Wer will für unseren Kiez in den Bundestag? Wir haben die Direktkandidat*innen für Prenzlauer Berg und Prenzlauer Berg Ost zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl gebeten. Teil 7: Volt Deutschland*.
Am 26. September werden auch in Prenzlauer Berg die Kreuze für die Bundestagswahl gemacht. Aber wer steht eigentlich zur Wahl in unserem Stadtteil? In den kommenden Wochen stellen wir die jeweiligen Kandidat*innen der verschiedenen Parteien vor – alle bekommen dabei die gleichen Fragen gestellt.
Im letzten Teil sprechen wir mit Paul Loeper (Wahlkreis Pankow), warum er für Volt Deutschland in den Bundestag möchte und was für Ideen er hat. Getroffen haben wir ihn am Wasserturm.
Dies ist ein Text aus unserem Schwerpunkt
Wahljahr 2021
Warum wollen Sie in den Bundestag?
Das teile ich mit ganz vielen anderen Leuten bei Volt: Wir alle sind der Überzeugung, dass wir die riesigen Herausforderungen – wie Klimawandel, Globalisierung und Migration – eigentlich nur richtig angehen können, wenn wir auf der einen Seite wirklich grenzübergreifend, europäisch zusammen arbeiten und auf der anderen Seite die Dinge auch vor Ort angehen. Was meiner Meinung nach momentan im Bundestag fehlt, ist eine wirkliche europäische Perspektive. Wir haben nur nationale Parteien im Parlament. Gerade der Deutsche Bundestag ist ein extrem wichtiges Parlament in ganz Europa, in dem wirklich Europapolitik gemacht wird – eben aus einer deutschen Perspektive. Was ich unheimlich gerne machen würde ist, dass man aus dem Bundestag heraus mit unseren Europa-Abgeordneten, wie den niederländischen Parlamentariern, zusammen darüber nachdenkt, was wir gemeinsam machen können. Das ist das eine. Das andere ist auch, dass so eine Direktkandidatur ganz eng mit unserem Bezirksteam hier vor Ort verbunden ist. Wir wollen daran arbeiten, dass diese Visionen und Ziele, die wir auf europäischer Ebene festgelegt haben, am Ende auch vor Ort umgesetzt werden können. Europäisch denken, lokal handeln ist unser Motto. Um das wirklich zu verankern, möchte ich in den Bundestag.
Warum sollen die Bürger*innen ausgerechnet Sie wählen?
Einerseits, weil ich in den letzten vier Jahren als Aktivist immer daran beteiligt war, Menschen in Politik einzubinden, die vorher noch nie Politik gemacht haben. 80 Prozent der Mitglieder bei Volt waren davor politisch nicht aktiv. Genau diesen Ansatz würde ich unheimlich gerne als Direktkandidat nach Pankow und Prenzlauer Berg bringen. Dass man daran arbeitet, Menschen, die sich sonst nicht so viel mit Politik beschäftigen, mitzunehmen und denen zu zeigen, was man auch selbst alles bewegen kann.
Welches Thema liegt Ihnen in Ihrem Wahlkreis besonders am Herzen?
Für mich sind es eigentlich drei Themen. Bei Volt bin ich wegen der europäischen Zusammenarbeit und der Reform der Europäischen Union. Und das Herzensthema für mich ist Bildung – was jetzt wahrscheinlich ganz, ganz viele sagen werden und wo man sich eigentlich umso mehr wundert, dass da noch nichts umgesetzt wurde. Das andere, das eigentlich ein Verstandsthema ist, ist die Verwaltungsreform. Wenn man hier in Berlin mit Menschen spricht, ist es immer wieder das gleiche Thema. Wir haben zwar in Berlin viele Gesetze, aber sie werden nicht umgesetzt, weil die Verwaltung nicht richtig funktioniert. Ich finde, gerade im Bildungsthema kann man unheimlich gut zeigen, was das Potenzial von pan-europäischer Politik ist. Wir haben ein Bildungssystem, das aus dem Jahr der Industrialisierung stammt und uns nicht mehr darauf vorbereitet, wie die Welt heute funktioniert – weil sie schneller geworden ist und ganz andere Dinge gefragt sind. Da kann man sich unglaublich gut an Finnland orientieren, die ein Bildungssystem haben, in dem wirklich jeder Schüler und jede Schülerin einen individuellen Bildungsplan hat. Das heißt, es gibt keinen Bildungsplan für die ganze Klasse, sondern jedes Kind hat zusammen mit den Eltern und Lehrern einen Bildungsplan erarbeitet, entlang dessen sich das Kind auch entwickelt. Das ist eine Sache, die wir in Deutschland und gerade hier in Berlin unglaublich gut zur Anwendung bringen können, weil wir durch den Föderalismus relativ viel Raum haben, das hier auszuprobieren. Dass man wirklich zu jeder Schule geht und fragt: „Wie können wir es schaffen, mit euch individuelle Lehrpläne zu erarbeiten?“ Wir können Finnland als Beispiel nehmen und am Ende auch mit mehr Schulautonomie dafür sorgen, dass das schneller passiert als jetzt gerade, wo immer wieder versucht wird, sich neue Pläne selbst auszudenken, anstatt sich Modelle anzugucken, die schon funktionieren.
Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Wir haben das eigentlich auf allen Ebenen, dass wir sagen, wir wollen, dass sich was verändert. Was man hier in Berlin sieht, ist, dass eigentlich genug Geld da wäre. Es wird auch vom Senat zur Verfügung gestellt, um zum Beispiel Schulen zu digitalisieren und zu modernisieren, aber die Gelder werden nicht abgerufen. Da sieht man wieder, dass es eigentlich ein Verwaltungsproblem ist. Die Schulverwaltung unterstützt die einzelnen Schulen nicht genug, um diese neuen Projekte umzusetzen. Das heißt, dafür muss die Verwaltung verändert werden. Wir wollen einen Digitalisierungssenat einführen, der gleichzeitig dafür zuständig ist, die Arbeitskultur zu verändern. Wir wollen nicht einfach nur eine neue Behörde schaffen, sondern ein Ministerium, das nur ein Viertel feste Mitarbeiter hat. Drei Viertel der Mitarbeiter kommen aus anderen Behörden in Berlin, um so auf ihre Themen bezogen mit neuen digitalen Instrumenten und einer neuen Arbeitsweise Dinge umzusetzen. Eins der ersten Dinge, die wir da umsetzen würden, ist eine Grundlage, mit der jede Schule digital ausgestattet wird und auch jeder Schüler und jede Schülerin am Ende auch die Mittel hat, um am Unterricht teilnehmen zu können.
Was muss in Prenzlauer Berg dringend verbessert werden?
Jetzt in der Corona-Zeit ist mir aufgefallen, wir haben viel zu wenig Mülleimer. Sobald am Kollwitz Markt ist, ist überall Müll. Ich glaube auch hier, müssen wir gucken, wie unsere Schulen hier aussehen. Das gilt für ganz Deutschland, aber für Prenzlauer Berg genauso. Ich glaube, das Nächste ist, dass das Wohnungsthema richtig angegangen wird. Gerade hier wohnen viele Familien. Wenn du ein Kind bekommst und dann deine Wohnung nicht mehr passt, dann kann das heißen, dass du ganz schnell mal ans andere Ende der Stadt ziehen musst. Da orientieren wir uns bei Volt an einem europäischen Beispiel. Dieses Beispiel kennen inzwischen sicher ein paar mehr Leute: Wien. Es gibt ein ganz konkretes Ziel, auf das wir auch hier in Berlin hinarbeiten können. Das heißt, dass am Ende 60 Prozent aller Wohnungen, die in der Stadt zur Miete stehen, in öffentlicher Hand sind – also entweder in Baugenossenschaften oder in städtischen Wohnbaugesellschaften. Um dieses Ziel zu erreichen, muss mehr gebaut werden. Auch hier in Pankow haben wir im Norden einige Projekte. Familien in Prenzlauer Berg wollen im Zweifel eher nach Pankow umziehen, weil neue Wohnungen entstehen. Dann wird das Mobilitätsthema extrem groß, weil Pankow ein riesiges Nadelöhr ist, durch das die Menschen nach Norden raus wollen. Wie auch nach Buch. Da muss man darüber nachdenken, die Tramlinien weiter auszubauen, sodass nicht nur die S-Bahn da ist. Am Ende müssen die neu entstandenen Wohnungen auch so angebunden sein, dass man auch seine Freunde hier besuchen kann.
Was verbindet Sie persönlich mit Prenzlauer Berg?
Ich bin erst vor vier Jahren hierhergezogen, um an Volt weiterzuarbeiten. Das heißt: Prenzlauer Berg ist irgendwie der Ort, an dem Volt entstanden ist. Wenn man so eine Bewegung aufbaut, dann hat man häufig nicht zu viel Freizeit. Was ein bisschen schade ist. Denn ich kenne den Kiez deswegen viel schlechter als meinen alten: Friedrichshain. Für mich ist Prenzlauer Berg einfach ganz stark mit dem verbunden, was uns ausmacht. Unser Büro ist auch hier in Choriner Straße. Da sind wir seit dem Europa-Wahlkampf und das ist einer der größten Bezirke von Volt.
Warum haben Sie diesen Ort für unser Gespräch gewählt?
Das hat zwei Gründe. Der Grund, warum ich mich bei Volt einsetze, ist für mich 2016 und 2017 gewesen, wo einfach überall auf der Welt Nationalisten und Populisten aufgestanden sind, viele Menschen so verängstigt hat wie mich. Und ich finde der Wasserturm ist immer ein gutes Mahnmal, weil das eins der ersten Konzentrationslager 1933 gewesen ist. Leute wurden festgehalten, um Menschen Angst zu machen und zu zeigen, wo es jetzt lang gehen soll. Für mich ist das immer so ein Zeichen, dass wir uns, glaube ich, nicht in so großer Sicherheit wähnen sollten. Ich glaube, diese Firnis der Zivilisation, die über unserer Gesellschaft ist, kann schnell wegkommen, wenn man in eine richtige Drucksituation kommt. Deswegen müssen wir, glaube ich, alle daran arbeiten, dass wir auch positive Visionen für die Zukunft anbieten können. Dass wir wirklich darüber reden, wo wir eigentlich in 20 Jahren sein wollen. Wie kann unsere Welt dann aussehen? Für mich hat diese Antwort bei ganz vielen etablierten Parteien gefehlt. Ich finde, diese Verunsicherung führt dazu, dass sich mehr Ängste und Sorgen ausbreiten und dass dadurch am Ende die Gefahr auch steigt, dass extremistische Kräfte wieder an Zulauf gewinnen. Und vielleicht muss man auch dazu sagen, ich finde diese ganze Corona-Pandemie, die wir immer noch weiter erleben, hat gezeigt, wie wichtig Orte sind, wo man draußen hingehen kann. Ich wohne hier ganz in der Nähe. Für mich war das immer der Ort, wo ich zwischen den ganzen Zoom-Telefonaten, die die ganze Zeit stattfinden, einmal hinkonnte. Danach ging es einem dann direkt wieder ein bisschen besser.
Was machen Sie, wenn Ihnen Berlin mal so richtig auf den Zeiger geht?
Ich habe schon gelesen, dass da viele die gleiche Antwort geben. Aber für mich ist das ähnlich. Ich fahre unheimlich gerne für Tagestrips einfach raus. Vor allem jetzt Ende September Anfang/Oktober sind immer die Kraniche in Linum. Da sammeln sich wirklich bis zu 100.000 Kraniche. Richtig früh sonntags rausfahren und dann in den Morgenstunden diese Kranichzüge zu sehen – ich finde, das ist eine der tollsten Sachen, die man machen kann in der Freizeit.
Titelbild: Paul Loeper möchte für Volt Deutschland in den Bundestag. / Foto: Christina Heuschen
*Disclaimer: Die Reihenfolge, in der wir die Parteien vorstellen, ist keine Wertung von unserer Seite und auch nicht auf die Stimmzahlen bei der vergangenen Wahl bezogen. Sie ergibt sich schlicht aus den Zeitpunkten, zu denen wir die beiden Kandidat*innen vor Ort treffen konnten.
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