Wenn das der Führer wüsste: Auf dem Mauerpark-Flohmarkt verkaufen Ausländer Nazi-Klamotten. Und die Antifa klaut Front-Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg.
Schade, dass es die Modemarke „Thor Steinar“ nicht schon in den frühen 30ern gab. Thor Steinar ist beliebt bei Nazis, und es ist doch eine schöne Vorstellung, sich Adolf Hitler und sein Team in Klamotten vorzustellen, die ihnen den Anmut eines Jugendclubs in Limbach-Oberfrohna verliehen hätten. Wären sie von den Massen immer noch angebetet worden? Sicher nicht. Stattdessen verfielen die Nazis auf die nach damaligen Maßstäben in breiten Bevölkerungskreisen als schick empfundenen SS-Uniformen und ähnliches, selbst der später irre erfolgreiche Quatsch-Autor Grass konnte sich dem bekanntlich nicht entziehen. Und auch heute hat Hitler noch Anziehungskraft, zum Beispiel bei internationalen Berlin-Touristen. Der Führer und DDR-Geschirr, das wollen sie sehen. Hier, in diesem Reiseblog steht es: „It’s still one of the best spots in the city to rifle through DDR dish sets, Nazi-era postcards and vintage fashions“. Beworben wird damit der Flohmarkt im Mauerpark.
Und damit zu einer aufgeregten E-Mail von vorletzter Nacht. Die North East Antifa (Prenzlauer Berg, Weißensee) schrieb gegen vier Uhr morgens, dass an einem Mauerparkt-Flohmarkt-Stand am vergangenen Sonntag diverse Kleidungsstücke der „Nazimarke Thor Steinar“ angeboten worden seien. Die Marktleitung habe man bereits darauf angesprochen, die „blieb jedoch tatenlos und ignorierte die Beschwerden“. Und abschließend der dringende Appell: „Wir fordern von der Leitung des ‚Flohmarkt am Mauerpark‘ die Beendigung des Verkaufs der Marke ‚Thor Steinar‘ und ein umgehendes Gespräch zwischen Marktleitung und den Betreiber*innen des entsprechenden Verkaufsstandes.“
Postkarten „konfisziert“
Martin Sonnenburg, Sprecher der Antifa-Gruppe, erklärt auf Nachfrage, dass die Thor-Steinar-Klamotten von Antifa-Sympathisanten entdeckt worden seien, am Stand eines, offenbar, Menschen mit Auslandshintergrund. „Man hat mehrmals mit ihm geredet und ihm gesagt, dass er die Klamotten wegnehmen soll“, fasst Sonnenburg zusammen. Man sei nicht erhört worden. Auch die Marktleitung habe nicht reagiert. „Wir hätten natürlich auch das Bezirksamt informieren können“, meint Sonnenburg, das wurde aber unterlassen. Angeschrieben worden seien hingegen ein paar Bezirksverordnete. Die dürfen seit ein paar Monaten übrigens auch keine Thor-Steinar-Klamotten mehr tragen, ebensowenig die Besucher etwaiger Bezirksverordnetenversammlung. Eine überflüssige Restriktion übrigens, denn wie jeder weiß interessieren sich Nazis nicht für Politik. Nur für Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg und scharfe Hitler-Bilder.
Und damit zurück zur Antifa, denn die kann auch ganz andere Seiten aufziehen, wie sie in ihrer Presseerklärung deutlich machte. So hätten Händler im Sommer vergangenen Jahres auf dem Flohmarkt „über mehrere Monate ein Portrait Adolf Hitlers, sowie eine Sammlung revisionistischer und militaristischer Feldpostkarten aus dem 1. Weltkrieg feilgeboten“, wird berichtet. „Letzteres Verkaufsobjekt konnte zu mindestens von Antifaschist*innen noch vor dessen Verkauf konfisziert werden.“ Konfisziert im Sinne von klauen, wie Sonnenburg am Telefon präzisiert. Dass das Hitlerbild nicht konfisziert wurde, ist irgendwie verständlich. Da hat man dann Hitler in der Wohnung rumstehen, und die Gäste gucken unangenehm. Man kennt das ja.
Attraktiv trotz Entnazifizierung
Bei der Leitung des Mauerpark-Flohmarkts kann man sich noch nicht so recht äußeren, weder zu Naziklamotten noch zum Diebstahl der Feldpost. Oliver Lüdicke, einer von drei Chefs, sagt, dass er von den Thor-Steinar-Jacken noch nichts wisse, auch er kenne nur die Antifa-Mail. „Wir werden uns darum kümmern.“ Dass die internationale Attraktivität des Flohmarkts bei German-Trash-Touristen leidet, muss aber auch nach der anstehenden Entnazifizierung einiger Stände nicht befürchtet werden. Es gibt ja immer noch das DDR-Geschirr.
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