„Ich arbeite im Schlafzimmer, meine Frau im Kinderzimmer“

von Sarah Schaefer 19. November 2020

Leben und arbeiten in 1,5-Zimmern, Flucht zu den Eltern, Einsamkeit: Die Stimmung bei euch im Home Office? Eher semi, wie unsere Umfrage zeigt.


Viele Menschen in Prenzlauer Berg leben in beengten Verhältnissen oder fühlen sich aus einem anderen Grund nicht mehr wohl in ihrer Wohnung. Vor einem Umzug schrecken sie wegen der hohen Mietpreise zurück. Für diese Menschen ist es besonders schwierig, Leben und Arbeiten fast komplett nach Hause zu verlagern.

Wie geht es euch zurzeit? Erlebt ihr den Lockdown in einer ungeliebten Wohnung? Oder findet ihr es super, endlich mal richtig viel Zeit auf dem Sofa verbringen zu können? Das sind die Ergebnisse unserer Umfrage:

 

„Zu klein, zu voll“

Die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer*innen gab an, dass sie nicht mehr oder nicht dauerhaft in ihrer Wohnung leben möchten. Rund 8 Prozent sagten, sie hätten in der Pandemie bemerkt, dass sie ausziehen möchten. Ein wesentlicher Grund: Es ist zu eng.

„Wir sind mit Säugling und zwei Jahre altem Kind in einer 2,5-Zimmer-Wohnung. Es wird zu klein werden.“

„[Es gibt] zu wenig bezahlbare Familienwohnungen. Sind schon seit 8 Jahren auf der Suche nach einer 4-5-Zimmer-Wohnung.“

„Wir sind zu dritt (mit 4-jähriger Tochter) und haben nur zwei Zimmer. Aber in einem alten Mietvertrag in einem Kiez, den wir uns aktuell vielleicht nicht mehr leisten könnten.“

„Vier Menschen, drei Zimmer. 67 Quadratmeter!“

„Schlechte Aufteilung, war im 1. Lockdown zu klein, jetzt ist mein Partner ausgezogen.“

Andere leiden unter den lauten Nachbar*innen, unter Baustellen vor dem Haus oder sehnen sich nach mehr Grünflächen in der Umgebung und mehr Licht in der Wohnung.

 

„My home is my castle“

Andere hingegen mögen ihre Wohnung und sind auch im Lockdown zufrieden:

„Ich finde es jetzt entspannter, zu Hause zu bleiben. Es gibt nicht die ‚Pflicht‘, sich zu verabreden, irgendwie kommt so mehr Ruhe rein. Ich finde es gemütlich und bin einfach gerne zu Hause.“

„Es zieht mich nicht so sehr nach draußen.“

„Ich habe mehr Zeit, da ich mir den Arbeitsweg spare.“

„Es ist so gut, nicht mehr in der S-Bahn morgens und nachmittags festzusitzen. Endlich bekomme ich Haushalt, Job und Kinder besser auf die Reihe.“

„Wir leben zu zweit, der Platz ist ausreichend und ich war vorher sehr viel (12 Jahre) auf Dienstreisen weltweit und wir sind froh, mal ein Jahr enger zusammen zu sein.“

 

Diese Leserin ist zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz zu Hause. Illustratorin und Porträtzeichnerin Nina Heinke schickt uns viele Grüße aus ihrem „kreativen Chaos“. Foto: privat

 

„Es fehlt das Leben“

Doch viele erleben den Corona-bedingten Rückzug in die eigenen vier Wände und ins Home Office als schwierig – aus ganz unterschiedlichen Gründen:

„Ich fühle mich einsam.“

„Als Single fehlt mir der Kontakt zu anderen.“

„Ich habe vor all meinen Fenstern eine Brandmauer. Da verliert man schnell den Bezug zur Außenwelt. Keine Bäume. Kein Himmel. Dafür ist es schön ruhig.“

„Man fühlt sich wie ‚gefangen‘ in den eigenen 4 Wänden. Auch wenn die Wohnung recht angenehm ist, ist es doch was anderes ständig hier sein zu müssen, oft sehe ich den ganzen Tag das Tageslicht nicht richtig, da ich arbeitsbedingt nur vor dem Laptop sitzen muss.“

