Viele Wege führen nach Prenzlauer Berg. Die Familie von Joplyn, die gerade ihr Debütalbum veröffentlicht hat, ist dabei einmal um die Welt gereist.
„Ho Ho Holzspielzeug“ sang Rainald Grebe einst über den Prenzlauer Berg und spielte damit auf den „Bionade-Biedermeier“ und die ganzen Zugezogenen rund um den Helmholtzplatz an. Auch Joplyn ist am Helmi aufgewachsen – aber weit entfernt von Reformhaus-Spießigkeit. Schon früh prägte sie die Berliner Clubszene; keine große Überraschung also, dass Joplyn Songschreiberin, Produzentin und Sängerin wurde und nun ein elektronisches Album veröffentlicht, das sie „Pappelallee“ nennt – nach der Straße, in der sie ihre Kindheit verbracht hat. Doch dass es so kommen konnte, hat sie der Odyssee ihrer Familie zu verdanken.
Denn schon ihr Vater wurde nicht mehr in der alten Heimat Vietnam geboren. Seine Familie verließ das Land wegen des Vietnamkrieges und ging nach Kanada, um sich ein neues Leben aufzubauen. „Wir haben wirklich nicht mehr viel mit Vietnam zu tun. Wenn, dann eher mit Kanada“, stellt Joplyn fest. „Auch mein Vater spricht nur ein bisschen vietnamesisch.“ Diesen hielt es dann auch nicht in der neuen Heimat. Nach einem Job in den USA, zog es ihn nach Hamburg, wo er Joplyns Mutter kennenlernte. Irgendwann landeten beide in Stuttgart und von da sind Joplyns Eltern endlich in den Prenzlauer Berg gezogen. „Und dann kam schon ich“, erzählt sie lachend. Der engste Kontakt, den sie zu den Wurzeln ihrer Familie hat, ist ihr Großvater, der sein ganzes Leben der Poesie gewidmet hat und auf vietnamesisch dichtet. Was sie selbst leider nicht beherrscht.
„Pappelallee“ auf Spotify hören
„Berlin ist ein Faktor“
Denn Joplyn ist ganz und gar Teil von Berlin, es ist ihr Zuhause, schon Dank einer behüteten Kindheit. Auch wenn sie zum Klavierunterricht genötigt wurde. „Ich war nicht sehr motiviert“, sagt sie. Das Singen interessierte sie weit mehr, vor allem als sie, ganz der Großvater, anfing Gedichte zu schreiben, die sie dann vertonen wollte. „Ich sang sie einfach, ohne Struktur oder Refrain. Bis mir mein Vater beibrachte, wie man Akkorde spielt.“ Ihre Erinnerungen an dieses Aufwachsen sind aber nicht allein der Grund, warum sie ihr Debüt „Pappelallee“ genannt hat. „Es geht dabei um eine Parallele: Es ist mein erstes Album, und diese Straße war mein erster Kontakt mit der Welt. Vielleicht werde ich alle meine Alben nach für mich besonderen Orten in Berlin nennen.“
Dass ihr Album so elektronisch und futuristisch klingt, hat auch mit dieser Stadt zu tun, die sie in Lieder wie „City Of Dust“ oder „Every Corner“ darstellt. „Berlin ist ein Faktor. Meine Musik ist eine Reflektion dessen, was ich um mich herum gehört habe.“ Neben der Clubszene gehören dazu auch Einflüsse wie Lorde, The XX oder London Grammar. So hat sie sich beigebracht, Beats zu programmieren, und für Verwandte und Freunde kleine Shows vorgeführt. Und sie hat angefangen, über Instagram in die Welt zu gehen, wo die Club-Legenden Booka Shade und später sogar Netflix auf sie aufmerksam wurden, genauer: Heiko Maile von Camouflage, der gerade den Soundtrack für die Serie „We Are The Wave“ vorbereitete und den Track „Outer Space“ von Joplyn mit aufnahm.
Aber nicht alles auf „Pappelallee“ dreht sich um Prenzlauer Berg und Berlin. In der Single „Mind Actress“ beschreibt sie zum Beispiel ihre unterschiedlichen Identitäten und „Rollen“, in denen andere Menschen sie wahrnehmen. Und wie fehlerhaft diese Wahrnehmungen sein können. Themen wie Vielfalt sowie die anhaltende Ungleichbehandlung der Geschlechter liegen ihr ebenso am Herzen.
Derweil wünscht sich Joplyn, einmal nach Vietnam zu reisen und die Sprache zu lernen. Schon allein, um die Werke ihres Großvaters endlich verstehen zu können.
Titelbild: Ali Kanaan