„Mit uns spricht keiner“

von Sarah Schaefer 7. September 2020

Die Gärtner*innen von Peace of Land wollen nicht hinnehmen, dass ihre Grünfläche einer Turnhalle weichen muss. Sie kämpfen dafür, bei den Planungen ein Wörtchen mitzureden.


Gemüseanbau, Waldgarten, Pilzfarm – seit mehr als drei Jahren bewirtschaftet eine Gruppe von Gärtner*innen das 4000 Quadratmeter große Grundstück in der Nähe des Syringenplatzes im Blumenviertel. Peace of Land heißt das Gemeinschaftsgartenprojekt, das nach den Prinzipien der Permakultur arbeitet und regelmäßig Workshops und Führungen rund um Gartenthemen anbietet.

Doch auf viele weitere Jahre an diesem Ort können sich die Gärtner*innen voraussichtlich nicht einstellen. Dort, wo jetzt Karotten wachsen und Blumen blühen, sollen bald die Schüler*innen der Grundschule am Blumenviertel Sport treiben. Die Schule braucht dringend eine Turnhalle: Im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive soll die bisherige Sporthalle abgerissen und eine neue gebaut werden. Weil die Schülerzahlen steigen und der Platz auf dem Schulhof knapp ist, entsteht die neue Turnhalle nicht auf dem bisherigen Schulgelände, sondern auf einem benachbarten Grundstück – der Fläche, die derzeit noch ein Garten ist.

 

Klimanotstand als zentrales Argument

„Die Vorstellung, dass der Boden, den wir aufgebaut haben, versiegelt wird, ist einfach Wahnsinn“, sagt Yvonne Stolterfoht von Peace of Land. Der Garten sei wichtig für die Nachbarschaft – und für die Umwelt. „Wir leisten einen wichtigen Beitrag für den Mikroklimaschutz der Stadt“, sagt sie. Ein zentrales Argument der Gärtner*innen: der Klimanotstand, den Pankow als erster Berliner Bezirk ausgerufen hat. Der Berliner Senat zog später nach. Bei Neubau-Planungen in Pankow muss man laut dem Beschluss künftig das Klima mitdenken. Für Yvonne Stolterfoht und ihre Mitstreiter*innen ist diese Vorgabe nicht damit vereinbar, Grünflachen zu bebauen.

Doch die Schulen in Pankow und in ganz Berlin platzen aus allen Nähten – und Turnhallen werden dringend gebraucht, wie Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) mit Nachdruck betont: Derzeit könnten teilweise die vorgesehenen Stunden für den Sportunterricht an Pankower Schulen nicht erfüllt werden, weil es nicht genug Hallen gebe. Sportvereine könnten aus diesem Grund keine neuen Mitglieder aufnehmen. „Der schnelle Neubau ist deshalb dringendst notwendig“, schreibt Kühne auf Anfrage.

 

Gärtner*innen möchten an Planungen teilhaben

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Tatsache ist: Die Gärtner*innen haben nur einen Mietvertrag für die Zwischennutzung. Dass sie nicht auf Dauer Anspruch auf das Gelände haben, sei von Anfang an klar gewesen, sagt Kühne. „Das verdrängt man, sonst würde man hier gar nichts machen“, sagt Yvonne Stolterfoht.

Schule gegen Garten: Es ist ein Konflikt, der an vielen Orten in Berlin hochkocht. Stadtweit müssen Kleingärten Teile ihrer Fläche abgeben, weil dort Schulen, Turnhallen oder Kitas entstehen – aber auch Straßen oder Tramlinien.

Man wolle sich keinesfalls gegen die Schule stellen, betont Stolterfoht. Sie würde sich allerdings wünschen, dass die Gärtner*innen und die Nachbarschaft in die Planungen einbezogen werden. „Wir haben bisher an keinem runden Tisch gesessen“, sagt sie. „Mit uns spricht keiner.“ Ihr Vorschlag: Das Grundstück wird nur zur Hälfte bebaut, so dass auch künftig Platz für den Garten bleibt. Gleichzeitig bekommt die Turnhalle mehrere Etagen, von denen eine Peace of Land als Seminaraum zur Verfügung gestellt wird.

Das erinnert an den Vorschlag der Kleingartenkolonie Bornholm II, die ebenfalls wegen eines Turnhallenbaus auf etwa ein Dutzend Parzellen verzichten muss. Die Kleingärtner*innen hatten nach einem Kompromiss gesucht und ein Konzept für einen neuen Typ Turnhalle entwickelt: mit Anbaufläche auf dem Dach und begrünten Wänden. Den Vorschlag lehnte Stadtrat Kühne aus Kostengründen und mit dem Hinweis auf eine längere Bauzeit ab.

 

Turnhalle

So stellen sich die Gärtner*innen von Bornholm II die begrünte Turnhalle vor. Bild: KGA Bornholm II

 

Ähnlich argumentiert Kühne nun im Fall der Grundschule im Blumenviertel: „Der schnelle Bau ist nur im Rahmen des Typensporthallen-Programms möglich. Eine Typensporthalle kann in circa einem Jahr errichtet werden. Ein individuell geplanter Bau benötigt mindestens fünf Jahre.“ Zudem sei dann der Bezirk und nicht der Senat zuständig. Dem Bezirk fehle aber – man ahnt es – das nötige Personal.

„Die Typensporthallen halten selbstverständlich die aktuellen Vorgaben zum ökologischen Bauen ein“, so Kühne weiter. Planungsrechtlich sei es aufgrund der Eigenheime in der Umgebung gar nicht möglich, in die Höhe zu bauen.

 

Stapeln als Lösung? 

Dabei träumt so mancher Politiker in Berlin davon, in die Höhe zu gehen, um Wohnen, Bildung und Grün auf kleiner Fläche zu ermöglichen. „Es gibt Beispiele, wo wir das gestapelt hinkriegen“, sagte Daniel Buchholz (SPD) kürzlich bei einer Podiumsdiskussion des Forums Stadtgärtnern in der Kleingartenanlage Bornholm II.

Der Landespolitiker schwärmte von einem Hausprojekt in Barcelona, das man sich mit dem Berliner Stadtentwicklungsausschuss angesehen habe: Einkaufsmöglichkeiten auf der unteren Etage, darüber eine Kita, darüber Wohnungen. Unterschiedliche Bedürfnisse der Stadtbewohner*innen in einem Gebäude miteinander zu kombinieren – das ist eine Idee, wie sie auch die Gärtner*innen mit ihren Vorschlägen zur Mehrfachnutzung der Turnhalle verfolgen. „Ich glaube, da müssen wir alle intelligenter werden und den Druck gerne in die Bezirke mitnehmen“, sagte Buchholz.

Für Peace of Land gibt es immerhin einen kleinen Lichtblick: Es habe Überlegungen gegeben, so Stadtrat Kühne, den Gemeinschaftsgarten in die geplante Neugestaltung des angrenzenden Volkspark Prenzlauer Berg einzubeziehen. Generell sei es allerdings schwierig, „Fläche für Dritte zur Verfügung zu stellen“. Denn: „Selbst für unsere eigenen Bedarfe (Schule, Kita, Grün, Sport, Kultur, etc.) haben wir nicht ausreichend Flächen zur Verfügung.“

 

Titelfoto: Saskia Uhlenkamp

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