„Man fällt aus dem Bett quasi gleich ins Büro. Es fehlt die Bewegung zur Arbeit. Überhaupt bewegt man sich noch weniger und verbraucht mehr Strom, und alles auf die eigenen Kosten.“

„Ich bin zu extrovertiert.“

 

„Ich [arbeite] im Schlafzimmer, meine Frau im Kinderzimmer.“

Nur wenige, die bei der Umfrage mitgemacht haben, können sich in ein Arbeitszimmer zurückziehen. Fast die Hälfte gab an, sich irgendwie arrangieren zu müssen, über 20 Prozent haben keinen Platz zum Arbeiten. Eine Frau hat ihr Arbeitszimmer ins Kinderzimmer verlegt, manche arbeiten im Bett oder auf dem Sofa. Viele haben sich am Esstisch einen Arbeitsplatz eingerichtet, im Wohnzimmer oder in der Küche.

„Im ersten Lockdown waren wir zu fünft zu Hause. Die Kinder teilen sich mit uns Eltern das Schlafzimmer. Für Homeschooling und Home Office hatten wir unseren grossen Esstisch zur Verfügung und kaum Rückzugsmöglichkeit.“

„Ich arbeite mehr und es fällt mir schwer, Feierabend zu machen. Das Home Office muss ich immer wieder auf- und abbauen.“

„[Ich] arbeite in der Küche, da wird abends gekocht.“

„Ich arbeite am Küchentisch mit einem Laptop. Für einen richtigen Arbeitsplatz mit Monitor ist kein Platz. Zudem ist die Internetverbindung oft überlastet im Haus.“

„[Wir arbeiten] zu zweit im Wohnzimmer, denn ein anderes Zimmer gibt es nicht (1,5-Zimmer-Wohnung). Ist schwer, wenn beide telefonieren müssen.“

 

„Lockdown 2 bei den Eltern“

Wie ihr mit der Situation umgeht? „Durchhalten“ ist eine häufige Antwort. Manche haben sich entschieden, umzuziehen. Andere wollen nicht an einen Umzug denken:

„Haha, Umzug!! Meine Wohnung ist super günstig, wenn ich jetzt nochmal umziehe, muss ich in eine Einraumwohnung in Marzahn.“

Wiederum andere werden kreativ und machen „Outdoor Office“ oder arbeiten auf dem Balkon, wenn es das Wetter zulässt. Und manchmal hilft nur die Flucht zu den Eltern.

„[Ich] suche verzweifelt nach [einer] Wohnung und fahre immer mal wieder zu meiner Mutter, um mich zu erholen.“

„Wir wollen hier wegziehen, finden aber nichts Passendes, Bezahlbares oder Vergleichbares.“

„Ich habe in der Pandemie das Kinderzimmer mit einer Wand geteilt. Anders ging es nicht mehr.“

„Habe oft nachts gearbeitet und [mich] tagsüber um die Kinder gekümmert.“

„Wir haben einiges geändert in der Wohnung, den Flur aufgeräumt und sind dabei, das Wohnzimmer umzugestalten. Aber am Platzmangel ändert es nichts.“

„Öfter mal aufs Rad und raus!“

„Meine Arbeit halte ich auf ein mögliches Minimum, um Stress zu reduzieren.“

„Ich mache jeden Tag Sporteinheiten mit Videos aus dem Internet und versuche mindestens einmal am Tag rauszugehen.“

„Abwarten und Tee trinken, mir die positiven Seiten der Wohnung regelmäßig aufzählen.“

 

Und dann gibt es noch Menschen, für die das Home Office kein Thema ist – weil sie wegen der Pandemie keine Arbeit mehr haben. Auf unsere Frage „Wie und wo arbeitest du?“ antwortete ein Teilnehmer, laut eigenen Angaben ein Selbstständiger in der Kulturbranche: „Leider gar nicht mehr.“

 

An alle Teilnehmer*innen: Danke für eure Antworten!

 

Titelbild: Julia Schmitz

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1 Kommentar

Lisa 19. November 2020 at 21:37

Und was ist es nicht für ein Highlight für unsere Familie. Zu fünft auf 3,5 Zimmer und 78m2. Homeoffice und Schooling. Und dann flattern Briefe herein die vom Verkauf an Heimstaden erzählen und eine Perspektive der Obdachlosigkeit hinterlassen. Man gönnt sich ja sonst nichts 😔

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