Senior*innenvertretung

Zwischen großen Sorgen und kleiner Politik

von Peter Schulz 22. November 2022

Im April wurden 17 neue Mitglieder in die Senior*innenvertretung Pankow berufen. Besuch bei einer Gruppe, die Politik macht anstatt Kaffeekränzchen.


Die Sitzung der Senior*innenvertretung Pankow hat an diesem Montag im November noch gar nicht begonnen, da kommt Doris Steinke, selbst ernannte Werbetante und seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich in Berlin-Buch im Klub „Der Alte“ tätig, geradewegs auf mich zu. Sie spricht schnell und ist von einer ansteckenden Quirligkeit, freundlich im Ton, engagiert in der Sache. Sie packt alles Wichtige in ein paar Sätze: dass sie Senior*innenreisen nach Polen organisiert, dass sie nächstes Jahr im Mai mit polnischen und deutschen Omas gegen den Krieg auf die Straße zieht, dass sie mal Buchhändlerin und wissenschaftliche Bibliothekarin war. Frau Steinke, darf ich fragen, wie alt sie sind? „Sach ich Ihnen nich! 94, gloobt keener, ist aber so, rufen Se mich doch mal an, hier meine Nummer“ lächelt sie und geht davon.

Frau Steinke ist nur Gast, erfahren die Mitglieder von Wilfried Brexel, stellvertretender Vorsitzender, bei der Eröffnung der Sitzung. Außerdem sind noch zwei weitere Gäste anwesend: Iljana Strauß vom Fachbereich Seniorenservice und soziale Aufgaben des Bezirksamtes Pankow und ein Bürger, der regelmäßig an Treffen teilnimmt und als eine Art Frontkämpfer mit Argusaugen die Runde beobachtet und ganz genau zuhört. So echauffiert er sich leicht und meldet sich im Laufe der Versammlung unverzüglich zu Wort, wenn es darum geht, ob der Pförtner in der Fröbelstraße einen durchlässt oder es Unstimmigkeiten bei den Öffnungszeiten des Amtes gibt.

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Senior*innenvertretung soll bekannter werden

Und dann geht es auch sofort über zum ersten Tagesordnungspunkt, der da lautet: Öffentlichkeitsarbeit. 2021 war die Arbeit der Senior*innenvertretung noch von der Pandemie geprägt, öffentliche Sitzungen und Sprechstunden konnten nicht stattfinden. Anfang dieses Jahres wurde gewählt, seit April tagen die 17 neuen Mitglieder einmal im Monat. Die Senior*innenvertretung muss jetzt wieder mehr Werbung für sich machen. Gerade geht es darum, welches Motiv auf den Flyer gedruckt wird: der Turm des Rathauses Pankow oder der Bürgerpark Pankow? Manfred Andersen gesteht, dass er noch nie im Bürgerpark war. Raunen, Lachen, Staunen in der Runde. „Man muss sich nicht überall rumtreiben“ entgegnet er.

Viel wichtiger als der Flyer ist allen aber, dass die Senior*innenvertretung überhaupt bekannter wird und vor allem die alten Bürger*innen um diese Anlaufstelle wissen. Also muss es erst einmal darum gehen, mit welchen Arbeitsgebieten sie sich beschäftigen und was die Senior*innenvertretung eigentlich macht. Grob lässt sich sagen, dass sie sich um alle Belange kümmert, die im weitesten Sinne mit Freizeit und Bildung, Gesundheit und Pflege und Wohnen, Verkehr und Mobilität zu tun haben. Die Senior*innenvertretung steht als Ansprechpartnerin zur Verfügung, trägt Probleme und Fragen älterer Menschen an das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) weiter, um so politische Prozesse in Gang zu setzen.

Jeden Dienstag gibt es eine Sprechstunde – jetzt wieder vor Ort – in der Fröbelstraße. Bei den Parteien, sagt Angela Jelen, seien die Senior*innen nicht das wichtigste Thema. Genau deshalb gibt es die Senior*innenvertretung: um Gesprächsrunden mit den zuständigen Verantwortlichen ins Leben zu rufen, um Fragen an die Behörden zu stellen und um die Schnittstelle zu sein zwischen dem bürokratischen Amts-Dickicht und und pragmatischen Lösungen. So fordert die Senior*innenvertretung vom zuständigen Bezirksamt einen Leitfaden, der in Begegnungsstätten oder Beratungsstellen als Handzettel ausliegt und erklärt, welche staatlichen Unterstützungen unter welchen Voraussetzungen möglich sind und wie Senior*innen Anträge formlos und einfach stellen können.

 

Infrastruktur an Bedürfnisse anpassen

Dies alles muss für ältere Menschen verständlich erläutert werden. Immer wieder brauchen auch Senior*innen brauchen Unterstützung, es geht um praktische Ratschläge. Zum Beispiel was sie machen, wenn sie eine Rechnung nicht bezahlen können. Um diese Hilfe zu bekommen, setzt sich die Senior*innenvertretung dafür ein, dass es weiterhin persönliche Anlaufstellen mit deutlich erweiterten Sprechstunden gibt. Ralph Savilla stellt in der Sitzung noch einmal mit Nachdruck fest, dass es mehr Kontaktmöglichkeiten als E-Mail oder Telefon geben muss.

Doch der Weg zum Bezirksamt zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist für viele ältere Menschen kräftezehrend und schwierig. Auch dieses Thema beschäftigt die Senior*innenvertretung. Wenn es schon persönliche Anlaufstellen geben soll, dann müssen sie auch gut erreichbar sein. So gab es im Oktober mit dem Ordnungsamt eine Gesprächsrunde. Die Senior*innenvertretung wollte konkrete Antworten darauf, wo das Abstellen von E-Scootern und anderen Sharing-Fahrzeugen erlaubt sei und welche infrastrukturellen Maßnahmen ingesamt geplant seien. Außerdem geht es um längere Grünphasen an Fußgängerampeln, das Abschließen von Rollatoren und die Reparatur von Bänken, die für Ruhepausen dienen. Auch die Frage, ob einzelne Mitglieder der Vertretung als Bürgerdeputierte eingesetzt werden können, um in den Ausschüssen der BVV mitzuarbeiten, steht an diesem Tag im Raum.

„Wo wollen wir hin?“,fragt ein Mitglied am Ende der Sitzung. Nach zwei Stunden Reden ist der Eindruck entstanden, dass die Senior*innenvertretung genau weiß, wo sie hinwill.

 

Titelbild: Zu Besuch bei der Senior*innenvertretung Pankow / Foto: Peter Schulz

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