Mehrere Jahre Wartezeit

von Thomas Trappe 13. Februar 2013

Im Jobcenter Pankow stapeln sich die Widersprüche gegen Hartz-IV-Bescheide, mehr als 2.000 Klagen müssen noch verhandelt werden. Betroffen sind viele Prenzlauer Berger Selbständige.

Stand September 2012: 444 Widersprüche gegen Hartz-IV-Bescheide gab es in jenem Monat im Bezirk Pankow. 617 Widersprüche wurden bearbeitet, es blieb ein Rückstau von 1.535. Das geht aus der „Berichterstattung der gemeinsamen Einrichtungen“ hervor, den das Bezirksamt kürzlich herausgab – die Zahlen lassen den Schluss zu, dass das Amt zumindest den Eingang an Widersprüchen einigermaßen bewältigen kann. Das gilt allerdings nicht für die Klagen, die vielen Widersprüchen folgen: Hier ist der Rückstand nach Bezirksangaben eklatant. So seien im September 65 Klagen erledigt, allerdings 96 neue erhoben wurden. Beim Sozialgericht Berlin warteten damit derzeit rund 2.300 Pankower Hartz-IV-Bezieher auf Bearbeitung ihrer Klagen.

Stefan Senkel kennt einige dieser Kläger gut. Senkel, Bezirksverordneter für die Grünen, ist Rechtsanwalt in Prenzlauer Berg und spezialisiert auf Arbeits- und Sozialrecht – und hat damit viele Klienten, die als Hartz-IV-Empfänger gegen den Bescheid des Jobcenters klagen. Ein großer Teil seiner Mandanten kommt aus Prenzlauer Berg, sagt er. „Viele Selbständige, die ihr Einkommen vom Amt aufstocken lassen müssen.“ Sie klagten wegen fehlerhaften Bescheiden oder aus ihrer Sicht unangemessenen Rückforderungen – und müssten teilweise Jahre auf eine Verhandlung warten. 

 

Gesetzeslage vor allem bei Selbständigen kompliziert

 

Eine Stellungnahme des Jobcenters war bisher nicht zu bekommen. Die für Soziales zuständige Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) ist zwar nicht verantwortlich für das Pankower Jobcenter, hat aber einen guten Eindruck von dessen Arbeit. In den „schwierigen Anfangsjahren zwischen 2005 und 2007″, damals trat Hartz IV in Kraft, habe sich das hiesige Jobcenter im Vergleich zu anderen in Berlin „sehr positiv entwickelt“ und sei „phasenweise sogar ein Vorzeige-Jobcenter“, so Zürn-Kasztantowicz. Allerdings seien „Schwankungen, die durch Fluktuation, Zeitverträge und andere Ausfälle bedingt sind“, nicht zu vermeiden. Auch Axel Bielefeldt (Linke), Vorsitzender des Bezirksverordneten-Ausschusses für Soziales, erklärte auf Anfrage, dass er in den vergangenen vier Jahren eine Qualitätssteigerung festgestellt habe. „Es wird sich bemüht, qualifizierte Bescheide zu verschicken.“ 

Denn das ist der Schlüssel für einen Rückgang der Klagen. Diese wären oft erst nötig, sagt Anwalt Stefan Senkel, „weil es eine frappierend schlechte Qualität bei den ausgegebenen Bescheiden gibt“. Besonders bei Selbständigen, also jene Hartz-IV-Bezieher, die wohl großteils in Prenzlauer Berg leben, sei die Gesetzeslage oft zu kompliziert für Sachbearbeiter. Bereits 2009 gab es in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag von SPD, Linken und Grünen, in dem ein vereinfachtes Verfahren gefordert wurde, welches selbständigen Künstlern und Journalisten die Gewährung des sogenannten Einstiegsgeldes ermöglichen sollte. Das Jobcenter lehnte damals ab.

Nicht alle Kläger ärgern sich übrigens über den Bearbeitungsrückstand bei den Hartz-IV-Klagen, sagt Stefan Senkel. Schließlich klagen auch viele dagegen, Geld an das Jobcenter zurückzuzahlen. So lange das Verfahren läuft, müssen diese Forderungen warten. Die Regel sei diese Freude aber nicht. „Schließlich will man ja Rechtssicherheit.“

 

 

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