Museum

Zwischen Stasi und Jugendweihe

von Manuela Stark 27. November 2023

Das Museum in der Kulturbrauerei vermittelt ein Bild vom Alltag in der DDR-Diktatur – mit all seinen Facetten. Ein Besuch zum 10-jährigen Jubiläum.


Gleich hinter einer Glastür werden die Besucher*innen von einer Ausstellungsaufsicht begrüßt: „Herzlich willkommen im Museum in der Kulturbrauerei. Wo wollen Sie hin? … “ Besucher*innen der Sonderausstellung werden direkt in das ehemalige Schultheissgebäude um die Ecke geschickt. Wer tatsächlich in die Dauerausstellung möchte, beginnt den Rundgang im ersten Stock.

Im Obergeschoss der Ausstellungsfläche herrscht reges Treiben. Überwiegend englisch sprechende Jugendliche amüsieren sich über die Ausstellungsstücke. Besonders beliebt ist es, ein Instagram-taugliches Selfie in der Amtsstube zu machen. Der Reihe nach setzen sie sich an den Schreibtisch aus den 70er-Jahren und nehmen den historischen Telefonhörer ans Ohr. Es ist das Büro eines Betriebs- und Kombinatsleiters, der für die Umsetzung der staatlichen Planung zuständig war. Auch der Rasierapparat „bebo sher“ trifft auf Interesse. Der Rasierapparat wurde von dem Maschinenbauer Bergmann-Borsig hergestellt. Nach anfänglichen Qualitätsmängeln entwickelte er sich zum Verkaufsschlager in der DDR.

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Erinnerung an DDR verblasst

„35 Jahre nach dem Mauerfall ist die Erinnerung an die DDR sehr blass“, sagt der Museumsdirektor Mike Lukasch im Interview. Die Ausstellung will nicht die alten Gräben tiefer machen, sondern zeigen, dass viele Menschen von diesem System desillusioniert waren. Am 15. November jährt sich die Ausstellung zum zehnten Mal. Gefeiert wurde bereits im September im Rahmen des jährlichen Kinderfestes in der Kulturbrauerei.

Museum

Im Museum in der Kulturbrauerei ist das Büro eines LPG-Leiters zu sehen / Foto: Julia Schmitz

Eigentlich wollte die Stiftung die Ausstellung modernisieren. „Wir hatten den Plan, im nächsten Jahr die Dauerausstellung zu erneuern. Tatsächlich ist dies Mittelkürzungen zum Opfer gefallen. Die aktuelle Diskussion um den Bundeshaushalt ist auch für uns ein Problem. Haushaltssperre heißt auch für uns Haushaltssperre. Wir müssen abwarten, was die nächsten Tage und Wochen bringen. Dann gucken wir, welche Projekte noch zu realisieren sind und welche nicht“, so Lukasch weiter. Er ist seit 2019 Direktor des Museums in der Kulturbrauerei.

Die Ausstellung wird von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kuratiert. In der Stiftung leitet Lukasch die Abteilung Berlin, zu der das Museum in der Kulturbrauerei und der Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße gehören.

 

Hauptsitz in Bonn

Den Grundstein legte bereits das sogenannte Amt für Informationsgestaltung (AIF) in der DDR. Es hatte ca. 160.000 Objekte von über 60 Designer*innen zusammengetragen. „Da die Versorgung dieses Bestandes nicht mehr gesichert war, hat die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland den Bestand übernommen“, so der heutige Direktor. Sie hat einen Sammlungsbestand von über einer Million Objekten. Ab 1993 wurde in der Kulturbrauerei eine Mustersammlung von Industriedesign ausgestellt.

Viele Objekte fanden keinen Platz und wanderten erstmal ins Depot. „Seit 2005 – 2006 sind wir mit der Erschließung des Bestandes beschäftigt. Es ist eine sehr große Aufgabe, daher noch anhaltend“, so Lukasch. Zum Teil könne man Objekte in der Dauerausstellung sehen, aber auch in Bonn und Leipzig, erläutert der Direktor.

 

Design versus Historie

Der Design-Fokus der 1990 gegründeten und 2005 aufgelösten Sammlung Industrielle Gestaltung ist mittlerweile verblasst. Das verwundert bei der eher historisch ausgerichteten Stiftung der Geschichte nicht. Zweimal im Jahr werden Fotoausstellungen gezeigt, wie zurzeit die Fotoausstellung „Niemandsland“. Auch sie ist in jedem Fall einen Besuch wert. Die für März 2024 geplante Ausstellung „Heavy Metal“ wird die Musikkultur in der DDR beleuchten.

In der Dauerausstellung geht es um Themen, über die zu DDR-Zeiten wie heute in der Öffentlichkeit debattiert wurde und wird. Mütter gaben ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt in eine Krippe, um wieder zu arbeiten. „Zum einen war die hohe Frauenerwerbsquote in der DDR nicht nur politisch gewünscht, sondern auch wirtschaftlich unabdingbar“, erläutert das Buch zur Ausstellung, das leider derzeit vergriffen ist. Zu sehen ist auch der doppelreihige Kinderwagen, den Kindergärtner*innen vor allem am Prenzlauer Berg mit fröhlichen Kids hinter sich herziehen.

 

Alltag in der Diktatur

Die Freizeitgestaltung spielte eine wichtige Rolle, auch oder obwohl der autoritäre Staat hier mitwirkte. Zu sehen ist das Notizbuch eines Fußballtrainers, der die Torerfolge seines Nachwuchstalentes dokumentiert. Michael Ballack wurde später erfolgreicher Fußballnationalspieler. Jugendweihe, Einschulung mit Schultüte und nicht zu vergessen das Paket zu Weihnachten von der Verwandtschaft aus dem Westen. Die Akte eines Stern-Reporters zeigt, wie umfassende die Staatssicherheit Menschen auch in Westdeutschland bespitzelte.

Die Ausstellung schafft den Spagat zwischen Kritik am politischen System und der Vermittlung eines durchaus lebenswerten Alltag in einer Gemeinschaft. Für die einen sind es Erinnerungen aus dem eigenen Leben, für die anderen ist es eine Zeitreise in eine unbekannte Vergangenheit. Der Umgang der BRD mit der ehemaligen DDR spiegelt sich auch in der Historie des Museums wider. Vieles lagert noch ein, ist verborgen und wartet darauf, entdeckt zu werden. Hoffentlich können in den nächsten Jahren weitere Objekte aus dem Bestand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Inzwischen ist es im Museum stiller geworden. Die Gruppe Jugendlicher ist gegangen. Die verbliebenen Gäste schlendern in aller Ruhe an den Schaufenstern vorbei und hängen ihren Gedanken nach. Vielleicht besuchen sie nächstes Wochenende die Fotoausstellung Niemandsland.

Das Museum in der Kulturbrauerei ist Dienstag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr geöffnet, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

 

Titelbild: Dauerausstellung im Museum in der Kulturbrauerei © Stiftung Haus der Geschichte/Christoph Petras

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