Rechtsextreme Frauen rekrutieren Nachwuchs zunehmend in Kitas und Schulen, unauffällig im Ehrenamt. Auch in Pankow greift diese „Graswurzeltaktik“ um sich, sagen Beobachter. Ämter und Kitas sollen sensibilisiert werden.
Neonazis können nette Menschen sein. Besonders, wenn es um die Kleinsten geht, ist ihre Fürsorge oft grenzenlos, denn in den Kleinsten, da liegt bekanntlich die nationale Zukunft. Kinder, die interessieren sich nicht für Politik. Und was nicht ist, das kann noch werden. Es gibt viele Gründe für Neonazis, sich für die Jugend zu engagieren. Und sie tun es. Nicht nur in obskuren Sonnenwend-Vereinen im fernen Vorpommern, sondern inzwischen auch im Bezirk Pankow – in ganz gewöhnlichen Kindertages- und Schuleinrichtungen. Ohne Springerstiefel, dafür mit viel Verständnis.
Graswurzeltaktik nennt man das in der NPD, eine Strategie, die schon seit Längerem vor allem in Sachsen umgesetzt wird. Man könnte auch von Undercover-Einsatz sprechen: Rechtsextreme Frauen engagieren sich sozial, ohne ihre politische Gesinnung auch nur anzudeuten. Ist ein Vertrauensverhältnis hergestellt, folgt die sukzessive Heranführung an rechtsextremes Gedankengut und eventuell auch an Parteistrukturen. Jugendclubs, Elternvertretungen, Kitas, Kirchenchöre, Sportvereine sowieso – kaum ein Bereich, der von weiblichen Neonazis nicht als potenzieller Rekrutierungsbereich verstanden wird. Jetzt will der Frauenbeirat des Bezirks Pankow auf die Problematik aufmerksam machen. „Das Problem besteht auch bei uns im Bezirk zunehmend“, sagt Sabine Preuß, die für die Grünen im Beirat sitzt. „Nur ist es kaum bekannt, welche Rolle dabei Frauen spielen.“
Äußerlich nicht erkennbar
Um das zu ändern, hat die Grünen-Fraktion einen entsprechender Antrag formuliert, der nun in den Ausschüssen diskutiert wird. Titel: „Rechtsextreme Einflüsse auf Familien“. Darin wird das Bezirksamt aufgefordert, in der amtlichen „Familienhilfe, in Kindertagesstätten und Schulen aufzuklären und die beteiligten Akteure zu sensibilisieren“, zum Beispiel durch Schulungen und Weiterbildungen. Schon jetzt gibt es innerhalb des Frauenbeirats eine Arbeitsgruppe „Rechtsextreme Frauen in Pankow“; diese könnte die Aufklärungsarbeit unterstützen, heißt es in dem Antrag. Antragsautorin Preuß schreibt in der Begründung: „Es gibt wenige Informationen über die Aktivitäten rechtsextremer Frauen in Pankow. Einzelne Aktivistinnen sind bekannt. Nahezu unbekannt dagegen sind die Aktivitäten von rechten Frauen (und Männern), die den Alltag unterwandern, sich also beispielsweise als Mutter oder Vater ehrenamtlich sozial engagieren oder in Kitas ‚engagiert‘ auftreten.“
Frauen, oft Partnerinnen von NPDlern, sind häufig in Organisationen wie dem Ring Nationaler Frauen oder der Gemeinschaft Deutscher Frauen aktiv und koordinieren so ihre Basis-Arbeit – was nur selten direkte politische Agitation bedeutet. Äußerlich als Neonazi erkennbar sind die Frauen selten bis nie. Im Gegenteil, nicht wenige der Aktivistinnen fühlen sich der (rechts-)ökologischen Bewegung verbunden – und fallen daher kaum durch Äußerlichkeiten auf, jedenfalls nicht unangenehm.
„Noch ganz am Anfang“
„Es gibt ein Wahrnehmungsdefizit im Bezirk“, ist auch Berit Schröder vom Pankower Register überzeugt. Dieses registriert rechtsextreme Übergriffe und Straftaten im Bezirk, „und Prenzlauer Berg ist hier immer an erster Stelle“. Auch im Register selbst habe man lange ein Wahrnehmungsdefizit gehabt, räumt Schröder ein. „Wir haben Vorfälle bis vor Kurzem nie geschlechtsspezifisch registriert. Inzwischen machen wir das aber.“ Jeder fünfte Neonazi in Pankow ist nach Schröders Schätzung weiblich. Aber auch im Register werden nur offenkundig rechtsextreme Vorfälle erfasst. Geht es um verdeckte Strukturen, „zum Beispiel in Kitas“, so Schröder, „stehen wir noch ganz am Anfang“. Der Antrag der Grünen sei eine gute Chance, die Aufklärungsarbeit voranzubringen.