Helmholtzkiez: Zu erfolgreich saniert

von Juliane Schader 29. August 2012

Sie wollen wissen, wie Gentrifizierung funktioniert? Der Kiez um den Helmholtzplatz hat in den vergangenen 20 Jahren vorgemacht, wie es geht. Doch was nun?

Bei der Sanierung des Helmholtzkiezes ist etwas schief gegangen. Zwar verschwanden in den letzten zwanzig Jahre, in denen im Gebiet über 230 Millionen Euro investiert wurden, die Kohleöfen, die Außenklos und auch die heruntergekommenen Fassaden. Aber mit ihnen wurden auch die alten Bewohner vertrieben, die Einkommensschwächeren und die mit einem geringeren Bildungsstand. Was bisher nur ein diffuses Gefühl war, belegt nun Schwarz auf Weiß eine Sozialstudie, die die Asum GmbH im Auftrag der Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung (Stern) zum Abschluss der Sanierungs-Förderung erstellt hat.

 

Ein Lehrstück in Gentrifizierung

 

Die zusammengetragenen Zahlen lesen sich wie ein Lehrstück in Gentrifizierung: Nur 13 Prozent der Haushalte haben schon von der Sanierung im Helmholtzkiez gewohnt; die Stammbewohner verdienen weniger und sind öfter auf staatliche Hilfen angewiesen als die Zugezogenen. Diese wiederum sind besser qualifiziert und ihr Einkommen ist so hoch, dass sie sich zunehmend Eigentumswohnungen leisten können. Viele ihrer Wohnungen sind so gut ausgestattet, dass sie als luxussaniert durchgehen. Ältere und ärmere Bewohner können nur im Kiez bleiben, wenn sie in einer der 2800 öffentlich geförderten Wohnungen unterkommen. Doch deren Anzahl sinkt. Das ursprüngliche Ziel der Sanierung, die Sozialstruktur zu erhalten, wurde damit eindeutig verfehlt.

Doch woran liegt das? „Lage, städtebauliche Qualiäten und Vermarktungspotenziale der Wohnquartiere in diesem Ortsteil wurden Anfang der neunziger Jahre in ihren Wirkungen auf Investoren offenbar unterschätzt“, urteilen die Autoren der Studie. Angesichts der desaströsen Bausubstanz rechnete Anfang der 1990er Jahre niemand damit, dass es bald so populär sein könnte, in Prenzlauer Berg zu leben. Als sich dann im Laufe der Sanierung der Trend der massiven Aufwertung bereits abzeichnete, wusste die Politik dieser Eigendynamik wenig entgegenzusetzen. So lief die Aufwertung viel schneller und heftiger ab als ursprünglich beabsichtig. Mit dem Ergebnis, dass heute sogar die Besserverdienenden über die steigenden Mieten klagen.

 

Aufgaben für die Politik

 

Der Kiez um den Helmholtzplatz wurde in den vergangenen 20 Jahren also vom Kopf auf die Füße gestellt – manche würden auch sagen, es war genau umgekehrt. Das größte und teuerste der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Bergs bestätigt damit den Trend, der auch in anderen ehemaligen Fördergebieten wie dem Kollwitzplatz oder dem Bötzowviertel beobachtet wurde. Wirkliche Überraschungen bietet die aktuelle Studie damit zwar nicht, dafür aber einige Handlungsempfehlungen.

Auf bezirklicher Ebene raten die Autoren, weiterhin auf sogenannte Erhaltungsverordnungen zu setzen. Dazu gehört etwa, ganze Viertel zu Milieuschutzgebieten zu erklären, in denen wertsteigernde Baumaßnamen wie etwa der Anbau eines Fahrstuhls oder die Einrichtung eines modernen Bades mit Handtuchhalterheizungen verboten sind. In Pankow hat sich dieses Instrument, mit dem die Mieten unten gehalten werden sollen, jedoch in der Vergangenheit nicht bewährt. Mitte September soll eine Fachtagung im Bezirksamt alternative Möglichkeiten der politischen Einflussnahme aufdecken helfen.

 

Der Senat soll in günstigen Wohnraum investieren

 

Das Land soll sich derweil bemühen, auf die Umwandlung in Eigentum und die Zweckentfremdungen von Wohnraum Einfluss zu nehmen und spezielle Förderprogramme mit Mietbindungen auflegen. Nachdem die Schaffung und der Erhalt bezahlbaren Wohnraums auch in der Innenstadt im Wahlkampf noch ein großes Thema war, ist es darum in den letzten Wochen jedoch wieder still geworden – nicht zuletzt, weil das Land dafür Geld in die Hand nehmen müsste. Für die Begrenzung von Miethöhen ist derweil der Bund zuständig. Von der schwarz-gelben Regierung sind jedoch keine derartigen Vorstöße zu erwarten.

Für den Helmholtzkiez bedeutet das im Umkehrschluss: Bei dem Versuch, das Altbauquartier behutsam zu sanieren, ist man leider über das Ziel hinausgeschossen. Rückgängig machen lässt sich die Entwicklung nicht. Da die Anzahl der im Rahmen der Sanierung öffentlich geförderten Wohnungen noch abnehmen wird und kein alternatives Förderprogramm bereit steht, diese Lücke zu füllen, werden statt dessen Verdrängung und Mietanstieg wohl noch weiter fortschreiten. Wo die Politik sich aus der Gestaltung zurückzieht, übernehmen die Gesetze des Marktes; die Veränderung des Kiezes ist noch nicht abgeschlossen.

 

SERVICE: Wir haben die Ergebnisse der o.g. Sozialstudie hier für Sie zusammengefasst. 

 

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