Weil eine Kiezinitiative in der Carl-Legien-Siedlung zwei Bäume im Vorgarten pflanzte, droht ihnen nun ein hohes Bußgeld. Grund ist angeblich der Denkmalschutz.
Bäumchen, wechsel dich: Während die Anwohner*innen in der Hagenauer Straße Geld vom Berliner Senat bekommen, damit in ihrer Straße endlich Grün gepflanzt werden kann, ist die Situation ein paar Kilometer weiter nordöstlich andersrum: Die Carl-Legien-Siedlung soll baumlos bleiben. Beziehungsweise wieder werden, denn aktuell ist sie es nicht. Nachdem das Straßen- und Grünflächenamt zwei Bäume in der Gubitzstraße fällte, pflanzte die Anwohnerinitiative „Grüner Carl“ im Frühjahr zwei neue in den Vorgartenstreifen der Siedlung, die seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Laut Angaben der Kiezinitiative hatte das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) nicht auf Vorschläge der Anwohner*innen reagiert, bereits gefällte Bäume zu ersetzen.
Doch Ende Oktober erhielten diese überraschend Post vom SGA: Die Bäume sollten innerhalb von 14 Tagen entfernt werden, ansonsten drohe ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Dabei berief sich das SGA auf die Feststellung des Denkmalamtes, dass es bei der Gestaltung der Vorgärten keine Bäume gegeben habe.
„Die von den Einwohnern eigenmächtig gepflanzten Bäume, stellen daher einen unerlaubten Eingriff ins öffentliche Straßenland dar“, ergänzt die Bezirksstadträtin für Manuela Anders-Granitzki (CDU) auf unsere Anfrage. Tatsächlich sind die Vorgärten in der Gubitzstraße gar kein Privateigentum und somit über den Denkmalschutz hinaus in der Hand des Bezirks.
Nach einem öffentlichen Protest der Anwohner*innen, einer kleinen Anfrage des Bezirksverordneten Axel Lüssow (Bündnis 90/Die Grünen) und medialer Berichterstattung zeigt sich das Bezirksamt jetzt aber gesprächsbereit. Während der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Mittwoch bestätigte Anders-Granitzki, dass die Bäume vorerst nicht gefällt würden.
„Man hat sich anscheinend, als der Welterbestatus kam, zurückgelehnt“
Der Sprecher der Kiezinitiative Carel Mohn ist froh, dass nun Bewegung in die Sache kommt. „Denn man hat sich anscheinend, als der Welterbestatus kam, ein bisschen zurückgelehnt und die Dinge sich selbst überlassen. Aber jetzt sind wir 13 Jahre später und es stehen neue Fragen an – insbesondere der Klimawandel“, sagt er. In Berlin werde es zukünftig immer häufiger das Problem geben, dass sich Innenstadtquartiere durch langanhaltende Hitzewellen immer mehr aufheizen. Dies könne für ältere und kranke Menschen durchaus Folgen haben, erklärt er.
Aus diesem Grund könne es nicht einfach so weitergehen, sagen die Anwohner*innen, es brauche neue Ansätze. Ihre Bäume gehören dazu. Dass es eine Änderung braucht, sieht der Bezirk Pankow auch so. Eigentlich. Vor zwei Jahren hatte die BVV den Klimanotstand ausgerufen. Damals hieß es, die Eindämmung der Klimakrise und ihre schwerwiegenden Folgen habe höchste Priorität. Die BVV bevorzuge Lösungen, die sich positiv auf Klima- und Umweltschutz auswirken.
Recht bleibt Recht
Dennoch beharrt das Bezirksamt auch weiterhin darauf, dass die Straße baumfrei wird. „Grundsätzlich begrüßen wir bürgerschaftliches Engagement für den Klimaschutz, sofern es im Einklang mit geltendem Recht steht“, sagt Anders-Granitzki. Das Berliner Denkmalschutzgesetz schreibe vor, das authentische Erscheinungsbild der Carl-Legien-Siedlung zu erhalten. Dort, wo diese sich nicht in einem authentischen Zustand befinde, sei das Erscheinungsbild langfristig wiederherzustellen. Das SGA prüfe gerne, ob eine Bepflanzung mit Büschen möglich sei. Die bereits gepflanzten Bäume könnten in eine nahe gelegenen Grünanlage oder eine entsprechende Privatfläche umgesetzt werden.
