Während Mitte einfach macht, zählt Pankow noch: Wenn es um die Umsetzung von Verkehrsprojekten geht, braucht man in Prenzlauer Berg einen langen Atem.
Geschützte und markierte Radwege, Fahrradstraßen und Kiezblocks werden seit einigen Jahren in fast allen zwölf Berliner diskutiert. Auch in Pankow gibt es dazu etliche Ideen, fast in jeder Bezirksverordnetenversammlung verabschieden die Verordneten einen Antrag zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr verabschiedet. Und oft passiert danach sehr lange: nichts.
Zum Beispiel im Blumenviertel. Das kleine Wohngebiet nördlich der Storkower Straße ist ein friedlicher Kiez mit Einfamilienhäusern, in den Vorgärten sind die Blumenbeete gepflegt und von Gartenzwergen gesäumt. Eine Gegend, wie sie idyllischer nicht sein könnte – wenn nicht der ganze Durchgangsverkehr wäre. Zahlreiche Autofahrer*innen nutzen den Stedingerweg als Abkürzung, um von der Kniprodestraße auf die Landsberger Allee zu gelangen und so den Stau auf der Storkower Straße zu umgehen.
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Kampf gegen Windmühlen
Mark Zuckermann will sich damit nicht mehr abfinden. Er wohnt seit langem im Blumenviertel und kämpft seit über zwanzig Jahren dafür, seinen Kiez zu einer verkehrsberuhigten Zone zu machen. Was er früher übrigens auch mal war: In den 1980er Jahren war der Stedingerweg eine Einbahnstraße, wurde später sogar an der Ecke Sigridstraße durch Blumenkübel komplett für die Durchfahrt gesperrt. Doch 1992 hob das Bezirkamt die Sperrung und Einbahnstraßenregelung wieder auf, seitdem nimmt der Verkehr in der Gartensiedlung stetig zu. Zuckermann hat längst den Eindruck, gegen Windmühlen zu kämpfen. „Ich verstehe nicht, warum die Politik immer wieder zögert, hier Maßnahmen zu ergreifen“, sagt er.
Dabei gab es in den vergangenen Jahren diesbezüglich mehrere Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung. Im Herbst 2019 stellten die Pankower Fraktionen mehrheitlich die erhöhte Gefahrenlage rund um den Stedingerweg und die anliegende Grundschule im Blumenviertel fest und verabschiedeten den Antrag, die Straße für den Durchgangsverkehr zu schließen. Das Bezirksamt veranlasste daraufhin eine Verkehrszählung, bei der ebenfalls eine erhöhte Gefahr nachgewiesen wurde, die die „Erprobung einer Sperrung“ rechtfertigen würde, wie es in einem Zwischenbericht von Dezember 2020 heißt.
Doch der Schleichverkehr fließt weiterhin durch das Viertel. Die Pankower SPD hakte noch einmal beim Bezirksamt nach und bekam die Antwort: Die Schließung einer Straße könne nicht rechtssicher allein aufgrund eines BVV-Beschlusses veranlasst werden, außerdem sei die Gefahrenlage bisher nur eine Annahme – es müsse noch eine weitere Verkehrszählung durchgeführt werden. Das kostet Geld und Zeit. Mark Zuckermann kann über so viel Bürokratie nur den Kopf schütteln.
Mitte probiert es einfach aus
Dass es bei Verkehrsprojekten anders geht, zeigen die Nachbarbezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Hier macht man schneller Nägel mit Köpfen: In der Kreuzberger Wrangelstraße hindern seit 2019 Poller Autofahrer*innen an der Durchfahrt, zahlreiche Fahrradwege auf den Hauptstraßen wurden binnen weniger Wochen mit Pollern vom Autoverkehr abgetrennt – in Pankow kommt die Umsetzung des geschützten Radwegs an der Behmstraße hingegen nicht voran und die Umwidmung der Stargarder Straße zur Fahrradstraße ist bis heute mit Problemen verbunden.
Der Bezirk Mitte richtete im Dezember 2021 den ersten Kiezblock rund um die Bellermannstraße im Wedding ein; von der ersten Planung bis zur Umsetzung war ein knappes Jahr vergangen. Ob die Diagonalsperren wirklich zu einer Verkehrsberuhigung beitragen? Mitte probiert es einfach aus. In zwölf Gebieten sind laut Bezirksstadträtin Dr. Almut Neumann weitere Kiezblocks geplant.
Mit milden Mitteln beginnen
Auch Pankow beschäftigt sich seit längerem mit Kiezblocks. Insgesamt 19 Gebiete eignen sich laut Bezirksamt dafür, unter anderem der Kollwitzkiez und die Straßen am Helmholtzplatz. Getestet wird das zunächst aber an zwei anderen Stellen: im Weißenseer Komponistenviertel und am Arnimplatz. Doch während in Weißensee im Sommer mit Verspätung endlich eine einjährige Probephase startet, zählt man im Arnimkiez weiterhin die durchfahrenden Autos. Ab Herbst sollen dann erste Maßnahmen umgesetzt werden, angefangen bei „milderen Mitteln“ wie Geschwindigkeitsreduzierungen und Fahrbahnverengungen, so Bezirksstadträtin Rona Tietje (SPD).
Ein Grund für die Verzögerung ist die Ablehnung des Projekts als Verkehrsversuch; das hatte der ehemalige Grünen-Stadtrat Vollrad Kuhn bei der Senatsverkehrsverwaltung beantragt. Die beabsichtigen Verkehrsmaßnahmen seien allerdings hinreichend bekannt und müssten nicht erprobt werden, so der Senat. Pankow ist deshalb nun für alle Anordnungen selbst zuständig, was nicht nur Zeit und Personal, sondern auch Mut erfordert. Vielleicht können die anderen Bezirke da weiterhelfen?
Titelbild: Schleichverkehr im Blumenviertel / Foto: Julia Schmitz