Lage Egal

Lage? Egal!

von Julia Schmitz 29. Januar 2021

Seit zehn Jahren betreibt Pierre Granoux seinen Projektraum „Lage Egal“ an wechselnden Standorten in Prenzlauer Berg. Ein Besuch zum Jubiläum.


Eigentlich sollte der Projektraum gar nicht so heißen, es war noch nicht einmal ein Projektraum geplant: Als Pierre Granoux im Mai 2010 die Räumlichkeiten in der Danziger Straße 145 mietete, war dies als Ort für eine Ateliergemeinschaft mit den beiden Künstlern Jofroi Amaral und Jean-François Karst gedacht. Doch weil immer wieder Anfragen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis kamen, organisierte das Trio im Januar 2011 die erste Ausstellung – aber nicht mit Bildern an den Wänden, sondern mit einem Holzmodell, das die Atelierräume im Maßstab 3:20 wiedergab.

Ins Fenster stellte Pierre Granoux damals vier Metallbuchstaben, die er, noch als Student in Frankreich, aus dem Schriftzug einer „Boulangerie“ mitgenommen hatte: LAGE von außen gelesen – und EGAL von innen. „Es sollte eigentlich nicht der Name für den Offspace sein“, erzählt Pierre mit einem Schmunzeln, „aber schon kurz darauf wurde ich von Anderen immer wieder als der Leiter von „Lage Egal“ vorgestellt“. Weil es im Deutschen so ein schönes Wortspiel sei und er mittlerweile sechsmal den Standort gewechselt habe, halte sich wahrscheinlich der Mythos, er habe den Namen absichtlich gewählt, so Granoux.

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„Wir sind keine Galerie im Kellerraum“

Als Karst und Amaral das Atelier zwei Jahre nach der Gründung verließen, entschloss sich Granoux, den Raum alleine zu betreiben. Zusätzlich zur Danziger Straße organisierte er Veranstaltungen in seinem Atelier in der Liselotte-Herrmann-Straße sowie einem weiteren Raum in der Linienstraße in Mitte und zog für zwei Jahre sogar komplett auf das Gelände der ehemaligen Fahrbereitschaft in der Herzbergstraße in Lichtenberg; seit einer Weile ist der Projektraum nun zurück in Prenzlauer Berg, auf der Greifswalder Straße.

Rund 16 Ausstellungen werden dort pro Jahr gezeigt; eine stattliche Anzahl, die nur zu erreichen ist, wenn man den Ausstellungszeitraum kurz hält: Von einem Abend über zwei, drei oder vier Wochen Laufzeit ist bei Lage Egal alles möglich. Teilweise ist das auch den kurzen Mietverträgen geschuldet, der aktuelle wird zum Beispiel immer nur um zwei Monate verlängert. Trotzdem legt der 1963 in Südfrankreich geborene Granoux besonderen Wert darauf, den beteiligten Künstlern ein professionelles Umfeld zu bieten. „Wir sind kein kleiner Kellerraum, in dem mal eben ein paar Kunstwerke gezeigt werden“, betont er.

Lage Egal

So fing es an: Ausstellungen wurden zunächst im Holzmodell des Atelierraums gezeigt / Foto: Lage Egal

 

Zwischen den Stühlen

Um das zu gewährleisten, muss er gleich mehrere Rollen besetzen. Er ist Konzeptkünstler, Kurator und Vermarkter der im Projektraum gezeigten Kunst in Einem – auch wenn es sich bei Lage Egal um keine kommerzielle Galerie handelt und der Verkauf nicht im Vordergrund steht. „Ich sitze gerne zwischen den Stühlen“, so Granoux.

Dass sich die Kunstszene in Berlin in den letzten Jahren stark verändert hat, bekommt auch er zu spüren. „Das Geld hat alles kaputtgemacht“, sagt er, die Freiräume für Kunst werden weniger, die Konkurrenz mit Galerien größer: „Manchmal weiß ich selbst nicht, wie ich den Raum in den zehn Jahren finanziert habe – aber es war immer Geld da.“ 2016 wurde Lage Egal sogar mit dem Preis für Projekträume des Berliner Senats ausgezeichnet.

Doch die Pandemie macht dem Projektraum zu schaffen. Um die finanziellen Auswirkungen abzufedern, hat Granoux eine Förderung durch die Stiftung Kunstfonds beantragt; rund 40 Prozent der Summe hat er bewilligt bekommen, die nun explizit für die Umsetzung künstlerischer Projekte eingesetzt werden müssen. Weil die so entstandenen Künstlereditionen zwar ab Februar in einer physischen Ausstellung zu sehen sind, diese aber bis auf Weiteres nicht besucht werden darf, arbeitet sein Team an der 3D-Dokumentation, die online zugänglich sein wird – für Granoux keine optimale, aber machbare Lösung.

Die Geburtstagsparty zum zehnjährigen Jubiläum wird allerdings nicht in den virtuellen Raum verlegt: „Ohne Künstler und Gäste macht das keinen Spaß. Wir warten also noch darauf, dass die große Party stattfinden kann – wann, ist ja eigentlich egal.“

 

Titelbild: Pierre Granoux in seinem Projektraum „Lage Egal“ / Foto: Julia Schmitz

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