Bundestag und Berliner Verfassungsgericht haben entschieden, dass die Wahl vom Herbst 2021 wiederholt werden muss. Was ihr darüber wissen solltet, erfahrt ihr hier.
Der 26. September 2021 war ein Tag, den Berlin nicht so schnell vergessen wird: Während für den Berlin-Marathon ganze Straßenzüge gesperrt waren, sollten knapp zweieinhalb Millionen wahlberechtigte Berliner*innen ihre Kreuze auf den Stimmzetteln machen. Das führte zu zahlreichen Pannen. Es gab falsche Wahlzettel oder sie fehlten ganz, der Platz in den Wahllokalen reichte nicht aus und mitunter waren die Wartezeiten sehr lang. Die letzten Pankower*innen gaben weit nach 20 Uhr ihre Stimme ab, da waren bereits die ersten Ergebnisse im Internet nachzulesen. Berlins Landeswahlleiterin legte kurz darauf ihr Amt nieder.
Das Berliner Verfassungsgericht hat nun an diesem Mittwoch entschieden, dass die Berliner*innen noch einmal wählen dürfen, auch der Deutsche Bundestag hat dies kurz zuvor beschlossen. Aber was wird gewählt, wer und wo? Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche Wahlen werden wiederholt?
Vergangene Woche folgte der Berliner Bundestag mit 372 Zustimmungen und 252 Ablehnungen der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses, die Bundestagswahl in Berlin zu wiederholen. Allerdings nicht in allen zwölf Wahlbezirken, denn dort gab es unterschiedlich starke Unregelmäßigkeiten. Pankow liegt dabei mit großem Abstand vor den anderen an erster Stelle: Von ingesamt 175 Wahlbezirken (die gleichbedeutend mit den Wahllokalen sind) waren 144 betroffen, das sind 82,3 Prozent. Nach Charlottenburg-Wilmersdorf auf dem zweiten Platz folgt der andere Wahlkreis, der für Prenzlauer Berg relevant ist: 64 von 203 Wahllokalen in Friedrichshein-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost wiesen Pannen auf. Bei der Wahlwiederholung werden erneut die Erst- sowie die Zweitstimme abgegeben.
Auch für das Berliner Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen können Wahlberechtigte erneut ihre Kreuzchen machen – in dem Fall sogar alle und nicht nur jene aus den betroffenen Wahllokalen. Verfassungsgerichtspräsidentin des Landes Berlin Ludgera Selting hatte Ende September in einer vorläufigen Rechtseinschätzung „eine vollständige Ungültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und für die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen“ festgestellt. Am 16. November folgte die endgültige Entscheidung für die Wahlwiederholung.
Wann wird gewählt?
Bis zu einer Wiederholung der Bundestagswahl könnte es noch eine Weile dauern. Die Opposition im Bundestag ist mit der Entscheidung nicht einverstanden und kündigte eine Klage an. Erst wenn dort ein Urteil gesprochen ist – und das könnte sich bis 2024 ziehen – darf die Wahl voraussichtlich erneut stattfinden.
Anders sieht es bezüglich der Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen aus. Dort ist die Entscheidung bereits gefallen und mit Fristen verbunden: Die Wahlwiederholung darf spätestens 90 Tage nach dem Gerichtsurteil, also am 14. Februar stattfinden. Weil das ein Dienstag ist, fällt der Wahltag vermutlich auf Sonntag davor, den 12. Februar 2023.
Wer darf wählen?
Es dürfen alle wählen, die zum Zeitpunkt der Wahlwiederholung in Berlin gemeldet und mindestens 16 Jahre (für die Bezirksverordnetenversammlungen) beziehungsweise 18 Jahre (für die Abgeordnetenhauswahl und den Bundestag) alt sind. Wer seit dem 26. September 2021 nach Berlin gezogen ist oder unterdessen das jeweilige Wahlalter erreicht hat, darf somit ebenfalls wählen. Verstorbene verlieren ihr Stimmrecht, es kann nicht stellvertretend gewählt werden.
