vergangenen Jahr schon 1073. Um den Bedarf zu befriedigen, müssen zunehmend auch Hotelzimmer gebucht werden, Statistiken, wie oft das der Fall ist, gibt es aber nicht.
Obdachlose sollen sich selbst beschweren
Eine der größten privaten Obdachlosenunterkünfte ist die in der Storkower Straße 114. Jan Schrecker moniert, dass hier das marktwirtschaftliche Prinzip auf die Unterbringung von Menschen angewendet werde. „Viele der Betroffenen brauchen aber erhebliche psychische und soziale Unterstützung. Dieses Fachpersonal ist aber sehr oft nicht vorhanden”, sagt er. In einer kleinen Anfrage an Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) wollte Schrecker jetzt wissen, nach welchen Kriterien die Betreiber der Unterkünfte ausgesucht und wie sie kontrolliert werden. Die Antworten sind ernüchternd.
So sind zwar vom Landesamt für Gesundheit und Soziales detaillierte Bedingungen aufgelistet, die ein Heimbetreiber erfüllen muss – hier geht es vor allem um Einrichtungsstandards, aber auch um Betreuungsfragen. Doch beim Kontrollsystem, das die Einhaltung dieser Vorgaben sicherstellen soll, hakt es in Pankow offenbar ganz gewaltig. „Aufgrund der knappen Personalressourcen werden die regelmäßigen Begehungen der Pensionen aus Gründen der Arbeitsökonomie mit den Betreibern terminlich abgesprochen”, heißt es in der Antwort auf Schreckers Anfrage. Diese Art der Kontrolle sei deswegen praktikabel, da Bewohner, die Mängel bei der Unterbringung feststellen, sich jederzeit an das Amt zu wenden könnten „und das Amt für Soziales dann eine unangemeldete Begehung durchführen wird”. Schrecker hält das für eine Fehlannahme. „Die Menschen, die dort leben, wollen so wenig wie möglich mit Behörden zu tun haben.” Sie würden daher gar nicht auf die Idee kommen, sich dort zu beschweren.
Kein Zutritt in der Storkower Straße
Vor wenigen Woche hat Jan Schrecker sich ein eigenes Bild von den Unterkünften gemacht. Beobachtet hat er ein Verhältnis wie zwischen Mietern und Vermietern. Heißt, es werden Zimmer zur Verfügung gestellt; alles darüber hinaus müssen die Bewohner für sich selbst klären. Keinen Zutritt hat der Pirat im Haus in der Storkower Straße bekommen. „Die Einrichtungsleitung war sehr skeptisch und hat uns dann auch nicht reingelassen.” Ähnlich lief ein redaktionelle Anfrage ab. Es gebe definitiv keinen Einlass für Pressevertreter, wurde erklärt. Die Kontrollen des Bezirksamts zeigten, dass es nichts zu bemängeln gebe, so die Ansage. Auch bei Kay Haedicke, Geschäftsführer des Betreibers ABAS Soziales Wohnen und Verwaltungs- GmbH, gibt es nur eine dürftige Stellungnahme. Ja, es gebe eine Betreuung im Heim. Welche, lässt er offen. Und die Zahl der Angestellten, die sei Unternehmenssache.
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