Um so absurder wirkt daher das Vorgehen des SGA, das 2017 in der gleichen Siedlung einen Baum im Rahmen der Stadtbaumkampagne pflanzte. Die Baumpflanzung sei jedoch „aufgrund mangelnder Abstimmung zwischen dem SGA und der Unteren Denkmalschutzbehörde“ erfolgt, sagt Anders-Granitzki.
Einen Mittelweg finden
Julia Schneider, die für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt und die Kiezinitiative von Beginn an unterstützt hat, kritisiert das Vorgehen. Die Themen Denkmalschutz und Klimaanpassung passten oft nicht zusammen, sagt sie. Es gebe zahlreiche Gebäude, die konstruiert wurden, als es noch keine Klimakrise gegeben habe. Auch die Wohnstadt Carl Legien sei so ein Fall. Die Siedlung wurde nämlich von 1928 bis 1930 gebaut – das Thema Klimawandel kam erst Jahrzehnte später auf. „Denkmalschutz hat auch mit den Menschen zu tun, die da drin leben und wohnen sollen. Da muss man einfach einen guten Mittelweg finden“, fordert Schneider.
Tatsächlich hat die UNESCO dazu bereits 2015 auf ihrer Generalversammlung einen Beschluss verfasst. Darin heißt es unter anderem, dass die Vertragsstaaten in angemessener Weise anerkennen sollen, dass die Welterbe-Erhaltungs- und Managementstrategien, die eine Perspektive der nachhaltigen Entwicklung einbeziehen, nicht nur den Schutz des außergewöhnlichen universellen Wertes einschließen, sondern auch das Wohlergehen gegenwärtiger und künftiger Generationen.
Neue Konzepte, neue Wohnstädte Carl Legien?
Die Bezirksstadträtin Rona Tietje für Stadtentwicklung und Bürgerdienste (SPD) weißt daraufhin, dass das Landesdenkmalamt eine Leitlinie für Siedlungen wie die Wohnstadt Carl Legien anstrebe, in der auch das Engagement der Anwohnerschaft einbezogen werden solle. Nur durch umfassende Mitwirkung und Teilhabe aller Akteur*innen auf allen Ebenen könne der langfristige Erhalt der Welterbestätte gewährleistet werden.
Tatsächlich fordern die Anwohner*innen, dass nun endlich ein Konzept entwickelt wird, in dem ihre eigenen Bedürfnisse, der Denkmalschutz und die Anpassung an die Klimakrise beachtet werden. Um gemeinsam eine Lösung zu finden, möchte die Kiezinitiative mit den verschiedenen Parteien und Fachleuten ins Gespräch kommen und schlägt dafür eine Zukunftswerkstatt vor. Sowohl Manuela Anders-Granitzki als auch Rona Tietje haben bereits angekündigt, mit der Kiezintitiative sprechen zu wollen.
Titelfoto: Julia Schmitz
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2 Kommentare
Gut das es bei der Denkmalsschutzbehördenoch Menschen gibt die nicht so verschwurbelt grűne Ansichten haben und die da klein bei geben. Nur weil Anwohner denken sie kõnnten űberall auf fremden Grund und sich austobe, denen sollte man endlich die mal klare Linie zeigen is warum wűrde da nichtscholängst klare Verhältnisse geschafft undnauf Kosten dieseökospinnerdie Bäume umgesetzt wenn icht schon längstngefällt. Es gibt nun mal Gesetze Die auch fűr grűne Schwurbler gelten.
Ich habe gerade den Bericht auf extra gesehen,
nur gut das ich nicht in Berlin sondern Potsdam lebe. Berlin hat doch schon genug Beton. Ich bin keiner von den Grünen, aber wenn da Bäume gestanden haben, sollten die auch wieder nachgepflanzt werden. Wenn ich auf meinem Grundstück einen Baum fälle, muss ich den ja auch wieder nachpflanzen. Wenn ich den Spinner vom Bezirksamt sehe mit der freien Sicht auf das Haus, dann wird mir nicht besser.