Die Berliner Wasserbetriebe haben unter der Storkower Straße ein Bauwerk errichtet, das so groß ist wie ein Einfamilienhaus. Es soll dafür sorgen, dass weniger Abwasser in die Spree fließt.
Es klingt erstmal ziemlich abenteuerlich, was die Berliner Wasserbetriebe da unlängst mitteilten: Ein fast Einfamilienhaus-großes Bauwerk habe man an der Storkower Straße errichtet. Unterirdisch. Als Stauraum für 1850 Kubikmeter Wasser. 2,3 Millionen Euro koste das und solle helfen, weniger Abwasser in die Spree zu leiten.
Erste Frage: Die haben unter der Storkower ein Haus gebaut, nur, um es zu fluten?
Zweite Frage: Woher kommt der plötzliche Bedarf, 1850 Kubikmeter Wasser zu stauen?
Dritte Frage: Da fließt Abwasser in die Spree?!
Trend Mischwasserkanalisation
Stephan Natz ist Pressesprecher bei den Berliner Wasserbetrieben und geduldig genug, das alles noch mal genau zu erklären. Die Geschichte beginnt nämlich nicht etwa mit dem Einbau des besagten Bauwerks, einem Wehr, Ende August 2013, sondern um 1870 mit James Hobrecht. Dieser war damals nicht nur für die Pläne zur Erweiterung des industrialisierten Berlins zuständig, sondern auch für die Einrichtung einer Kanalisation. Im Trend damals: Eine Mischwasser-Variante, in der Ab- und Regenwasser gemeinsam gesammelt werden. Heutzutage macht man das anders und trennt beides. Aber in den Altbauquartieren Berlins – und damit auch in Prenzlauer Berg – wird weiterhin munter gemischt.
So weit, so gut. Doch wie kommt das Wasser aus den Kanälen zur Kläranlage bzw. ihren Vorläufern, den Rieselfeldern? Auch da hatte Hobrecht eine schöne Idee und unterteilte die Stadt in zwölf Abwasser-Einzugsbereiche, die sogenannten Radialsysteme. Für die Entwässerung jedes einzelnen Radialsystems wurde ein Pumpwerk gebaut – für das Radialsystem Berlin XI, dessen Einzugsgebiet zwischen Prenzlauer und Landsberger Allee liegt, ist bis heute das Pumpwerk in der Erich-Weinert-Straße zuständig.
Die Bakterien können nicht mehr
Das macht seinen Job eigentlich ganz ordentlich, hat aber ein Problem, wenn es allzu stark regnet. Zum einen kommt es dann mit dem Pumpen nicht mehr hinterher. Zum anderen darf es das auch gar nicht, weil die Kläranlagen immer nur eine bestimmte Menge Wasser aufnehmen und reinigen können. Werden sie überschwemmt, bringt das die fleißigen Bakterien dort völlig aus dem Gleichgewicht, und das für Wochen.
In Folge dessen darf das zusätzliche Wasser bei Starkregen also nicht Richtung Klärwerk gepumpt werden, sondern muss anderweitig entsorgt werden. Bislang floss es im Radialystem XI über einen sogenannten Überlaufkanal quer unter Prenzlauer Berg hindurch und an der Museumsinsel in die Spree. Einziges Problem, wir erinnern uns: Das ist Mischwasser, also Regen- und Abwasser, wenn auch Letzteres in stark verdünnter Form. Das ist nicht nur ziemlich eklig, sondern auch ökologisch bedenklich. Denn Abwasser ist erstaunlich nährstoffreich und sorgt in der Spree für Algenwachstum und bei den Fischen für Atemnot. Beides soll nicht sein.
Ausbau des Speicherplatzes
Aus diesem Grund bauen die Wasserbetriebe nun schon seit Jahren an unterirdischen Speichern, die das zusätzliche Wasser bei starkem Regen aufnehmen können. Sobald die Sonne wieder scheint, kann es von dort Richtung Klärwerk gepumpt werden. An der Storkower Straße wurde nun mit Hilfe des eingebauten Wehrs ein vorhandener Kanal zu einem solchen Speicher aufgerüstet. Regnet es stark, werden die Schotten dicht gemacht, und zwar per Knopfdruck in der Abwasserzentrale der Wasserbetriebe an der Holzmarkstraße.
Mit ähnlichen Bauten an anderen Stellen soll bis 2016 im Radialsystem XI Stauraum für insgesamt 8050 Kubikmeter Wasser geschaffen werden. Das neue Wehr an der Storkower Straße übernimmt davon die oben angesprochenen 1850 Kubikmeter. Pro Jahr sollen der Spree damit durchschnittlich 106.000 Kubikmeter Abwasser erspart bleiben.
Tunnel unter dem Mauerpark
Auch außerhalb des Radialsystems XI wird der Stauraum ausgebaut. Zielvorgabe sind 307.000 zusätzliche Kubikmeter bis 2020; 225.000 sind davon schon in Betrieb. In Prenzlauer Berg soll etwa unterhalb des Mauerparks in zehn Metern Tiefe noch ein weiterer Kanal zu diesem Zweck entstehen. Derzeit laufen dazu die Planungen bei den Wasserbetrieben. Voraussichtlich werden die Arbeiten daran gänzlich unterirdisch laufen, mit zwei Baugruben am Gleimtunnel und an der Eberswalder Straße. Vor 2016 würden die Arbeiten aber wohl nicht beginnen, meint Stephan Natz.
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