Die Gewobag möchte gerne einen Hinterhof in der Schieritzstraße bebauen, Anwohner fürchten um ihre grüne Oase. Jetzt deutet sich an, dass der Bauantrag abgelehnt wird.
„Shit happens“, das weiß Sandra Kaliga ganz gut. Die Prenzlauer Bergerin engagiert sich seit Jahren mit einer gleichnamigen Aktion gegen Hundekot auf den Straßen Berlins, und das stellt sich in aller Regel so dar, dass sie Hundehaufen mit Fähnchen schmückt. „Shit happens“ dachte sich Kaliga auch letztens, doch dieses Mal ging es nicht um Hundekacke. Ihre Wohnung in ihrem 30er-Jahre-Bau in der Schieritzstraße, erfuhr sie, soll einem Feuerwehrzufahrtstunnel weichen, um einen Neubau im Innenhof mit der Straße zu verbinden. Der Neubau ist ein Plan der städtischen Gewobag und wird von den meisten Anwohnern abgelehnt, und Sandra Kaliga ist als eine der Hauptleidtragenden sowieso dagegen. Jetzt zeichnet sich ab, dass man in der Schieritzstraße 4 bis 22 bald aufatmen kann. Eine Ablehnung des Bauantrags nämlich ist wahrscheinlich.
Die Häuserreihe in der Schieritzstraße steht seit 90 Jahren, vor ein paar Jahren wurde sie teilsaniert. 82 Mietparteien gibt es, sie alle wohnen in identisch geschnitten Zweieinhalb-Raum-Wohnungen. Der Wohnanlage eigen ist der riesige Innenhof, der sich über die gesamte Häuserreihe erstreckt und rund 4.000 Quadratmeter umfasst; er ist von außen nicht zugängig. „Eine grüne Oase“, sagt Sandra Kaliga, und die Formulierung drängt sich auf, denn tatsächlich haben die Gewobag, Besitzerin des Wohnkomplexes, und Anwohner die Fläche zu einem ansehnlichen Park gestaltet. Und diesen Park will die Gewobag jetzt gerne opfern.
„Guter Standard, aber nicht hochpreisig“
Die Anwohner selbst wurden bisher noch nicht von der Gewobag über die Pläne informiert. Detaillierte Angaben finden sich aber in der Ausschreibung und in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Bezirksverordneten Wolfram Kempe durch Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). So sind laut Kirchner im Innenhof 42 Wohneinheiten geplant, mit drei Geschossen und einem sogenannten Staffelgeschoss, das Platz für Dachterassen lässt. In der Anfrage wird auch über den Plan informiert, die nötige Feuerwehrfahrt auf Höhe der Hausnummer 12 einzurichten, wofür eine Wohnung aufgegeben werden müsste. Es wäre vermutlich die Wohnung, in der Sandra Kaliga wohnt.
In der öffentlichen Ausschreibung der Gewobag für die Objektplanung wird von Zwei- und Drei-Raum-Wohnungen geschrieben. „Die Wohnungen müssen differenzierte Ausstattungsqualitäten besitzen, guter Standard, aber nicht hochpreisig.“ Sandra Kaliga geht davon aus, dass zumindest die Staffeletagen eher überdurchschnittliche Quadratmeterpreise hätte. Das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu bauen, würde in der Schieritzstraße durch Quersubventionierung realisiert, so Kaligas Vermutung. Teure Dachgeschosswohnungen neben ein paar bezahlbaren Wohnungen darunter wäre die Folge, meint sie.
Parallelen zu Kollwitzstraße 42
Bei der Gewobag gibt es bisher kaum Auskünfte zum Projekt. „Es ist noch niemand beauftragt worden zu bauen“, so Sprecherin Gabriele Mittag. Und auch eine Baugenehmigung liege noch nicht vor. Und ob sich dies bald ändern kann, ist durchaus fraglich, wie sich bei einer Nachfrage im dafür zuständigen Bezirksamt abzeichnet. Stadtrat Kirchner jedenfalls erklärte, dass der Antrag auf einen Bauvorbescheid derzeit geprüft werde und bald mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Wie sie aussehen könnte, wollte er noch nicht offiziell sagen. Nur soviel: „Baurecht ist Baurecht“. Zudem erwähnte Kirchner die Kollwitzstraße 42.
Dort war einst geplant, ganz ähnlich wie in der Schieritzstraße im Hinterhof eines mehrgeschossigen Wohnbaus einen Neubau zu errichten, die Bauarbeiten wurden sogar schon begonnen. Im März dieses Jahres hatte das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz der Klage eines Anwohners gegen die Innenhofbebauung stattgegeben. Mit der Begründung, dass solch eine Bebauung nur zulässig sei, wenn sie zur Struktur der Umgebung passe. Dem widerspreche, dass die Freifläche auf dem Hof planvoll entstanden und damit erhaltenswert sei, wurde ergänzt. Das Urteil war eine derbe Niederlage für Kirchners Vorgänger im Stadtentwicklungsamt, der zuvor die Baugenehmigung erteilt hatte. Kirchner, der es nun mit einem ganz ähnlich gestricktem Fall in einem Milieuschutzgebiet zu tun hat, wird diesen Fehler nicht wiederholen wollen.
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