Berlin wächst, Prenzlauer Berg schrumpft

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 24. Januar 2011

Knapp 3000 Einwohner weniger. Und das in einem Jahr. Der Stadtforscher Hartmut Häußermann erklärt, warum dem In-Kiez die Bürger davonlaufen.

In Prenzlauer Berg sinkt die Zahl der Einwohner. Während sich der Bezirk Pankow gerne als am schnellsten wachsender Bezirk Berlins feiert, gibt es in Prenzlauer Berg wesentlich mehr Fort- als Zuzüge. Das belegen Daten das Landes Berlin, die im Rahmen des „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“ erhoben wurden. Innerhalb eines Jahres verließen demnach 2717 Menschen Prenzlauer Berg. Ende 2009 betrug die Einwohnerzahl des Stadtteils 142.319, ein Jahr zuvor gab es noch 145.036 Berliner mit Wohnsitz Prenzlauer Berg.

Stadtsoziologe Hartmut Häußermann, Autor der Studie, führt dies unter anderem darauf zurück, dass es gerade für Familien immer schwieriger werde, erschwinglichen Wohnraum zu finden. „Wenn eine Familie mehrere Kinder hat und auf der Suche nach einer größeren Wohnung ist, dann sind diese in Prenzlauer Berg kaum bezahlbar“, sagte Häußermann den Prenzlauer Berg Nachrichten.

 

Die Nachfrage nach Altbauwohnungen steigt weiter

 

Hinzu komme, dass es in Prenzlauer Berg wegen der gründerzeitlichen Baustruktur überdurchschnittlich viele Ein- und Zweizimmerwohnungen gebe, familiengerechte Wohnungen also recht selten seien. Bei Wohnungszusammenlegungen entstünden zwar manchmal größere Wohnungen, doch oft würden diese dann nur von ein oder zwei Personen bewohnt, die sich entsprechende Wohnungsgrößen auch leisten könnten. Ein weiterer Grund für die sinkende Einwohnerzahl könnte die zunehmende Zahl von Zweitwohnungen sein. „Sie sind ein großes Problem, weil sie zu einem großen Teil der Zeit leer stehen“, sagt Häußermann. Auch auf diese Art und Weise werde Wohnraum vernichtet.

Interessant sind die Zahlen aus dem Bericht, der für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellt wurde, auch deshalb, weil in Prenzlauer Berg seit einiger Zeit verstärkt gebaut wird. „Diese Wohnungen im oberen Preissegment entlasten den Wohnungsmarkt aber so gut wie gar nicht“, sagt Häußermann dazu. Der Druck auf den Wohnungsmarkt werde hoch bleiben: „Je besser die Arbeitsmarktsituation ist, desto mehr wird die Nachfrage nach den innerstädtischen Altbaugebieten anziehen.“

 

Familien ziehen an den Rand – oder nach Wedding

 

In welche Richtung die Einwohner Prenzlauer Berg verlassen, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht klar ermitteln. Leichte Anstiege verzeichnen aber fast alle Bereiche nördlich von Prenzlauer Berg. „Die meisten Berliner ziehen nicht von einer innerstädtischen Region in eine andere, Studenten einmal ausgenommen“, sagt Häußermann. „Sie bleiben in einem Bereich, und ziehen dort vom Zentrum aus in Richtung Rand.“ Während es früher für Familien üblich war, in Regionen mit mehr Grün zu ziehen, geschehe der Wechsel in der Gegenwart oft nicht freiwillig, betont der Stadtsoziologe: „Viele würden sicher sehr gerne bleiben, aber sie können es sich nicht leisten.“

80 Prozent aller Umzüge spielen sich nach den Erfahrungen von Stadtforschern im Umkreis von fünf Kilometern ab. Häußermann hält es deshalb auch für möglich, dass Familien von Prenzlauer Berg in die angrenzenden Gebiete von Wedding ziehen, wenn auch zunächst in kleinerer Zahl. Erste Indizien dafür gebe es im Gebiet rund um die Brunnenstraße. „Von Prenzlauer Berg nach Wedding ist die Grenze nicht so stark wie umgekehrt“, sagt er.

 

Prenzlauer Berg liegt sozial im Berliner Mittelfeld

 

Insgesamt rechnet Häußermann damit, dass Prenzlauer Berg auf längere Sicht einige sozialstrukturelle Besonderheiten verlieren wird: „Die hohe Kinderzahl ist sicherlich ein temporäres Phänomen. Auch das Durchschnittsalter wird mit der Zeit steigen“, vermutet er.  Anzeichen dafür, dass die Fluktuation in Prenzlauer Berg insgesamt zurückgeht, liefert auch der von ihm erstellte Bericht: Im südlichen Teil von Prenzlauer Berg liegt das Wanderungsvolumen, also die zusammengerechnete Zahl von Zu- und Wegzügen, inzwischen unter dem Niveau anderer innerstädtischer Gebiete wie Kreuzberg und Nord-Neukölln.

Im sozialen Entwicklungsindex der Häußermann-Studie aus 447 „Planungsräumen“ bewegen sich die Prenzlauer-Berg-Kieze im städtischen Mittelfeld: Von Bötzowviertel (Platz 170) bis Conrad-Blenkle-Straße (Platz 294). Und trotzdem liegt Berlins Spitzenkiez nach diesem Ranking in Prenzlauer Berg – allerdings nicht am Kollwitzplatz, sondern im Neubaugebiet Eldenaer Straße. Unter den 600 Einwohnern dort gibt es (noch) die geringsten sozialen Probleme in der ganzen Stadt.



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