Anna

Nur einen Katzenwurf entfernt

von Julia Schmitz 1. Dezember 2023

Die Künstlerin und Illustratorin Anna Gusella hat eine Vorliebe für Sprachspiele und Abstraktes. In ihrem Atelier an der Schönhauser Allee setzt sie diese in Bilder um.


Das Atelier von Anna Gusella wirkt selbst an einem grauen, nebelverhangenen Herbsttag hell und freundlich. Rund um die Schreibtische stehen Pflanzen, an den Wänden hängen Siebdrucke und Litografien von befreundeten Künstler*innen, in der Ecke steht ein großes, weiches Sofa. Die Künstlerin teilt sich die Räume in der ehemaligen Fabriketage in einem Hinterhof der Schönhauser Allee mit anderen Kreativen.

Wir setzen uns mit einer Tasse Tee an den Tisch. Dass wir uns kennenlernten, verdanken wir einem Zufall: Die Deutsche Bahn hatte uns beiden aus Versehen den gleichen Sitzplatz auf dem Weg zur Frankfurter Buchmesse reserviert. Anna suchte sich einen anderen Platz am Fenster, ich vergaß den Vorfall. Bis wir auf der Messe plötzlich wieder voreinander standen – und feststellten, dass wir uns ein paar Wochen vorher tatsächlich schon einmal begegnet waren.

Bei einer Abendveranstaltung mit mehreren Autor*innen in Mitte hatte Anna ihr neues Buch „Wolkentiere und Quadrat“ vorgestellt. Darin erzählt sie die Geschichte einer kleinen Wolke, die diebischen Spaß daran hat, mit ihrer fluiden Form zu spielen: Mal ist sie ein Tannenbaum, mal ein Gugelhupf, mal sogar ein Quadrat. Doch die Sehnsucht nach einer noch größeren Veränderung bleibt. Sowohl der Text als auch die Bilder stammen von Anna.

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Drehscheibe und Zeichenstift

Gezeichnet habe sie schon immer gerne, erzählt sie mir an diesem Morgen im Atelier. Als Kind sei sie, die in Friedrichshain aufwuchs, regelmäßig ins FEZ in der Wuhlheide gefahren. Dort gab es damals zahlreiche Kreativangebote für Kinder, unter anderem die Möglichkeit, mit Ton zu arbeiten.

Beides hat Anna später zu ihrem Beruf gemacht. Sie begann ein Studium der Visuellen Kommunikation in Potsdam und beendete es an der Kunsthochschule Weißensee. Als Abschlussarbeit gestaltete sie ein kleines Buch, in dem sie „essenzielle Fragen“ sammelte und illustrierte: „Haben ‚nützliche’ Dinge mehr Wert? Sind wir die Summe unserer Erfahrungen? Sollte ich mehr Geheimnisse haben?“

Anna

„Illustration ist mehr als nur ein Bild“, sagt Anna Gusella / Foto: Julia Schmitz

 

„Dein Ohr in Gottes Hand“

Seitdem illustriert sie Texte für Magazine wie die FAZ oder die New York Times, gestaltet Kartenspiele und Buchcover. 2022 entwickelte sie zum ersten Mal einen Wandkalender mit Redewendungen, die leicht daneben liegen: „Keine schlafenden Hühner wecken“, steht dort und: „Das ist nur einen Katzenwurf entfernt“. Die limitierte Auflage war schnell vergriffen; für das kommende Jahr hat sie eine neue Ausgabe entworfen.

Sie zeichne genau so gerne mit Bleistift wie mit digitalen Zeichengeräten, erzählt sie mir. „Manche sagen, das digitale Zeichnen sei kein richtiges Zeichnen – aber ich muss es ja trotzdem können, oder?“ Auf ihren Reisen hat sie dennoch stets Zeichenblöcke und Buntstifte dabei. Ein Jahr lang war sie mit ihrem Partner im Bulli unterwegs, mit ihrem kleinen Hund fuhren sie unter anderem durch Georgien, Türkei, Griechenland, Spanien und Marokko. Ihre Skizzen sind weniger gegenständlich denn abstrakt, oft reduziert auf die Primärfarben. Auch ihre Siebdrucke und Linolschnitte kommen meistens mit zwei oder drei Farben aus.

 

Meditation an der Drehscheibe

Neben ihrer Tätigkeit als Illustratorin betreibt Anna ein kleines Keramikstudio in der Hufelandstraße, in dem sie mit einer Freundin Kurse in Aufbaukeramik und an der Drehscheibe gibt. Ihre Woche teilt sie daher zwischen Atelier und Studio auf, an beiden Orten arbeitet sie viel mit den Händen. „An der Drehscheibe zu sitzen ist für mich wie Meditation“, sagt sie.

Manchmal denkt sie dabei über neue Buchprojekte nach. Gerne würde sie als Nächstes ein Kinderbuch entwerfen, in dem sie Gerüche zeichnet. „Ich habe gelesen, dass Hunde mehrdimensional riechen können und die Welt hauptsächlich über ihre Nase wahrnehmen. Das fand ich spannend. Wie sehen Gerüche wohl aus?“ Auf das Ergebnis dürfen wir gespannt sein.

Titelbild: Anna Gusella in ihrem Studio. Aktuelle und vergangene Projekte der Illustratorin könnt ihr auf ihrer Webseite sehen / Foto: Julia Schmitz

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