Weil sich für Novellen und Kurzgeschichten oft nur schwer ein Verlag findet, haben Andreas Baum und Klaus Ungerer einfach selbst einen gegründet: Die edition schelf.
Wie mutig ist es, in diesen Zeiten zu zweit einen eigenen Verlag ins Leben zu rufen? Ich treffe Klaus Ungerer und Andreas Baum an einem sonnigen Vormittag im Café „Lass uns Freunde bleiben“, einer Institution im Kiez rund um den Teutoburger Platz und ein Ort, den wir alle drei sehr schätzen. Im Herbst 2021 haben die Beiden ganz in der Nähe die edition schelf aus der Taufe gehoben – denn mit der Literaturbranche kennen sie sich gut aus.
Klaus Ungerer debütierte 2008 mit seinem Roman „Alles über die Welt“, Andreas Baum schrieb 2016 in „Wir waren die neue Zeit“ über seine Erfahrungen als Hausbesetzer in der Berliner Nachwendezeit. Beide wildern außerdem in den Feuilletons der großen Zeitungen und dem Radio. Und sie schreiben mit Vorliebe Geschichten im Kurzformat. Doch dass sich Novellen und Erzählungen nur schwer verkaufen lassen, wissen sie ebenfalls.
Also verlegen sie ihre Texte jetzt einfach selbst. Zwei haben sie bereits herausgegeben, zwei weitere sollen dieses Jahr noch folgen. Für die Gestaltung haben sie Grafikerin Anusch Thielbeer ins Boot geholt; Presse, Vermarktung und Vertrieb nimmt das Duo selbst in die Hand. Losgelöst vom strengen Zeitplan der großen Verlage – die meist ein üppiges Programm im Frühjahr und eins im Herbst veröffentlichen – erscheinen ihre Bücher eben erst dann, wenn sie fertig sind. Die Resonanz sei bisher sehr gut, erzählen sie mir.
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Große Pläne für die Zukunft
So flexibel wie Baum und Ungerer hinsichtlich der Erscheinungsdaten sind, so vielfältig sind auch die Themen, über die sie schreiben. Baums erste im hauseigenen Verlag publizierte Novelle „Hier bist du sicher“ erzählt die Geschichte eines deutschen Lehrers, der die Unruhen im afghanischen Herat 2004 erlebt und trotzdem vor Ort bleibt, während alle Ausländer*innen das Land verlassen. Klaus Ungerer lässt in „Das Fehlen“ seinen melancholischen, frisch verlassenen Protagonisten durch Prenzlauer Berg streifen; die Stadtkulisse wird zur Projektionsfläche für einen sehnsuchtsvollen inneren Monolog voller Assoziationen und Erinnerungsfetzen.
Die Definition einer Novelle, die nach Goethe ein „seltsames, unerhörtes Ereignis“ schildert, legen beide Autoren dabei ebenfalls locker aus. „Eine Novelle ist für mich ein Text, der auf wenigen Seiten eine Geschichte erzählt, ohne dass ein allwissender Erzähler Hintergrundinformationen liefert und durch die Zeitebenen springt“, sagt Ungerer. Dass sein im Sommer erscheinender Text „Wir sagen einfach, wovor wir Angst haben“ wie das erste Buch ebenfalls von Liebe handelt, ist kein Zufall: „Das Thema gibt einfach viel her.“ Auch von Baum wird es neues geben. „Falken klauen“ lautet der Titel und Vögel spielen darin tatsächlich eine Rolle.
Dass Literatur ihre große Leidenschaft ist, merkt man Andreas Baum und Klaus Ungerer mit jedem einzelnen Wort an. Für die Zukunft der edition schelf haben die beiden Schriftsteller aus Prenzlauer Berg daher etliches geplant: So sollen in der nicht nur ihre eigenen Texte, sondern zusätzlich die anderer Autor*innen erscheinen – von wem, verraten sie aber noch nicht.
Titelbild: Klaus Ungerer (links) und Andreas Baum / Foto: Anusch Thielbeer