In ganz Berlin wissen zahlreiche Kinder immer noch nicht, wo sie im nächsten Schuljahr in die siebte Klasse gehen werden. Auch im Bezirk Pankow fehlen Schulplätze.
Jedes Frühjahr fiebern die Grundschüler*innen den Briefen entgegen: Werden sie eine der drei als Favoriten angegebenen Oberschulen besuchen? Auch wenn die meisten von ihnen dann tatsächlich einen Platz an ihrer Wunschschule erhalten, wird der Druck vorher immer größer und das Auswahlverfahren immer strenger. Denn bereits in der Grundschule müssen sie einen sehr guten Notendurschnitt vorweisen, um an ihrer favorisierten Schule überhaupt eine Chance zu haben. In diesem Jahr jedoch haben viele Kinder noch gar keinen Brief erhalten, in dem ihnen eine Schule zugewiesen wird. Denn in ganz Berlin fehlen rund 170 Schulplätze. Erstmalig können in diesem Jahr nicht alle Schüler*innen mit einem Platz versorgt werden.
Das ist auch in Pankow der Fall. Wie der Bezirkselternausschuss Pankow (BEA) am Wochendene mitteilte, handle es sich „um 20 bis 40 zukünftige Gymnasialschülerinnen und -schüler, für die nicht nur in Pankow, sondern in der ganzen Stadt, kein Schulplatz zu Verfügung steht.“ Es mangele an Räumen und Personal gleichzeitig. Das sei besonders bitter, weil absehbar gewesen sei, dass diese Situation eintrete. „Seit vielen Jahren hat der Bezirk davor gewarnt, dass dieser Tag kommt. Die bezirklichen Prognosezahlen wurden im Land aber nicht ernst genug genommen“, kritisiert die Katja Ahrens, Vorsitzende des BEA.
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Die zuständige Bezirksstadträtin Dominique Krössin (Linke) kann die Sorgen und Kritik der Eltern nachvollziehen. „Es muss eine adäquate Lösung für alle gefunden werden, nicht nur irgendein Schulplatz“, sagt Krössin. Mittlerweile fehle nur noch für 18 Schüler*innen ein Platz antwortete sie am Donnerstagnachmittag auf unsere Anfrage. Bis zum 22. Juni muss der Bezirk die restlichen Schulplätze gefunden haben.
Zu wenig saniert, zu langsam neu gebaut
Seit Jahren fehlen in der Stadt Schulplätze – nur wenige der bestehenden Gebäude wurden saniert und Neubauten entstehen oft mit großer Verzögerung. Der Bezirk Pankow hat das erkannt und versucht deswegen gegenzusteuern; in den vergangenen zehn Jahren wurden rund 10.000 zusätzliche Schulplätze geschaffen. Dennoch reicht das nicht aus. Die Folgen für die Kinder sind enorm, denn jede Verschiebung erhöht nicht nur das Schulplatzdefizit, sondern muss beispielsweise durch temporäre Schulerweiterungen oder andere schulorganisatorische Maßnahmen ausgeglichen werden, sagt Krössin. „Wir haben im letzten Jahr alles ausgequetscht und nur mit Hängen und Würgen hat alles geklappt“, fasst sie die Situation zusammen.
Und auch der bezirkliche Schulentwicklungsplan für die Schuljahre 2021 – 2025 weiß um das Platzdefizit: Bis zum Schuljahr 2030/2031 wird es im Bezirk nicht genügend Schulplätze in der Oberstufe geben, um alle Pankower Schüler*innen selbst versorgen zu können, denn die Zahlen steigen jährlich. Bereits im Schuljahr 2020/2021 habe der Bezirk nicht allen Schulplatzwünschen nachkommen können, rund 500 Schüler*innen mussten damals berlinweit verteilt werden, die Klassengrößen seien so weit wie möglich ausgereizt worden.
Weil Kinder in Berlin im Oberschulbereich grundsätzlich ihren Schulplatz berlinweit frei wählen können, steht der Bezirk vor Schwierigkeiten. „Die Erfahrungen der letzten Jahren zeigen jedoch, dass es an einzelnen Schulen zu erheblichen Übernachfragen kommt, so dass oftmals Auswahlverfahren stattfinden“, heißt es im Schulentwicklungsplan. Aufgrund des berlinweiten Ungleichgewichtes bei der Schulplatznachfrage finden daher jährlich sogenannte Ausgleichskonferenzen zwischen den Bezirken und der zuständigen Senatsverwaltung statt, um die Schulplatzvergabe koordiniert und zeitnah zu gestalten.
Schulen platzen aus alle Nähten
Gleichzeitig möchte der Bezirk weitere Modulbauten nutzen, um temporär Standorte zu erweitern und größere Klassen zu ermöglichen. Krössin reicht das nicht. Momentan werde immer nur für ein Jahr geplant, das müsse sich ändern, sagt sie. Doch allein schaffe der Bezirk das nicht – das sei eine stadtweite Aufgabe.
Katja Ahrens fordert daher Lösungen für das andauernde Problem, der Berliner Senat müsse jetzt schnell handeln. „Die Zeiten, in denen Schülerinnen und Schüler im Klassenraum etwas zusammenrücken konnte, sind vorbei. Die Schulen – und besonders die Gymnasien im Bezirk – platzen aus allen Nähten!“, kritisiert sie. Bauvorhaben müssten dringend vorgezogen werden, der Bezirk Pankow benötige personelle Unterstützung für die Beschleunigung der Planungs- und Vergabeverfahren und alternative Raum-Sharing-Konzepte. Es sollten dezentrale Unterrichtsformen ausgearbeitet und rechtssicher gemacht werden. Darüber hinaus brauche Pankow dringend Lehrpersonal. Für das kommende Schuljahr und die neuen Siebtklässler*innen ist das bereits zu spät. Sie müssen vorerst mit den provisorischen Lösungen leben.
Titelfoto: lourdesnique/Pixabay