Warum war die Umweltbibliothek in der DDR viel mehr als ein Ort des Wissens? Vor was für einem Problem steht die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus? Und was gibt es Neues von den Grundschulen im Viertel? Die Nachrichten der Woche gibt es im Newsletter.
In Prenzlauer Berg haben Oppositionelle Geschichte geschrieben: zahlreiche Bürgerinitiativen hatten hier zu DDR-Zeiten ihren Ursprung. Was in den 1980er Jahren für eine Gruppe junger Leute um Carlo Jordan und Wolfgang Rüddenklau zunächst als Kampf gegen Umweltzerstörung und Atomenergie beginnt, wird schnell größer. Sie gründen die Umweltbibliothek und liefern damit nicht nur Wissen. Denn der Ort ist schnell mehr als nur eine Bibliothek: Er dient als Druckerei für verschiedene Zeitungen, als Veranstaltungsort und Treffpunkt junger Menschen, die dem DDR-Regime kritisch gegenüberstehen. Meine Kollegin Katharina Angus hat sich die Geschichte dieses subversiven Versammlungsortes angeschaut für unseren
Text der Woche
- Untergrund: Sie arbeiteten als Friedhofsgärtner oder Hausmeister und druckten im Keller der Zionskirche in der DDR verbotene Zeitschriften: Ein Gründer der Umweltbibliothek in Prenzlauer Berg erinnert sich.
Was sonst noch los war - Umweltschutz: Klimakrise und Artensterben sind längst keine theoretischen Konstrukte mehr. Was kann Pankow dagegen tun? Ein Gespräch mit dem Grünen-Bezirksverordneten Axel Lüssow.
Kiezfoto der Woche
Aus dem Bezirk
- Colosseum: Seit 20 Jahren arbeitet die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in der Gleimstraße daran, dass ihre Arbeit „überflüssig” wird. Ihre Räume befinden sich im selben Gebäude wie das ehemalige Kino Colosseum. Das soll in Zukunft vom neuen Besitzer Values Real Estate zu einem „Kreativitäts-Hub” umgebaut werden. Für Beratungsstellen scheint darin aber offensichtlich kein Platz zu sein: „Der Geschäftsführer Dr. Thorsten Bischoff teilte uns mündlich mit, dass die bestehenden Mietverträge für die Büroräume in der Gleimstraße 31/35 nach dem 30. September 2023 wegen geplanter Umbaumaßnahmen nicht verlängert werden sollen. In dem Nutzungskonzept, das uns Lillemor Mallau, die als Mitglied der Pankower Grünen die Firma konzeptionell berät, bei diesem Termin vorgestellt hat, sind die Projekte des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin e.V. und der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. als Mieter*innen nicht vorgesehen. Ein Angebot für einen Verbleib in der Gleimstraße wurde uns auf aktive Nachfrage hin nicht gemacht”, so Geschäftsführerin Bianca Klose. Eine schriftliche Kündigung sei bisher aber nicht eingegangen. Der Verein Rettet das Colosseum e.V. kritisierte das Vorgehen auf Twitter: „Values sagte kürzlich dem Bezirk, man wolle Raum günstig facettenreich gestalten und zur Verfügung stellen. Wie lange soll noch Augenwischerei betrieben werden, bis alle mal aufwachen?”
