Vom stinkenden Gasometer über die DDR-Vorzeigesiedlung zu einem grünen Ort zwischen Plattenbauten: Der Ernst-Thälmann-Park hat eine wechselhafte Geschichte. Hier kommt das dritte Park-Porträt.
Wer von der Tramhaltestelle an der Greifswalder Straße aus auf den Thälmannpark zuläuft, steht zunächst vor einer grauen Mauer. Über eine Treppe gelange ich auf eine Ebene, die wie ein einstiger Spielplatz aussieht. Aus einem Metallring, der eine Art Stranddusche darstellen könnte, tröpfelt unentwegt Wasser. Es ist Mittag, kaum ein Mensch spaziert durch den Park. Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl. Vielleicht, weil der Park so dürftig besucht ist, oder seine Geschichte und die Kontroverse um das Thälmann-Denkmal bei jedem Schritt mitschwingen.
Angelegt zwischen 1983 und 1986, wuchs der Park auf von Giftstoffen verseuchtem Schutt des alten Berliner Gasometers, dem einstigen Wahrzeichen des Prenzlauer Bergs. Im Sommer 1984 wurde es, trotz heftiger Proteste, gesprengt. Die Giftstoffe wurden erst in den 1990er Jahren beseitigt. Seit 2004 läuft außerdem eine Grundwasserreinigungsanlage. Der Park beheimatet unter anderem eine Schwimmhalle die derzeit renoviert wird, und das Zeiss-Großplanetarium, welches 1987 als eines der größten und modernsten Planetarien weltweit eröffnet wurde.
Den künstlichen See in der Mitte des Parks retteten Anwohner*innen vor einer drohenden Zuschüttung. Denn das Parkgelände liegt den Menschen, die hier leben, am Herzen. Bereits während der ursprünglichen Begrünung zu DDR-Zeiten pflanzten Nachbar*innen mit. Heute organisieren Initiativen die Teichreinigung, gemeinsame Aktivitäten und Aufräumaktionen.
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Ernst Thälmann dominiert den Park
Immer wieder überrascht mich die Größe der namensgebenden Ernst-Thälmann-Statue, deren Ausmaß auf Abbildungen nicht erkennbar ist. Der Abriss, den der Senat in den 1990 er Jahren geplant hatte, konnte nicht umgesetzt werden, weil die ca. 50 Tonnen schwere Büste zu viel wog. Man entfernte nur Zitatblöcke von Honecker und Thälmann. Die Pankower CDU forderte in diesem Jahr dennoch erneut den Abriss. Dabei ist die umstrittene Büste seit 2021 umgeben von orangenen Betonblöcken, die zu der künstlerischen Kommentierung der Filmkünstlerin Betina Kuntzsch gehören; im Auftrag des Bezirksamtes hat sie sich im Kurzfilmformat unter dem Titel „Vom Sockel denken“ mit der Statue auseinandergesetzt. Über QR-Codes an den Sockeln gelangt man zu den jeweiligen Ausschnitten.
Auf der Website „Vom Sockel Denken“ heißt es, die monumentale Statue habe bereits bei ihrer Enthüllung gewirkt wie ein Alien. Auf mich macht es den Eindruck eines Zombies. Der Sockel, der Thälmanns Namen ausweist, trägt ein Graffiti in rot-weißer Farbe. Jemand hat das das Wort „Held“ gesprüht. Ein umstrittener Held, der die SPD bekämpfte und Stalin verehrte, der 1931 für ein Volksbegehren und 1932 bei einem BVG-Streik mit den Nationalsozialisten kooperierte, bevor sie ihn 1933 verhafteten. Nach elf Jahren Einzelhaft wurde er 1944 im KZ Buchenwald ermordet.
Ein BMX-Fahrradfahrer dreht seine Runden auf dem Platz, springt über die Stufen. Auf den orangenen Sockeln des Kunstprojekts liegt Glas zerbrochener Bierflaschen. Über der Parkanlage thronen die Plattenbauten, die im Zuge der Parkerrichtung entstanden und zu DDR-Zeiten modernen Wohnkomfort im Gegensatz zu den kaputten Altbauten boten. Um den Thälmannpark herum sind in den letzten Jahren zahlreiche Neubauprojekte enstanden. Anwohner*inneninitiativen treten dafür ein, die Wohnpreise in der Gegend bezahlbar zu halten.
„Gasometer sprengt man nicht“
Zwei spanische Touristinnen neben mir wundern sich. Sie fragen, ob das „Held“- Graffiti zur Statue gehöre. Ich schüttele den Kopf. Sie runzeln die Stirn. Seine Geburtsstunde erlebte das frühere Denkmal in der bereits im Untergang begriffenen DDR. Die 1300 Wohnungen, die man auf dem Gelände des Thälmannparks hochzog, waren das letzte Großbauprojekt des sozialistischen Staates. Gegen die Sprengung der Gasometer gab es langanhaltenden Widerstand: „Gasometer sprengt man nicht“ lautete der Slogan damals.
Der Umgang der Verwaltungsorgane mit den Protestierenden offenbarte einmal mehr das Wesen der Diktatur. Einige von ihnen wurden vorrübergehend festgehalten oder mussten Fotoaufnahmen vernichten, einige erhielten Arbeitsverbot, andere sahen sich desillusioniert ob ihrer Mitbestimmungsrechte im öffentlichen Raum. Unschlüssig stehe ich vor „Teddy“ Thälmann. Für mich dominiert er diesen Park.