Der Bezirk möchte in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße eine große Sporthalle bauen. Doch er hat massive Probleme, die dazu nötigen Grundstücke zu kaufen. Zudem protestieren die Anwohner gegen den Neubau.
Seit dem Krieg klafft auf den vier Grundstücken mit den Hausnummern 6 bis 9 in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße eine Baulücke. Dort möchte der Bezirk für zehn Millionen Euro eine große Sporthalle bauen. Doch die Nachbarn fürchten um die Ruhe in der Nebenstraße. Knapp 150 Unterschriften haben sie den Bezirksverordneten bei deren Sitzung am vergangenen Mittwoch gegen den Bau übergeben – gar nicht wenig für eine Straße, in der nur etwa 20 Häuser stehen.
Dieser Protest ist aber nicht das einzige Problem, das der Bezirk bei diesem Projekt hat.
Die Idee, die Freifläche für eine Sporthalle zu nutzen, stammt noch aus den 1990er Jahren. Ein Bebauungsplan wurde jedoch erst 2012 fertiggestellt – unter anderem, weil dem Bezirk lange Zeit kein einziges der vier Grundstücke gehörte.
Überlegung, enteignete Juden zu enteignen
Mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hatte, lässt sich am Beispiel des Grundstücks mit der Hausnummer 9 erklären. Dieses gehörte der Conference on Jewish Material Claims Against Germany, auch Jewish Claims Conference (JCC) genannt. Diese vertritt jüdische NS-Opfer bei ihrem Anspruch auf Entschädigung.
Laut Unterlagen, die den PBN vorliegen, hat die JCC dem Bezirk bereits 2001 und 2004 angeboten, das Grundstück an ihn zu verkaufen. Obwohl schon damals die Pläne für die Sporthalle in der Schublade lagen, ging das Amt nicht darauf ein. Es dauerte bis 2012, bis es sich bei der JCC um das Grundstück bemühte. Doch auf die Preisvorstellungen des Bezirks wollte diese sich nicht einlassen. Zwischenzeitlich wurde im Amt deshalb sogar erwogen, die JCC zu enteignen.
Man kann sich das kaum vorstellen: Der Bezirk hat überlegt, die Interessenvertretung der enteigneten Juden zu enteignen.
Eine andere Idee war, der JCC im Austausch die Stille Straße 10 zu überlassen, wo damals die Seniorenfreizeitstätte dicht gemacht werden sollte. Zu beidem ist es jedoch nie gekommen.
Viel teurer als gedacht
Stattdessen musste der Bezirk letztendlich klein beigeben und viel mehr für das knapp 580 Quadratmeter große Grundstück zahlen, als ihm lieb war. Statt des 2011 veranschlagten Verkehrswerts von 473.000 Euro mussten laut Kaufvertrag vom Mai vergangenen Jahres 660.000 Euro plus Courtage und Anwaltskosten bezahlt werden – insgesamt 270.000 Euro mehr, als ursprünglich gedacht. Das ist ziemlich viel Geld für einen Bezirk, der sonst jeden Cent umdreht und wegen Geldmangels Kultur- und Sozialeinrichtungen dicht macht.
Doch immerhin konnte er sich das Grundstück somit sichern. Auch bei den Hausnummern 7 und 8 ist das mittlerweile gelungen. Die Hausnummer 6 gehört jedoch bis heute einem Anwalt, der selbst in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße lebt und zu den Anwohnern gehört, die wenig Lust auf eine große Sporthalle mit Vereinsbetrieb vor der Haustür haben.
Schon wieder ist von Enteignung die Rede. Tatsächlich sieht das deutsche Baurecht diese Möglichkeit vor, wenn ein Areal für öffentliche Zwecke benötigt wird. Erfahrung habe man damit in Pankow aber bislang nicht, meint Stadtentwicklungs-Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) auf Nachfrage.
Alle vier Grundstücke müssen es sein
Trotz dieser Widrigkeiten hält die Politik hartnäckig an ihren Plänen fest. Das liegt auch an der Furcht vor den Konsequenzen. Denn der Kauf der Grundstücke ist an den Bau der Sporthalle gekoppelt. Falls der nicht zustande kommt, müssen die Flächen zurückgegeben werden. Die bisherigen Eigentümer könnten dann Entschädigungen einklagen, weil sie ihren Besitz jahrelang nicht frei nutzen konnten.
Doch warum baut der Bezirk nicht auf den drei Grundstücken, die er schon hat?
In einer Machbarkeitsstudie von 2010 heißt es, dass für die Halle selbst drei Hausnummern ausreichten. Das vierte Grundstück werde unter anderem für die Einhaltung des Brandschutzes sowie als Pausenhof für die benachbarte Schule in der Pasteurstraße benötigt. Die wird ab Herbst saniert. (Mehr dazu steht hier.) Daher ist der Bezirk darauf angewiesen, dass auch der Eigentümer der Hausnummer 6 noch verkauft.
Schulsport ja, Vereinssport nein
Während die Verhandlungen dazu noch laufen, machen nun auch noch die Anwohner mobil. Diese empfinden die Halle als überdimensioniert. Zudem sorgen sie sich um den zusätzlichen Betrieb in ihrer Straße. Zwar heißt es im Bebauungsplan, dass nicht mit viel mehr Verkehr zu rechnen sei, weil die Halle vor allem von Menschen aus der Nachbarschaft genutzt werde. Die Anwohner bezweifeln das jedoch.
Für den Bezirk könnte dieser Unmut noch zum Problem werden. Denn was unzufriedene Nachbarn erreichen können, hat er gerade erst in Niederschönhausen erlebt. Mitte Januar gab das Berliner Verwaltungsgericht einer Klage von Anwohnern Recht, die nicht wollten, dass die neue Sporthalle in ihrer Nachbarschaft auch nachmittags und abends von Vereinen genutzt wird. Über vier Millionen Euro hat die Halle gekostet. Nun kann sie nur noch zum Schulsport dienen.
Das vierte Grundstück zu kaufen und die Sporthalle zu bauen ist also nur eine Herausforderung für den Bezirk. Eine weitere besteht darin, sicherzustellen, dass die Halle auch wie geplant genutzt werden kann. Folglich möchte sich im Amt niemand festlegen, wann genau in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße einmal die Bagger anrücken werden.
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