Am Mittwoch stellte die Zählgemeinschaft aus Grüne, CDU und FDP ihre Projektvereinbarung vor. In Zukunft will sie stärker mit privaten Investor*innen zusammenarbeiten.
Es wehte ein starker Wind durch das Strandbad Weißensee, als sich am Mittwochmittag Partei- und Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP zur Unterzeichnung der gemeinsamen Projektvereinbarung trafen. Bei den anwesenden Bezirkspolitiker*innen herrschte jedoch eine gelöste Stimmung: Erst wenige Stunden vorher hatten sie sich auf die letzten Formulierungen geeinigt, das Papier fertiggestellt und an die Presse verschickt.
Die Gespräche zwischen den drei Fraktionen hatten bereits kurz vor der Wahlwiederholung begonnen und sich nach dem Ergebnis – die Grünen bleiben stärkste Kraft in Pankow, die CDU hat ihre Sitze in der BVV um vier Plätze erhöht – intensiviert. „Wir haben schnell und effektiv zusammengefunden, auf der Vertrauensbasis, die wir bereits hatten“, sagte Cordelia Koch, die die Bezirksverordneten am Mittwochabend mit den 28 zur neuen Bezirksbürgermeisterin benötigten Stimmen wählten. Sie folgt auf Sören Benn (Linke). Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin ist nun Manuela Anders-Granitzki (CDU), die darüber hinaus auch weiterhin dem Amt für Ordnung und Öffentlicher Raum vorsteht.
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„Eklatantes Personalmangelproblem“
Die 50-Jährige will sich vor allem einem Schwerpunkt widmen: dem Personalmangel im Bezirk. 6.800 Stellen in der Berliner Verwaltung sind derzeit unbesetzt, habe eine Recherche des Tagesspiegels ergeben, dies sei „ein eklatantes Problem“, so Koch. Nicht nur beanspruche der Einstellungsprozess viel zu viel Zeit – manchmal bis zu neun Monate –, auch die Bezahlung liege unter den Beträgen auf Landes- oder Bundesebene. In den kommenden dreieinhalb Jahren wolle sie dafür sorgen, dass der Bezirk ein attraktiver Arbeitgeber werde.
Ein wichtiger Punkt in der Projektvereinbarung ist außerdem das Thema Schule: „Der Schulbau hat für uns höchste Priorität. Bei Interessenskonflikten hat er Vorrang“, heißt es in dem Papier. Jörn Pasternack (CDU), den die BVV am Mittwoch zum neuen Stadtrat wählte und der das Amt für Schule und Sport von Dominique Krössin (Linke) übernimmt, betonte ebenfalls: „Wir wollen die Schulbauoffensive wiederbeleben und möglichst viele Schulplätze schaffen.“ Derzeit ist die Situation im Bezirk, vor allem bei den Oberschulen, sehr angespannt; regelmäßig müssen Schüler*innen in andere Bezirke pendeln, vergangenen Sommer konnten einige wenige Jugendliche sogar erst kurz vor Beginn des Schuljahres untergebracht werden.
Schulbauoffensive wiederbeleben
Mit der Vereinbarung wolle man den gesamten Bezirk ins Auge fassen und verbessern, so Koch. Vor allem sollten die eher ländlichen Stadtteile mit der urbanen Mitte, zu der auch Prenzlauer Berg gehört, verbunden werden. Verlassen will sich die neue Besetzung nicht mehr nur auf öffentliche Finanzierung: „Wir machen das alles bei schwindenden Geldern“, sagte die Bezirksbürgermeisterin weiter. Deshalb wolle man in Zukunft auch mit Investor*innen und Privatleuten zusammenarbeiten.
Vor ein paar Monaten hatten sich Grüne, CDU und FDP mit SPD und Linke überworfen; erstere hatten den Antrag gestellt, den Ausbau des ehemaligen Güterbahnhofs an der Greifswalder Straße voranzutreiben – gegebenenfalls auch mit der finanziellen Unterstützung des Grundstückseigentümers, dem Immobilienunternehmer Christian Gérôme. Dieser möchte dort zwei Hochhäuser bauen und hatte angeboten, auch den Schulbau zu übernehmen. Diese Möglichkeit müsse man prüfen, so Koch. Das Stadtentwicklungsamt führt in Zukunft Cornelius Bechtler (Grüne), der Rona Tietje (SPD) ablöst.
Die Projektvereinbarung der Jamaika-Zählgemeinschaft sei keine Kriegserklärung an die anderen Fraktionen der BVV, heißt es. „Es gab natürlich auch Gespräche mit SPD und Linke“, sagte Cordelia Koch; daraus sei aber keine Zählgemeinschaft entstanden. Sie hoffe dennoch auf eine kooperative Zusammenarbeit unter den Fraktionen, wie es sie auch in der Vergangenheit gegeben habe. „Auf Bezirksebene geht es um Gehwegvorstreckungen und Parkbänke, nicht um die große Parteipolitik.“
Die vollständige Projektvereinbarung könnt ihr hier nachlesen.
Titelbild: Mitglieder der Parteien und Fraktionen von Grüne, CDU und FDP nach der Unterzeichnung der Projektvereinbarung / Foto: Julia Schmitz