Buchhandlung

„Viel Gluck mit die Bücher“

von Julia Schmitz 1. November 2021

Im Winskiez hat Verleger Peter Graf einen kleinen Buchladen eröffnet – mit besonderem Schwerpunkt. Ein Besuch vor Ort.


Die Wände sind in sattem Pink und Blau gestrichen, auf einem Tisch in der Mitte des Raumes liegen akkurat angeordnete Bücher; ein kleines Sofa lädt dazu ein, sich zum Stöbern alle Zeit der Welt zu lassen. Vor kurzem hat Peter Graf, Verleger bei Walde & Graf und Das kulturelle Gedächtnis, in seinen Büroräumen in der Heinrich-Roller-Straße 7 eine kleine Buchhandlung eröffnet: „Viel Gluck mit die Bücher“.

Die hat einen ganz besonderen Fokus: Hier werden ausschließlich Titel aus unabhängigen Verlagen verkauft; Publikationen aus den großen Konzernverlagen müssen außen vor bleiben. „Natürlich sagt es nichts über die Qualität oder den Inhalt eines Buches aus, in was für einer Verlagsstruktur ein Buch erscheint“, so Graf. Doch unabhängige Verlage bekämen meist weniger Aufmerksamkeit, da sie weniger Budget für Werbung und Presse zur Verfügung hätten.
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Graf

Foto: Julia Schmitz

 

Ergänzung statt Konkurrenz

Im Winskiez bekommen sie nun die größtmögliche Zuwendung. 82 Verlage mit jeweils zehn aktuellen und älteren Titeln sind vor Ort verfügbar; das klingt viel für zwei kleine Verkaufsräume, bildet aber tatsächlich nur einen kleinen Teil der unabhängigen Verlagslandschaft ab. Wer literarische Belletristik oder Sachbücher sucht, findet hier sicherlich etwas; auch eine kleine Auswahl an Krimis, Hörbüchern und Kochbüchern ist verfügbar. Bücher aus unabhängigen Verlagen können über ihn bestellt werden, für alle anderen Wünsche verweist er auf die unweit gelegenen Kiezbuchhandlungen, darunter Die Insel auf der Greifswalder Straße oder die Theaterbuchhandlung Einar & Bert, die sich ebenfalls in der Heinrich-Roller-Straße befindet. „Ich will keine Konkurrenz zu den bereits vorhandenen Buchhandlungen sein, sondern eine Ergänzung“, betont Graf.

Die von ihm verlegten Bücher dürfen in dem Zusammenhang natürlich auch nicht fehlen: Seit 2017 betreibt der gebürtige Kölner mit drei Freunden den Verlag Das kulturelle Gedächtnis. Die acht Titel pro Jahr bilden ein Spektrum ab, das von Texten über das jüdische Scheunenviertel oder die Gartenstadtbewegung um die Jahrhundertwende, Gedichten von John Keats und Wortschönheiten aus dem Grimm’schen Wörterbuch bis hin zu Texten aus der aktuellen Protestbewegung in Belarus reicht.

 

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„Das kulturelle Gedächtnis“ publiziert wiederentdeckte Texte / Foto: Julia Schmitz

 

Gegen das Vergessen

Bei den meisten Publikationen handelt es sich um wiederentdeckte Texte, die Graf und seine Kollegen zum Beispiel in Archiven oder in Literaturkritiken aus den Anfängen des Jahrhunderts entdecken. „Unser, zugegeben etwas hochtrabend klingender Titel ‚Das kulturelle Gedächtnis‘ suggeriert ja schon, dass sich die Bücher in einer Form mit der Vergangenheit beschäftigen“, erklärt Graf. „Uns interessiert das immer dann, wenn es eine Verbindung zur Gegenwart gibt; wenn Diskurse, die uns heute beschäftigen, auch in der Vergangenheit schon Thema waren.“

Wichtig ist ihnen, dass alle Bücher einen Wiedererkennungswert besitzen, der durch ein ähnliches Layout der Titelseite entsteht. „Der Verlag ist nicht auf Wachstum ausgelegt; alles, was wir mit den Büchern verdienen, fließt anschließend wieder in ihn zurück. So können wir die Bücher kompromisslos in der Ausstattung machen, die wir machen wollen“, erzählt der Verleger. Das kommt gut an: Manche Bücher erscheinen bereits in der fünften Auflage.

 

„Eine sehr kommunikative Straße“

Neben dem Verkauf von Büchern will Graf den Laden in Zukunft stärker zu einem Ort für die Kiezbewohner*innen ausbauen. Denn die sind im Winskiez besonders sympathisch, findet er: „Seit ich in der Heinrich-Roller-Straße sitze, habe ich diese wirklich ins Herz geschlossen: es ist eine sehr kommunikative Straße mit netten Menschen. Ich wollte mit dem Buchladen stärker Teil der Nachbarschaft werden.“ Sobald die Pandemie es zulasse, sollen Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden, bei denen ungezwungen über Literatur geredet werden könne.

Und wie kommt es eigentlich zu dem ungewöhnlichen Namen? „Viel Gluck mit die Bücher“, das habe ihm sein damaliger amerikanischer Mitbewohner Anfang der 1990er Jahre gesagt; Graf absolvierte zu der Zeit sein erstes Verlagspraktikum in Prenzlauer Berg. Den charmanten Spruch hat er sich zu Herzen genommen – dreißig Jahre später prangt er nun als Motto über dem kleinen Ladengeschäft im Winskiez.

„Viel Gluck mit die Bücher“, Heinrich-Roller-Straße 7, 10405 Berlin

Titelbild: Julia Schmitz

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