Wer kann gewählt werden?
Auf den Stimmzetteln für die einzelnen Wahlen stehen die gleichen Namen wie im Herbst 2021 – mit Ausnahme jener Menschen, die in der Zwischenzeit das Land verlassen haben oder verstorben sind.
Was bedeutet eine Wahlwiederholung für Senat, Abgeordnetenhaus, Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlungen?
Die Berliner Bürger*innen hatten, wenn die Neuwahl Mitte Februar stattfindet, fast anderthalb Jahre Zeit, den gewählten Politiker*innen auf die Finger zu schauen. Bei einigen Menschen dürfte das zur Folge haben, dass sie bei der Wiederholung eine andere Partei oder gar nicht wählen. Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern ergab allerdings, dass die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer*innen den gleichen Parteien ihre Stimme geben will.
Dennoch könnte die Wahlwiederholung bedeutenden Einfluss auf die Zusammensetzung der politischen Entscheidungsebenen haben. Bei der klassischen Frage „Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre“ Ende September lag Bündnis 90/Die Grünen mit 19,5 Prozent knapp vor der CDU und der SPD mit jeweils 19 Prozent. Im Herbst 2021 hatte die SPD mit 21,4 Prozent deutlichen Vorsprung vor den Grünen mit 18,9 Prozent und der CDU mit 18,1 Prozent. Im Abgeordnetenhaus könnte sich also eine neue Sitzverteilung ergeben, die auch Einfluss darauf hat, welche*r Politiker*in später das Amt des*der Regierenden Bürgermeister*in bekleidet.
Ähnliche Umstrukturierungen könnten sich im Bezirksamt Pankow ergeben. Obwohl die Grünen im Bezirk die meisten Stimmen bekamen, reichten diese nicht aus, um ihre Kandidatin Claudia Koch zur Bürgermeisterin zu machen. Weil Gespräche zu Zählgemeinschaften zwischen Grünen, Linkeund SPD platzten, gingen nur die Fraktionen von Linke und SPD eine Zählgemeinschaft ein – und wählten anschließend Sören Benn (Linke) zum Bürgermeister. Ob die sechs Stimmen, die er dafür von anderen Parteien benötigte, von FDP, CDU oder tatsächlich der AfD kamen, ist bis heute unklar. Eine Wahlwiederholung könnte die Stimmenverteilung durchmischen – dies ändert aber erstmal nichts an den gewählten Stadträtinnen und Stadträten. Sie sitzen fest im Sattel bis zur nächsten Wahl 2026, es sei denn, sie werden mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt.
Was passiert mit den Entscheidungen, die im Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen getroffen wurden?
Alle politischen Entscheidungen, die seit der Wahl 2021 getroffen wurden, bleiben gültig.
Wird es einen neuen Wahlkampf geben?
Ja. Die Parteien bereiten sich bereits darauf vor, in der kalten Jahreszeit mit ihren potentiellen Wähler*innen zu sprechen. Damit die ersten nicht damit beginnen, an den Weihnachtsfeiertagen Wahlplakate aufzuhängen, dürfen die Parteien sie erst ab dem 2. Januar im öffentlichen Raum anbringen. Wie sie sich auf den Winterwahlkampf vorbereiten, erzählen sie hier.
Verschiebt sich jetzt der Rhythmus der Wahlen?
Nein. Die nächste Wahl findet ganz regulär im Jahr 2026 statt.
Wie kann ich bei der Wahlwiederholung mithelfen?
Bei der Wahl im September waren 34.000 Wahlhelfer*innen im Einsatz; damit die Wiederholung diesmal reibungslos klappt, will Berlin im Februar auf 38.000 Helfer*innen aufstocken. Wer die Wahl ehrenamtlich unterstützen möchte, kann sich ab sofort als Wahlhelfer*in anmelden. Alle Informationen dazu gibt es hier.
Titelbild: Markus Spiske / Unsplash