Nach der Zählgemeinschaft mit den Pankower Linken gab die SPD jetzt bekannt: Es wurde auch eine Vereinbarung mit der CDU unterschrieben. Lassen sich die Positionen von rot und schwarz zusammenbringen?
Zu den Spekulationen, ob der am Dienstag vereidigte Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) mit den Stimmen der AfD in sein Amt gewählt wurde oder ob Verordnete der CDU womöglich doch entgegen öffentlicher Mitteilung von der Parteilinie abgewichen und mit Ja gestimmt haben, wollte man sich lieber nicht mehr äußern. „Dazu sei bereits alles gesagt“, hieß es in der gemeinsamen Pressekonferenz der Pankower Fraktionen von SPD und CDU am Dienstag. Nur so viel: Ja, es habe eine Nebenabrede gegeben – aber nur dahingehend, dass sich die Parteien gegenseitig unterstützen würden, um ihre Kandidatinnen Rona Tietje (SPD) und Manuela Anders-Granitzki (CDU) in das Amt der Bezirksstadträtinnen zu wählen.
Die parteiliche Rückendeckung ist auch in der Kooperationsvereinbarung vermerkt, die die beiden Parteien für die kommende Legislaturperiode von 2021 bis 2026 unterzeichnet haben. Denn obwohl SPD und CDU in den vergangenen Jahren bei bezirkspolitischen Anträgen und Projekten häufig entgegengesetzte Positionen vertraten, hat man offensichtlich dennoch Gemeinsamkeiten entdeckt, die für eine Zusammenarbeit reichen. Einig ist man sich vor allem darin, dass dringend „Defizite in den Bereichen Stadtentwicklung, Straßen- und Grünflächenamt sowie bei den Bürgerdiensten“ behoben werden müssen; Ressorts, die bis vor Kurzem von Vollrad Kuhn (Grüne) geleitet wurden und jetzt in den Händen von SPD und CDU liegen.
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Verkehr, Bauen, Spielplätze
Die CDU hatte Kuhns Amtsführung wiederholt kritisiert und ihm vorgeworfen, unter anderem für die „Causa Colosseum“ verantwortlich zu sein; Kuhn hatte damals einen Bauvorbescheid für das Grundstück an der Schönhauser Allee bewilligt, ohne nachzuprüfen, was sich dort eigentlich befindet. Auch mit der CDU hatten die Grünen Gespräche über die kommende Legislaturperiode ohne Erfolge geführt: „Bei den Grünen ging es weniger um Inhalte und in erster Linie um die Wahl ins Bezirksamt“, so Dirk Stettner (CDU). SPD und Grüne kamen ebenfalls auf keinen gemeinsamen Nenner. Man habe kein gegenseitiges Vertrauen aufbauen können, der Dissenz über zukünftige Projekte in Pankow sei ebenfalls zu hoch gewesen, so Tietje.
Das rot-schwarze Duo hat sich nun vor allem das Thema Verkehr auf die Fahnen geschrieben: „In der Verkehrspolitik handeln wir nach dem Prinzip ‚Angebote statt Verbote‘. Wir wollen den Umweltverbund durch punktgenaue, bedarfsorientierte Angebote verbessern, um es attraktiver zu machen, ihn häufiger zu nutzen“, heißt es in der Vereinbarung. Konkret meinen die Parteien damit eine Verlängerung der U2 nach Pankow-Kirche sowie die Planung der U10 nach Weißensee. Einig ist man sich ebenfalls darin, dass im Bezirk mehr gebaut werden müsse; allerdings erst, wenn vor Baubeginn die notwendigen Verkehrsanbindungen vorliegen.
Kümmern will man sich aber auch verstärkt um das, was bereits da ist. Die Spielplätze im Bezirk, von denen etliche aufgrund von dringendem Sanierungsbedarf derzeit gesperrt sind, sollen priorisiert behandelt, neue gebaut werden. Parks und Grünflächen sollen sauberer und attraktiver werden; das künftig von Manuela Anders-Granitzki geführte Ordnungsamt wird dafür auch stärker im Norden des Bezirkes tätig werden. Kleingärten sollen planungsrechtlich langfristig gesichert werden.
Und der Klimaschutz? Vor zwei Jahren hatte der Bezirk Pankow den Klimanotstand ausgerufen, seitdem müssen alle Anträge dahingehend geprüft werden. Damals war der Antrag von der SPD eingereicht worden – die CDU stimmte dagegen. Kommen Klima und Umwelt in der Vereinbarung zwischen CDU und SPD deshalb nicht vor? Die Vereinbarung mit der CDU sei anders konzipiert als die Vereinbarung mit der Linken, sagte Rona Tietje auf unsere Nachfrage; denn darin werden explizite Projekte genannt, darunter auch der Ausbau von Radwegen in den nördlichen Stadtteilen. „Ich denke es besteht Einvernehmen darüber, dass auch hier die Belange des Klimaschutzes zu berücksichtigen sind, auch wenn das nicht ganz explizit drinsteht“.
Colosseum wieder zum Kino machen
Auch eines der lokal am heißesten diskutierten Themen, das Colosseum, wird in der Kooperationsvereinbarung nicht genannt, doch bezieht die SPD dazu klar Stellung: Man will das Kino in kommunales Eigentum überführen und das Grundstück mit Unterstützung der Landesebene ankaufen, um in Zukunft dort wieder den Kinobetrieb zu ermöglichen. Mitglieder der Partei waren vor kurzem auch an der Gründung der Genossenschaft beteiligt. Die CDU gibt sich bei dem Thema deutlich verhaltener. Die kulturelle Nutzung müsse gesichert werden, so Dirk Stettner. „Aber erstmal müssen wir einen Weg finden, diese auch zu garantieren“. Von einem vorschnellen Ankauf von Liegenschaften halte seine Partei nichts. In vergangenen Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) waren Mitglieder von SPD und CDU bei dem Thema immer wieder aneinandergeraten.
23 Projekte und Themenbereiche sind es, bei denen es in Zukunft zu einem rot-schwarzen Schulterschluss kommen soll. Die CDU sieht dabei auch trotz der Zählgemeinschaft zwischen SPD und Linke ihren „Unvereinbarkeitsbeschluss“nicht gefährdet: „Wir haben keine Kooperationsvereinbarung mit der Linken geschlossen, das würden wir auch nicht tun“, so Dirk Stettner. Man sei aber der Meinung, dass man mit der wechselnden Zusammenarbeit der Parteien das Beste für den Bezirk erreichen könne.
Ressorts sind verteilt
Am Dienstag wurden nun die neuen Stadträte und Stadträtinnen vereidigt und bekanntgegeben, welche Ressorts sie übernehmen: Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) verantwortet zukünftigt Personal- und Finanzservice, Steuerungsdienst, Büro für Bürgerbeteiligung, Wirtschaftsförderung, Facility Management, die Beauftragten, die Pressestelle und das Rechtsamt. Die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Dr. Cordelia Koch (Grüne) übernimmt das Sozial- und Gesundheitsamt; Rona Tietje (SPD) ist für Stadtentwicklung und Bürgerdienste zuständig. Ordnungsamt, Straßen- und Grünflächenamt sowie Umwelt- und Naturschutzamt gehen an Manuela Anders-Granitzki (CDU); Cornelius Bechtler (Grüne) führt in Zukunft das Jugendamt und Dominique Krossin (Linke) das Schul- und Sportamt sowie das Amt für Weiterbildung und Kultur.