Interview Uwe Kolbe

von philipp 26. Februar 2014

(Fortsetzung)

 

Hadubrand Einzwecks Haltung gegenüber der politischen Führung ist oft unentschlossen, manchmal naiv oder kurzsichtig. Letztlich schließt er sich nur aus Verlegenheit der oppositionellen Szene an – nachdem er sich im offiziellen Kulturbetrieb missliebig gemacht hat. Einmal schwärzt er seinen Prenzlauer Berger Freundeskreis gegenüber dem Vater an, und damit bei den Behörden. Was reizte Sie an dieser ambivalenten Figur?
Eine solche Figur zur Diskussion zu stellen, schließt den romantischen Blick aus. Der Typ steht in Frage. Von „oppositionell“ ganz zu schweigen, fragt sich, was das für ein Mensch ist.

Der Verweis auf historische Ereignisse und Milieus ist offensichtlich. Trotzdem haben Sie oft – nicht immer – die Namen verändert. So ist im Roman nicht von Wolf Biermann, sondern von Riebmann die Rede. Franz Fühmann heißt nicht Franz Fühmann, sondern Sebastian Kreisler. Es ist auch nie direkt von Prenzlauer Berg die Rede, sondern nur von der „Gegend“ oder von „Nordost“. Warum?
Sebastian Kreisler ist nicht durchgängig nach einem damals lebenden Vorbild geformt. Die Namensgebung ist sprechend genug. (Anm. d. Red.: Der Kapellmeister Johannes Kreisler ist eine Figur in den Werken E.T.A. Hoffmanns, sie gilt als die Künstlerfigur der Romantik schlechthin.) Personen, Umstände mussten in das musikalische, manchmal auch politische Bezugssystem des Romans passen. Ich gehe nicht davon aus, dass Leserinnen und Leser des Romans auf Wiedererkennen aus sind. Es geht um fragwürdiges Geschehen in einer fragwürdigen Welt. Um die Lüge der einen und der anderen Art. Um den Schein, der bröcklig ist wie die Fassaden, hinter denen er ohne Hemmungen seinen Talmiglanz entfaltet.

Vater und Sohn ähneln einander in der Beliebigkeit ihrer wechselnden Frauenbeziehungen. Warum treten Frauen in Ihrem Roman hauptsächlich passiv und als Objekte in Erscheinung?
Die Protagonisten sind Männer, aber sie leben durch und von Frauen. Die Frauenfiguren im Roman zeigen unterschiedliche Haltungen, mag sein vom „Objekt“ und vom Leiden einerseits bis andererseits hin zu Kritik und Verantwortung. Letzteres in jener Männerwelt unbekannt.

 

Ihre Protagonisten heißen Hadubrand und Hinrich, letzterer wird jedoch auch Hildebrand genannt. Warum dieser Verweis auf das Hildebrandslied?
Im Hildebrandslied stehen sich wie in den Schöpfungsmythen um Uranos, Kronos und Zeus oder wie bei den Tantaliden, insbesondere im Falle des Orest, Vater und Sohn feindlich gegenüber. Die Situation ist verhängnisvoll. Das heißt, von freier Entscheidung, von Freiheit überhaupt kann nicht die Rede sein. So geht es auch in diesem Roman zu.

 

Zwischen 1982 und 1985 durften Sie in der DDR nicht publizieren. Wie fühlt es sich an, wenn Sie jetzt in Prenzlauer Berg aus Ihrem neuen Buch lesen?

Ich habe in der DDR drei Gedichtbände veröffentlicht. Damit war ich nach den damaligen Maßstäben und in meiner Altersgruppe etwas wie ein etablierter Autor. Alles andere war Episode. – Was das Vorlesen betrifft: Wie geht es einem, wenn er beruflich im Dorf seiner Kindheit zu tun hat? Er wird es für sich behalten.

 

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Termininfo: Am Donnerstag, den 27. Februar 2014, liest er um 20 Uhr im Georg Büchner-Buchladen in Prenzlauer Berg, Wörther Straße 16. Karten 10 Euro, Telefon 030-4421301.

Buchinfo: Uwe Kolbe: Die Lüge. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 384 Seiten, 21,99 Euro.

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