Wahl

Pankow droht ein Winter-Wahlkampf

von Julia Schmitz 11. Oktober 2022

Vielleicht muss Berlin im Februar 2023 die Wahl wiederholen. Wir haben die Pankower Parteien gefragt, was das für sie bedeuten würde.


Für manche kam es überraschend, andere hatten es schon geahnt: Die Wahl, die Ende September 2021 stattfand, muss voraussichtlich wiederholt werden. Das gab der Berliner Verfassungsgerichtshof in einer Einschätzung vor zwei Wochen bekannt – mit deutlichen Worten. „Für das Gericht kommt die vollständige Ungültigkeit der Wahlen in Betracht“, sagte Präsidentin Ludgera Selting.

Für den Bezirk Pankow könnte das bedeutende Auswirkungen haben. Hier waren besonders viele Unregelmäßigkeiten und Pannen am Wahltag vorgefallen: Es fehlten Stimmzettel, Wähler*innen mussten mehrere Stunden warten oder konnten erst nach 20 Uhr wählen; manche Wahllokale mussten bereits vor 18 Uhr schließen.

 

Linker Bürgermeister trotz grüner Mehrheit

Bündnis 90 / Die Grünen holten an diesem Tag in Pankow zwar die meisten Stimmen, doch reichten diese nicht für eine Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung aus. Eine Zählgemeinschaft mit den anderen Fraktionen kam nicht zustande, dafür aber eine zwischen SPD und Linksfraktion – die später Sören Benn (Linke) zum Bezirksbürgermeister wählten, vielleicht sogar mit den Stimmen der AfD. Ein kleiner Skandal in der Bezirkspolitik Berlins.

Wie gehen die Pankower Parteien mit der Aussicht auf eine Wahlwiederholung um, wie sehen sie ihre Chancen? Wir haben alle gefragt, Linke, Grüne und CDU haben uns geantwortet.

___STEADY_PAYWALL___

„Winter-Wahlkampf wird eine Herausforderung“

Sandra Brunner, Vorsitzende der Linkspartei in Pankow, war bei der mündlichen Verhandlung zur Wahlwiederholung dabei. „Mit einer kompletten Wiederholung der Wahlen hatte ich nicht gerechnet. Die vorläufige Einschätzung des Gerichts war aber sehr deutlich“, sagt sie. Die Wahl von September 2021 zu bewerten, sei schwierig, denn „im Nachhinein ist man immer schlauer“. Doch schon vor dem Wahltag hätte die Linke Beschwerden über nicht zugesandte Briefwahlunterlagen oder falsche Stimmzettel für die Bundestagswahlen erreicht.

Auf eine Wahlwiederholung und den damit verbundenen Wahlkampf bereitet sich die Partei bereits vor: „Wir reaktivieren unsere Wahlkampfstrukturen und schauen, wie viel Geld wir aus der Parteikasse nehmen können und wofür. Ein Winter-Wahlkampf wird für die meisten neu sein und die Parteien vor Herausforderungen stellen.“

Und nicht nur die Witterung wäre neu: „Angesichts der dramatischen Veränderungen seit der letzten Wahl 2021 wird die Wiederholungswahl eine andere sein. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, explodierende Preise bei Energie und Lebensmitteln, Existenznöte und -ängste – all das bereitet tiefe Sorge. Zumal die Ampelkoalition im Bund zu wenig für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen tut.“ Sie hofft, dass Sören Benn seine Arbeit als Bezirksbürgermeister fortsetzen kann.

 

„Wir warten ohne Sorge auf den Urteilsspruch“

Jenni Winterhagen, Pankower Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grüne, befürwortet eine Wahlwiederholung. „Es überrascht uns nicht, dass das Landesverfassungsgericht die Gültigkeit der Wahl sehr genau und kritisch prüft. Die Wahl ist der Moment, in dem wir über die Machtverteilung im Land bestimmen. Wahlen müssen ordnungsgemäß stattfinden. Darauf beruht unser Vertrauen in die Demokratie. Die Fehler bei der Wahl haben das Vertrauen vieler in Berlin erschüttert“, antwortet sie. Die Wahl 2021 habe die Partei sehr gut vorbereitet, deshalb erwarte man den Urteilsspruch ohne Sorge.

Die Bilanz der fünf Bündnisgrünen, die im Bezirk direkt ins Abgeordnetenhaus gewählt wurden, sei beachtlich, ebenso wie die Leistungen der Pankower Stadträtin für Soziales Cordelia Koch und Cornelius Bechtler, dem Stadtrat für Jugend und Soziales. „Unsere Bezirksverordneten haben gezeigt, dass sie auch in schwierigen Situationen professionell handeln. Bis zur etwaigen Wiederholungswahl gilt für uns: Die Gewählten müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Stillstand hilft niemanden.“

Eine Herausforderung sieht auch sie in einem Wahlkampf während des Winters, für den vor allem Ehrenamtliche verantwortlich sind. „Wenn die Wahl wiederholt wird, ist das Wichtigste, dass die Innenverwaltung eine ordnungsgemäße Wiederholungswahl sicherstellt. Die Wahl bietet dann die Chance, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen und heilsam zu wirken. Unser Bezirk und unser Land brauchen eine klar legitimierte Regierung.“

 

„Die Deutlichkeit hat mich überrascht“

Ebenso wie Sandra Brunner war auch Dirk Stettner bei der Verhandlung vor Ort. „Die Wahlen wurden so schlecht vorbereitet, dass die vielen Fehler eine Wahlwiederholung wahrscheinlich machten. Die Deutlichkeit, mit der die Vorsitzende den zuständigen Senator für die wider besseren Wissens sehr schlechte Wahlvorbereitung und Durchführung kritisierte, hat mich aber überrascht“, sagt der Vorsitzende der CDU Pankow.

Die Zustände während der Wahl im Herbst 2021 seien chaotisch gewesen, Wahlgrundsätze seien nicht eingehalten worden: „Jede Wählerin, jeder Wähler muss die Gelegenheit haben, frei, geheim, allgemein, unmittelbar und gleich zu wählen.“

Konkrete Vorbereitungen für die Wahlwiederholung und den damit verbundenen Wahlkampf will seine Partei erst treffen, wenn die endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gefallen ist. Und wie sieht Stettner die Chancen seiner Partei bei einer erneuten Wahl? „Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler.“

Am 16. November entscheidet der Berliner Verfassungsgerichtshof, ob die Wahl für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen wiederholt werden muss.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar