Choriner

Lass uns bitte Freunde bleiben

von Julia Schmitz 3. Juni 2021

Weil das Haus in der Choriner Straße 12 verkauft wurde, sind die langjährigen Gewerbemieter*innen von der Schließung bedroht. Die Bewohner*innen wollen das nicht zulassen – und rufen zur Soli-Aktion auf.


Update vom 10. August 2021: Der Käufer des Hauses hat die Frist zur Einreichung einer Abwendungsvereinbarung verstreichen lassen – der Bezirk Pankow erwirbt das Haus in der Choriner 12 nun zusammen mit der Bremer Höhe eG.

Das Gespenst der Gentrifizierung treibt weiterhin sein Unwesen: Durch Zufall haben die Mieter*innen in der Choriner Straße 12 vor Kurzem erfahren, dass ihr Haus verkauft wurde. An wen, ist bisher nicht bekannt – und das könnte für sie gefährlich werden. Denn hier geht es im Ernstfall nicht nur um eine Erhöhung der Privatmieten, sondern um die mögliche Kündigung der Gewerbemieter*innen: Betroffen wären davon der urige Spätkauf, der 1995 eröffnet wurde sowie eine Hausarztpraxis, die ebenfalls seit den frühen 1990er Jahren vor Ort ist. Auch das Café „Lass uns Freunde bleiben“, seit fast 20 Jahren ein wichtiger Treffpunkt für die Nachbarschaft, müsste dann weichen. Dagegen kämpft die Hausgemeinschaft.

„Die Choriner 12 ist mehr als das Zuhause ihrer Bewohner*innen. Sie ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer festen Instanz im Kiez gewachsen, ist Anlaufstelle für viele Menschen, ein sozialer Ort, an dem auch heute noch Durchmischung stattfindet. Sie ist ein wichtiger Treffpunkt im Wohngebiet, eine Institution gelebter Kiezkultur, der Nachbarschaftshilfe, zwischenmenschlicher Solidarität und Unterstützung in der wachsenden Anonymität der Großstadt“

heißt es in einem offenen Brief der Bewohner*innen an die Politik. In den vergangenen Jahren, schreiben sie weiter, hätten sie dem bisherigen Eigentümer in mehreren Gesprächen signalisiert, dass sie sich einen Kauf des Hauses als Mietergemeinschaft vorstellen könnten. Doch der habe sich einen anderen Käufer gesucht und weitere Gespräche abgeblockt.

Choriner

Hottes Späti ist kein gewöhnlicher Spätkauf / Foto: Julia Schmitz

 

Fördertöpfe sind leer

Die letzte Möglichkeit, die über die Jahre gewachsene Struktur des Hauses zu retten, liegt nun im Vorkaufsrecht. Auch wenn sich das Pankower Stadtentwicklungsamt um Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) in der Vergangenheit – vor allem im Vergleich mit anderen Bezirken – nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat, wenn es um das Einschreiten bei Hausverkäufen geht, muss es dies zumindest prüfen. Denn der Teutoburger Platz, in dessen Nähe die Choriner Straße 12 befindet, zählt zu den sozialen Erhaltungsgebieten. Damit steht der Kiez unter besonderem Schutz.

Damit das Vorkaufsrecht zum Einsatz kommen kann, braucht es einen Dritten im Bunde, der die Immobilie im Auftrag des Bezirks kauft; im Falle der Choriner 12 wäre das die Genossenschaft Bremer Höhe, die unter anderem das ab 1870 entstandene Gebäudeensemble an der Schönhauser Allee Ecke Buchholzer Straße besitzt. Weil die Bodenpreise in Berlin in den vergangenen Jahren enorm gestiegen sind, wäre für den Kauf allerdings eine Förderung vonnöten. Normalerweise kommt diese in Form einer zinslosen Darlehensförderung im Rahmen des „Genossenschaftlichen Bestandserwerbs“ des Berliner Senats – doch die Töpfe für 2021 sind bereits leer. Hinzu kommt die Befürchtung, dass sonst für das Vorkaufsrecht eingesetzte Mittel in den Ankauf von 20.000 Wohnungen fließen, die im Zuge der Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia in den Bestand landeseigener Wohnungen gehen sollen.

Die Choriner 12 hat sich deshalb mit anderen betroffenen Häusern in Prenzlauer Berg und ganz Berlin vernetzt und ruft zur Soli-Aktion auf: Per Brief sollen Unterstützer*innen Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) auffordern, die Fördermittel für das laufende Jahr aufzustocken beziehungsweise andere Töpfe umzuwidmen. Denn nicht nur das Eckhaus an der Zionskirchstraße könnte so gerettet werden, auch das Gebäude in der Schönhauser Allee 135/135a steht vor demselben Problem – genau wie etliche andere Häuser in Berlin.

 

Solidarität mit anderen bedrohten Häusern

„Uns geht es mit unseren Aktionen in erster Linie darum, die Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken“, sagt Conrad Menzel, der seit vielen Jahren in der Choriner 12 wohnt. „Alle sollten sich anschauen wem das Haus gehört, in dem sie wohnen und früh genug das Gespräch mit dem Eigentümer oder der Eigentümerin suchen. Wenn Einzelvermieter*innen ihre Häuser an Immobilienkonzerne abstoßen, weil es sich nicht mehr rentiert, regiert in Berlin bald das große Geld. Und das macht früher oder später die gewachsenen Strukturen der Kieze kaputt“, so Menzel weiter.

Für den 21. Juni, an dem in Berlin traditionell die Fête de la Musique stattfindet, hat die Hausgemeinschaft eine politische Kundgebung auf dem Straßenabschnitt vor dem Haus angemeldet, mit Redebeiträgen und Musik. Dem Zufall möchte man hier nichts mehr überlassen. Denn auch wenn man noch nicht weiß, wie es in Sachen Vorkaufsrecht oder Abwendungsvereinbarung weitergeht, ist eines sicher: Leise wird es um die Choriner 12 nicht so schnell werden.

Titelfoto: Die Mietergemeinschaft der Choriner 12

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2 Kommentare

Dr. André Schlüter 4. Juni 2021 at 12:23

Weiß man denn, wer der Käufer ist, welche Pläne er hat?

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Julia Schmitz 4. Juni 2021 at 13:48

Nein, beides ist bisher noch nicht bekannt…

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