Nichts für Vegetarier

von Juliane Schader 13. September 2013

Wo heute Townhäuser stehen und Räder verkauft werden, war einst der zentrale Schlachthof Berlins. Nun steht seine Geschichte samt Darmschleimerei und Pergamonaltar im Internet. 

Wer an die Geschichte des Prenzlauer Bergs denkt, dem kommt wohl zunächst die Opposition der DDR und die friedliche Revolution 1989 in den Sinn. Auch das harte Leben in den Mietskasernen vor dem zweiten Weltkrieg fällt einem ein, und vielleicht auch noch was mit Windmühlen und Brauereien als Vorhut der großen Besiedlung. Nur an Schweine und Rinder, an die denkt man normaler Weise nicht. Völlig zu unrecht, wie das aktuelle Projekt des Museums Pankow zeigt.

 

Schlachthof-Geschichte in zwölf Lektionen

 

„Schlachthof Berlin“ heißt es und findet sich diesmal nicht als Ausstellung in den schönen Gebäuden an der Prenzlauer Allee, sondern im Internet. Anhand eines Lehrpfads mit zwölf Stationen wird einem dort die Geschichte des Zentralvieh- und Schlachthofs Berlin nahegebracht, der einst den äußersten Südosten des Prenzlauer Bergs prägte. Wer es gerne warm und trocken mag, kann sich das Ganze von Zuhause aus vor dem Rechner anschauen. Allen anderen empfiehlt sich, das Smartphone oder Tablet einzupacken und sich auch vor Ort umzusehen.

1881 wurde der damals noch am Stadtrand gelegene Schlachthof eröffnet. Vorher war aus hygienischen Gründen das Schlachten in den privaten „Wursthöfen“ verboten und eine zentrale Organisation gefordert worden. Für die Wahl des Ortes war die Lage an der Ringbahn entscheidend. Mit der Bahn wurden die Tiere angeliefert, dann vor Ort getötet und danach an den Fleischmarkt am Alex geliefert. Aufgrund der großen Nachfrage musste das Areal zweimal erweitert werden; „Bauch von Berlin“ wurde es bald genannt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb zurückgefahren, nach der Wende war dann komplett Schluss. Mittlerweile etabliert sich eine Nachnutzung mit Wohnungen und Gewerbe.

 

Pergamonaltar im Rinderstall

 

Die Online-Ausstellung erzählt diese Geschichte am Beispiel von zwölf Orten nach, die man auf einer Karte durchklicken kann. Man lernt, dass der S-Bahnhof Storkower Straße, der bis in die 70er Jahren noch Zentralviehhof hieß, mal groß genug war, um Vieh aus vier Zügen gleichzeitig zu entladen. Dass man einst über die „Langer Jammer“ genannte Fußgängerbrücke von der Eldenaer Straße in Friedrichshain bis nach Lichtenberg laufen konnte. Und dass die Sowjets nach dem Krieg in einem alten Rinderstall den Pergamonaltar versteckten.  

Es wird erklärt, wie das Hammelfleisch während der Industrialisierung die Gunst der Deutschen verlor, und warum zu dem großen Komplex auch eine Lederfabrik, eine Darmschleimerei und eine Talkschmelze gehörten, und was so eine Darmschleimerei überhaupt ist. Auch auf die Geschichte, wie der alte Schlachthof einmal fast Olympiastandort wurde, wird eingegangen, und auf die aktuelle Umwandlung des heruntergekommenen Industriegebiets in ein Viertel voller Reihenhäuser ebenfalls.

 

Nur Lebendiges auf dem Schlachthof

 

Ergänzend zu den kurzen Texten kann man sich durch zahlreiche historische Fotos klicken, wobei historisch in manchen Fällen auch 2002 bedeuten kann – damals standen noch die alten Rinderställe, die heute den gängigen Schmuckbauten von Penny, Skonto und Co gewichen sind. Trotz des Namens „Schlachthof“ sind übrigens ausschließlich vergnügte, lebendige Tiere zu sehen, was manchmal den Eindruck hinterlässt, man betrachte da Bilder eines Bauernhofs um die Jahrhundertwende und nicht die einer industriellen Schlachtanlage.

Manchem Vegetarier mag dem Projekt da der kritische Ansatz fehlen. Auch an den Texten ließe sich hier und da mäkeln, dass ihnen eine etwas kritischere Redigatur gut getan hätte. Doch ganz abgeschlossen scheint die Arbeit eh noch nicht zu sein, mancher Inhalt wird noch als „in Kürze“ nachzuliefern angekündigt. Aber das sind Kleinigkeiten. Wirklich schade ist nur, dass das an sich so spannende Projekt darauf verzichtet hat, seine Internetseite Smartphone-gerechter aufzubauen oder vielleicht sogar eine App zu programmieren. So ließen sich auch beim Spaziergang vor Ort die vielen Infos leichter abrufen. Derzeit muss man noch recht viel auf dem Bildschirm herumwischen, will man die Texte komplett lesen.

Die Tour über das Gelände des alten Schlachthofs findet sich im Internet unter www.schlachthof-berlin.de.

Für alle, die analoge Ausflüge bevorzugen, bietet das Museum Pankow auf Anfrage Fahrradführungen und Stadtspaziergänge an, die 1,5 Stunden dauern und pro Gruppe 90 Euro kosten. Fahrräder sind selbst mitzubringen; Führungen auch auf Englisch, Spanisch und Italienisch möglich. Informationen und Buchung unter 0178.8384038 oder zentralviehhof(at)gmail(dot)com.

 

 

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