(… Fortsetzung von Teil 1: Wider die Berührungsangst)
Das war einmal anders: Angefangen haben Graber und die drei weiteren Gründungsmitglieder von Mister Spex mit 100.000 Euro in einem kleinen Büro in der Backfabrik. „Die Idee dazu ist in Prenzlauer Berg entstanden. Aber nur zufällig, weil ich zu der Zeit hier gewohnt habe“, erzählt Graber, der nach dem Studium in Leipzig einige Praktika in Berlin absolvierte. Mit den spezifischen Gegebenheiten im Kiez hatten die Pläne für das Start-Up nichts zu tun.
Bis heute hat sich daran wenig geändert. Denn in Sachen Brillenmode ist Prenzlauer Berg keineswegs so wichtig, wie es die vielen kleinen Optiker mit ausgewählten, meist teuren Modellen vermuten lassen. „Die Läden hier haben es zwar geschafft, auf die sehr spezielle Klientel einzugehen. Aber man darf Prenzlauer Berg nicht auf Gesamtdeutschland projizieren“, warnt Graber. Seinen Mitarbeitern empfiehlt er deshalb, sich in Sachen Zielgruppe nicht an den Berliner Hipstern zu orientieren. „Das sind eher Eltern, Tanten und Onkel“.
Junge Kreative leben gern hier
In einer Hinsicht aber spielt die Lage durchaus eine Rolle: „Bei uns arbeiten viele junge kreative Leute, die leben gerne in Prenzlauer Berg oder Friedrichshain/Kreuzberg.“ Das Durchschnittsalter seiner Mitarbeiter liegt bei 30 Jahren, die Atmosphäre ist locker: Zur Besprechung im Großraumbüro um 11.31 (zu ungeraden Zeiten kommt man angeblich pünktlicher) kommen die meisten in Turnschuhen, Jeans und T-Shirt oder Kapuzenpulli, Geschäftsführer Graber heißt hier schlicht Dirk, große Hierarchien scheint es nicht zu geben. In so einem Umfeld ist Prenzlauer Berg ein Standortvorteil.
Noch einen solchen bietet die Greifswalder Straße, hier, wo der nigelnagelneue Alnatura-Markt neben dem Asiamarkt auf dem Gehweg vor den Plattenbauten eröffnet: die noch niedrige Miete. Denn das Unternehmen braucht viel Platz: Alle Waren werden von hier aus verschickt – auch ins Ausland –, die gesamte Logistik wird hier abgehandelt. Dabei haben Brillen an sich eigentlich den Vorteil, dass sie klein sind, aber die Menge machts: Mister Spex hat nach eigener Aussage alle rund 7.000 verschiedenen Brillenmodelle auf Lager. Die Gestelle liegen in kleinen Plastiktütchen in kleinen Kartons in riesigen Regalwänden. Die Verpackungen für den Versand stapeln sich, überall werden gelbe Post-Behälter bestückt, nachdem Optiker vor Ort die Gläser geschliffen und eingebaut haben.
2015 ist damit Schluss – zumindest in der Greifswalder Straße. Tritt das vorhergesehene Wachstum ein, wird der Platz im jetzigen Firmensitz schlicht zu eng und das Unternehmen muss umziehen. „Wir würden gerne hier in Prenzlauer Berg bleiben, aber wir müssten natürlich etwas Geeignetes finden“, sagt Graber. Er klingt dabei nicht so, als wäre es eine Katatrophe, wenn das nicht gelingt. Für Mister Spex an sich ist das egal. Und er selbst darf ja seine Wohnung in Prenzlauer Berg behalten.
Teil 1: Wider die Berührungsangst
Teil 2: „Prenzlauer Berg nicht auf Gesamtdeutschland projizieren!“
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