Im Sommer brachten die Puppenspieler die erste analoge Ausgabe heraus: Jetzt werden die „Helmi News“ im Ballhaus Ost zum Leben erweckt.
Die Schreibtische wackeln im Takt der ratternden Schreibmaschinen, in der Luft liegt Dunst und es herrscht eine konzentrierte Anspannung: Nein, wir befinden uns weder in der Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten noch in einem Roman von Hunter S. Thompson, sondern in der „Zeitung der Zukunft“. Das Projekt, das im Sommer 2020 vom Puppenspiel-Kollektiv Das Helmi ins Leben gerufen wurde und als – natürlich auf der Schreibmaschine getippte – großformatige Zeitung startete, wird in dieser Woche zur begehbaren Ausstellung im Theater Ballhaus Ost.
Wie kommt man heutzutage denn auf die Idee, eine Zeitung komplett manuell herzustellen? Florian Loycke schmunzelt. „Ich habe schon als Kind eine Zeitung für die Nachbarschaft gemacht“, erzählt er, „natürlich auch mit einer Schreibmaschine und so, wie man sich als Kind Journalist sein vorstellt. Wir haben tatsächlich zwei Hefte getippt.“ Die Auflage der „Helmi-News“ ist ein bisschen höher, zweihundert Exemplare sind von jeder Ausgabe verfügbar. Obwohl sich das Inhaltsverzeichnis mit Politik-, Gesellschafts-, Sport- und Kulturteil durchaus an klassischen Publikationen orientiert, treffen die abgedruckten Texte einen ganz eigenen Ton.
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Das liegt auch daran, dass die dreiköpfige Redaktion strenge Regeln für die Herstellung befolgt: Internet und Smartphone sind verboten, Schreibmaschinen Pflicht und die Geschichten müssen direkt aus dem Leben gesammelt werden. Weil das Gebiet der „Helmi News“ eng begrenzt ist, sei das allerdings nicht immer einfach, sagt Loycke: „Am Helmholtzplatz etwas Interessantes zu finden, über das man schreiben kann, ist erstmal ziemlich frustrierend. Manchmal passiert nämlich einfach nichts Interessantes.“
Eine Zeitung wird lebendig
Und dann auch noch die Pandemie, die zeitweise zu gespenstisch leeren Straßen und Plätzen führte. In den „Helmi News“ ein guter Aufhänger für einen Text über die Apotheke in der Raumerstraße oder die Sichtung von Füchsen, die Pfote für Pfote den Stadtteil zurückerobern. Im Fokus der Texte stehen Menschen, die sonst in Theaterstücken keinen Platz haben. „Für uns war es darüber hinaus eine wichtige Frage, ob es eigentlich noch soziale Netzwerke im echten Leben gibt oder ob wir alle nur noch im Internet leben“, so Loycke. Das Arbeiten an der Schreibmaschine führe außerdem dazu, dass man alles zwangsweise ein wenig entschleunigen müsse.
Nun lässt das Puppenspieler-Kollektiv, das 2001 mit Aufführungen für Kinder auf dem Helmholtzplatz begonnen hat und die aus Schaumstoff und Fundstücken gebastelten Figuren mittlerweile in nationalen und internationalen Theaterstücken sprechen lässt, die „Zeitung der Zukunft“ lebendig werden. Neben der vor Ort installierten Redaktion, wo man den hektisch tippenden Schaumstoffredakteuren über die Schulter blicken darf (und den echten ebenfalls), gibt es einen Raum mit geblümten Plüschsesseln vergangener Jahrzehnte: Hier darf gemütlich in den Zeitungen gelesen werden. In einem weiteren Raum werden Sound-Installationen und kurze Videos gezeigt.
Und auch die Zeitung als Ganzes wird aufgeführt, mit Instrumenten, Gesang und natürlich den Puppen: „Die Geschichten kamen aus dem echten Leben in die Zeitung – und treten jetzt aus ihr als Lieder und Figuren wieder heraus.“
Die „Zeitung der Zukunft“ kann am 29., 30. und 31. Oktober jeweils von 18 bis 22 Uhr im Ballhaus Ost besucht werden. Der Ticketkauf ist nur online und personenbezogen möglich, es gibt keine Abendkasse.