- Schulbauoffensive: Zahlreiche Schulen in Prenzlauer Berg stehen vor dem Kollaps – es mangelt an Platz, es gibt zu wenig Personal und die Schüler*innen werden immer mehr. Ständig werden deswegen neue Schulbauten geplant, selten geht es voran. Doch jetzt bewegt sich zumindest im Grundschulbereich etwas. Am Mittwoch fand das Richtfest für den ersten Neubau einer modularen Grundschule mit Sporthalle und Außenanlagen in der Conrad-Blenkle-Straße 20 statt. „Neue und moderne Schulbauten sind die hoffnungsvollsten Zeichen für die Lebendigkeit unseres Bezirks. Das Haus wird der Schulgemeinschaft eine positive und hochfunktionale Rahmung bieten und so die Möglichkeiten für die Umsetzung innovativer pädagogische Konzepte erweitern“, sagt Schulstadträtin Dominique Krössin (Linke). Denn in der Grundschule soll das Konzept der Compartmentschule umgesetzt werden. Eine Schule besteht demnach aus mehreren kleineren Einheiten. Jeder dieser Einheiten setzt sich wiederum aus mehreren Unterrichts- und Fachräumen zusammen, die sich um einen zentralen Raum gruppieren. Nach der Fertigstellung sollen dort 576 Schüler unterrichtet werden, die Gesamtkosten für diesen Standort belaufen sich laut Bezirksamt voraussichtlich auf ca. 40,9 Millionen Euro belaufen.
- Personalmangel: Eine andere Idee hatte die Grundschule am Kollwitzplatz und sorgte damit für reichlich Diskussionen. Sie wollte wegen des Personalmangels den Unterricht erst um 8.30 Uhr beginnen und die Stunden kürzen, wie zunächst die Morgenpost berichtete (€). Doch nun macht die Schulleitung einen Rückzieher: Eine Einführung zum kommenden Schuljahr finde nicht statt, weil diese nicht so schnell realisierbar sei. Die Kürzung der Schulstunden solle verschoben werden und laut rbb erst im Schuljahr 2023/24 stattfinden.
- Jugendschöff*innen: Das Jugendamt Pankow sucht Jugendschöff*innen für das Amtsgericht oder Landgericht. Während ihrer Amtszeit von 2024 bis 2028 werden sie nach Paragraf 35 des Jugendgerichtsgesetzes als ehrenamtliche Richter*innen Teil der Rechtsprechung sein. Wer sich für dieses Ehrenamt interessiert, kann sich bis zum 11. November bewerben. Bewerber*innen müssen mit Beginn des Jahres 2024 mindestens 25 und höchstens 69 Jahre alt sein und ihren Wohnsitz im Bezirk Pankow haben.
- Pankow-Song: Rainald Grebe hat bereits über Prenzlauer Berg gesungen. Aber wusstet ihr, dass es auch ein Lied über den Bezirk Pankow gibt? Der Musiker Tobias Thiele hat dem Bezirk ein Lied gewidmet. „Ich wollte ein Zeichen für Toleranz und ein friedliches Miteinander im Bezirk Pankow setzen“, schreibt der Musiker in einer Mitteilung. Die Idee habe er 2006 gehabt. Mehrfach sei er seitdem bereits mit dem Song aufgetreten, auch das Bezirksamt nutzte das Lied bereits bei Veranstaltungen. So häufig scheint das nicht gewesen zu sein, denn im Bezirk kennt es kaum jemand. Und dennoch: „Es würde mich sehr freuen, wenn auch andere KünstlerInnen (Liebes-)Lieder an, über und für Pankow komponieren und diese dann dem Bezirksamt Pankow ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung stellen würden“, sagt Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke). Aber wofür braucht der Bezirk so viele Lieder? Vielleicht bekommen nun allen zukünftigen Bürger*innen bei ihrer Anmeldung einmal eins vorgespielt?
- Spenden: Seit Dezember trifft sich die Initiative Gethsemanekiez, ein Zusammenschluss aus Nachbar*innen rund um die Kirche, jeden Montagabend vor dem Gotteshaus, um ein Zeichen gegen sogenannte Querdenker*innen zu setzen. Diesen nachbarschaftlichen Einsatz möchte die Initiative feiern und „gleichzeitig ein Zeichen für eine lebendige Demokratie an dem geschichtsträchtigen Ort setzen“. Dafür plant sie ein großes Fest am 10. September mit einem Bühnen-Programm aus Musik, Talks und Kultur sowie einem Kinderfest. All das wollen sie ehrenamtlich machen. Doch das Equipment und die Genehmigungen kosten Geld, um Unterstützung wird deshalb mit einer Spendenkampagne gebeten.
