„Mauer Park“ heißt das neue Buch von David Wagner, in dem er die Stadtspaziergänge von 2001 aktualisiert hat. Ein Gespräch über seine Liebe zum Park, die Veränderungen der Schönhauser und Unfertiges.
David Wagner hat in diesem Herbst seine 2001 in dem Band „In Berlin“ erschienenen Stadtspaziergänge aktualisiert und unter dem Titel „Mauer Park“ neu herausgegeben. Am heutigen Dienstag liest er daraus in der Buchhandlung „Neues Kapitel“ in der Kopenhagener Straße 7.
Der Autor hat in diesem Jahr den Preis der Leipziger Buchmesse für seinen Roman „Leben“ erhalten.
Sind Sie zu Fuß gekommen?
Ja, ich wohne hier in der Gegend und gehe eigentlich fast immer zu Fuß. Ich gehe auch gerne durch die Stadt zum Schreibtisch. Ein bisschen Bewegung während des Schreibprozesses muss sein. Fahrrad fahre ich sehr selten, aber die Straßenbahn nehme ich gerne. Allerdings hasse ich es, zu warten, dann gehe ich lieber zu Fuß. Das ist für mich der wahre Luxus: eine Monatskarte zu haben und trotzdem zu laufen (lacht).
Gibt es für Sie eigentlich noch rein private Spaziergänge oder ist Gehen immer gleichbedeutend mit der Suche nach Motiven und Szenen?
Natürlich gibt es private Spaziergänge, aber wenn etwas auffällt, da setzt dann gleich der andere Modus ein, dann weiß ich, dass ich da noch mal hinmuss. In dem Sinne gibt es kein privat. Der Schriftsteller hat natürlich kein Privatleben. Der Stadtspaziergänger auch nicht. Der ist immer im Einsatz.
In „Mauer Park“ wenden Sie sich erneut den Orten zu, die Sie 2001 für den Band „In Berlin“ beschrieben haben. Wie kam es zu dieser Art von Neuauflage?
Das Buch „In Berlin“ war schon lange vergriffen. Die Texte dafür sind zwischen 1998 und 2001 entstanden und handeln natürlich von meinen neunziger Jahren in Berlin. Es beschreibt das Leben, das ich zu der Zeit hatte und die Orte, die ich kannte: die Rostlaube an der FU, die Deutsche Oper, die Mittwochsbar, die Dienstagsbar.
Die Stadt gibt es in der Art nicht mehr. Jetzt konnte ich auf meine eigenen, mittlerweile historisch gewordenen Texte zurückblicken und es war schön, die Orte erneut aufzusuchen und zu schauen, was sich getan hat. Die Stadt steht nicht still, insofern sind die Texte in einem gewissen Sinne Fotografien. Das ist ja auch das Interessante. Vielleicht schreibe ich in zehn Jahren wieder einen Text darüber.
Das letzte Stück des Buches, „Mauerpark“, haben Sie im vergangenen Jahr eigens für die Neuauflage geschrieben. Es beginnt mit dem Stoßseufzer „Ach, Mauerpark, ick liebe Dir.“ Wann ist diese Liebe entflammt?
Ach, die gibt es schon lange, lange. Ich bin jahrelang immer durch den Mauerpark gegangen und so habe ich ihn über die Jahre immer beobachtet. Früher habe ich den Kinderwagen hindurch geschoben und mittlerweile gehen die Kinder alleine hin.
Sie beschreiben den sonntäglichen Ausnahmezustand mit Flohmarkt und Karaoke, die Menge, die sich an sich selbst berauscht. Glauben Sie, die Bebauungsplänen für das Areal nördlich des Gleimtunnels sind damit kompatibel?
Das ist eine schwierige Frage. Ich verfolge das schon und lobe mir das Engagement dagegen, zum Beispiel von Seiten der Stiftung „Welt-Bürger-Park“. Ich fände es auch schade, wenn das Gelände da oben verschwindet. Andererseits, ganz losgelöst davon, befürworte ich es, wenn Wohnungen gebaut werden in der Stadt.
Ein anderer Ort in Prenzlauer Berg, zu dem Sie eine besondere Beziehung zu haben scheinen, ist die Schönhauser Allee. Sie schreiben, dass Sie sie immer noch gerne hinauf- und hinuntergehen, fast jeden Tag. Was ist das Besondere an der Schönhauser?
In gewisser Weise ist es erst der Blick, der sie zu etwas Besonderem macht. Ich habe hier eine Zeit lang mit Blick auf die Hochbahn gewohnt, sie verleiht der Schönhauser einen besonderen Reiz. Es ist das Persönliche, ich sehe dort meine eigenen Fußspuren. Das ist schon ein sentimentales Verhältnis.
Trotzdem beschreiben Sie die Veränderungen in ihren Texten recht nüchtern.
Das Sentimentale stört mich eigentlich, das möchte ich aus meinen Texten heraushalten. Ich möchte nicht sagen, dass früher alles besser war. Die Straße war früher auch hässlicher. Sie war einfach anders.
Wir lesen, dass Sie sich heute besonders an den letzten Wettbüros, Spielotheken und Sex-Shops an der Schönhauser erfreuen.
Das ist die Erinnerung an die Reste der Straße, wie sie auch mal war. Das ist die Lust daran, dass noch nicht alles verhübscht ist. Ich finde es ganz schön, dass es noch diese rauen Reste gibt.
Sie kamen 1991 aus dem Rheinland nach Berlin. Wussten Sie gleich, dass Sie bleiben würden?
Ich habe mich gleich sehr wohlgefühlt, es war so anders hier. Auch von Westdeutschland und meiner Jugend habe ich mich mit meinem Weggang distanziert. Nicht von ungefähr war mein erster Roman dann auch ein Buch über meine Kindheit in dieser ganzen westdeutschen Saturiertheit und über die Erlösung in diesem neuen Ruinen-Berlin als Gegensatz dazu. Das hat mich fasziniert und ich hatte nie die Sehnsucht, in irgendeine Kindheitswelt zurückzuziehen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich die Verbürgerlichung dann auch irgendwann ausgeschlagen habe. Aber jetzt holt sie einen ja ein hier in Prenzlauer Berg (lacht).
Sind Sie etwa kurz vor dem Absprung?
Nein, das nicht. Ich lebe seit 1999 in Prenzlauer Berg und bin hier schon sehr zu Hause. Es ist ja auch sehr nett. Ich hätte keine Lust, weiter hinauszuziehen. Für mich ist das wichtig, dass ich zu Fuß nach Mitte gehen kann, dass ich mich bewegen kann, das ist Erholung für mich.
Ich bin aber auch gerne woanders. Während meines Studiums war ich zum Beispiel zwei Jahre lang in Paris. Diese Zeit hat auch meinen Blick auf Berlin geöffnet und verändert. Wenn man aus so einer fertigen Stadt wie Paris kommt, fällt einem das Unfertige hier viel mehr auf. Dieser andere Blick hat mir beim Schreiben der Texte sehr geholfen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Am Dienstag, den 10. Dezember liest David Wagner um 20 Uhr in der Buchhandlung „Neues Kapitel“ in der Kopenhagener Straße 7 aus „Mauer Park“.
„Mauer Park“ von David Wagner ist im September im Verbrecher-Verlag erschienen und kostet 14 Euro.
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