Tipps & Termine
- 3.7.: Ein Konzert und eine Ausstellung in einem gibt es am Sonntag in der Kulturmarkthalle. Dort erzählen Frauen ab 17 Uhr musikalisch, bildnerisch und fotografisch von Sehnsüchten, Identität und Alltagsmomenten. Damit sammeln sie Spenden für die Stiftung Solar Universe aus der Ukraine, die Waisenkinder, alleinerziehende Mütter und kinderreiche Familien unterstützt, die durch den Krieg in eine schwierige Situation geraten sind. Mit dabei sind unter anderem die Musikerinnen Iris Forest und Vikar sowie die Künstlerinnen Avviva, Geulla und Rufina Bogoradova.
- 5.7.: Er ist zehn, als in der DDR die Revolution ausbricht. Während viele sich nach Freiheit sehnen, hat er Angst: vor den Imperialisten und Faschisten, vor denen seine Lehrerinnen ihn gewarnt haben. Wenige Jahre später wird er wegen seiner langen Haare von Neonazis verfolgt. Gleichzeitig trifft er sich mit Rechten, weil er sich bei ihnen sicher fühlt. In seinem Roman „Wir waren wie Brüder“ erzählt Daniel Schulz über die oft banalen Ursprünge von Rassismus und rechter Gewalt. Am Dienstag liest Schulz um 19 Uhr im Museum in der Kulturbrauerei aus seinem Buch vor. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung erforderlich.
- 7.7.: Spielen soll Spaß machen. Es verfolgt keinen bestimmten Zweck und es hat auch keine Konsequenzen. Dennoch gibt es in jedem Spiel auch Regeln, die eingehalten werden müssen. Hält man sich nicht daran, heißt es: Game Over. Die beiden Künstler Jan Klopfleisch und Ingo Panke setzen sich in ihrem Werk mit den Spielräumen in ihrer Kunst auseinander. Die Vernissage findet am Donnerstag ab 19 Uhr in der Heinrich-Böll-Bibliothek statt. Danach kann die Ausstellung bis zum 1. September 2022 im Kunstraum Fuge angeschaut werden.
Das habt ihr vielleicht verpasst
- Verkehrswende: Die Stargarder ist schon eine, die Oderberger wird es demnächst: Für Prenzlauer Berg sind noch zehn weitere Fahrradstraßen geplant. In unserer Übersicht zeigen wir euch, was wann umgesetzt werden soll.
Zitat der Woche
„Die Fridays for Future Aktivist*innen sind im Schnitt deutlich jünger, als wir es damals waren. Auch stand bei uns weniger das Klima im Vordergrund, doch die Gemeinsamkeit, die ich erkenne, ist eine apokalyptische Weltwahrnehmung, die in der Bewegung herrscht“,
sagt Carlo Jordan. Gibt es weitere Aktivist*innen aus Prenzlauer Berg, über die ihr schon immer mehr erfahren wolltet? Dann schickt uns gerne eure Vorschläge.
Von mir lest ihr nächste Woche wieder. Bis dahin wünsche ich euch ein tolles Sommerwochenende!
Eure Christina Heuschen
und die ganze Redaktion
Dir gefällt, was wir machen? Hinter den Prenzlauer Berg Nachrichten steckt kein großes Medienunternehmen, sondern ein Team aus freien Journalist*innen mit großer Leidenschaft für Lokaljournalismus. Damit wir auch in Zukunft unabhängig und werbefrei aus den Kiezen berichten können, brauchen wir deine Hilfe: Unterstütze uns jetzt mit deiner Mitgliedschaft und erhalte Zugang zu allen Artikeln, den wöchentlichen Newsletter sowie den monatlichen Sondernewsletter zu einem Schwerpunktthema!