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Einmal prekär, immer prekär?

von Julia Schmitz 6. Juli 2020

Nach 27 Jahren steht das MACHmit! Museum in der Senefelder Straße aufgrund der Corona-Krise kurz vor der Insolvenz. Sein Verschwinden wäre ein großer Verlust – nicht nur für Kinder.


„Jährlich kommen um die 80.000 Menschen zu uns, aus dem Kiez und dem Rest von Berlin, aber auch aus ganz Deutschland“, erzählt Uta Rinklebe. Sie leitet seit fünf Jahren das MACHmit! Museum, das nach seiner Gründung 1993 in einem Bauwagen auf dem Abenteuerlichen Bauspielplatz Kolle 37 und verschiedenen weiteren Stationen in Prenzlauer Berg 2003 in der entweihten Eliaskirche im Helmholtzkiez seinen Platz fand. Nachdem der Berliner Senat am 13. März zur Eindämmung des Corona-Virus die Schließung von Theatern und Museen verordnete, musste auch das Kindermuseum die Pläne für die kommenden Monate auf Eis legen – und konnte bis jetzt nicht wieder öffnen.

Wir werden immer nur projektbasiert gefördert und finanzieren uns zu 75 Prozent aus Eintrittsgeldern. Mit den Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln können wir aber pro Tag viel weniger Kinder und Erwachsene ins Haus lassen als vorher. Es rechnet sich momentan nicht, dafür alle Mitarbeiter*innen aus der Kurzarbeit zurückzuholen.

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110.000 Euro Einbußen hat das Haus seit Beginn der Corona-Krise verzeichnet, rund 350.000 Euro sind nötig, um es sicher durch die kommenden Monate zu bringen. Findet sich keine finanzielle Lösung, droht im Januar 2021 die Insolvenz. Immerhin können die aktuellen Miet- und Betriebskosten vorerst gedeckt werden: Nachdem das Museum ungewöhnlich lange auf die Bewilligung von Mitteln aus dem Soforthilfe-Programm des Senats warten musste und sich zwischenzeitlich hilfesuchend an die Presse wandte, ist das Überbrückungsgeld mittlerweile in der Senefelder Straße angekommen. Auch mit einer Crowdfunding-Aktion wird derzeit Geld gesammelt.

Museum

Foto: Eva von Schirach/ MACHmit! Museum für Kinder

 

Fühlen, riechen, schmecken

Mit diesem Wissen können sich Uta Rinklebe und die pädagogische Leiterin Maren Klingbeil für kurze Zeit wieder dem widmen, was sie am liebsten tun: Ausstellungen planen. Eine große organisieren sie pro Jahr, dazu eine Sonderausstellung über Ostern und gelegentlich eine weitere im Herbst. Aktuell dreht sich im Machmit Museum alles um das Thema Holz: Was ist Holz eigentlich, was kann man damit machen und wer arbeitet im Wald? Gleich am Eingang steht man vor einem Stapel Rundholz, eine Ecke weiter lädt ein großer Baumstumpf mit dicken Wurzeln zum Klettern ein, ein Bett in einem duftendem Zirbenholz getäfelten Raum zum Ausruhen.

Für gewöhnlich laufen die Kinder einfach ins Museum rein und gehen dorthin, wo es ihnen am besten gefällt. Sie müssen nicht, wie in einem klassischen Museum, von Exponat zu Exponat gehen und die Infotafeln lesen. Es geht darum, dass sie mit allen Sinnen Dinge ausprobieren, sie fühlen, riechen, hören, sehen und schmecken. Es ist nicht unser Ziel, dass sie nach dem Museumsbesuch einen Vortrag über Holz halten können

betont Uta Rinklebe und Marlen Klingbeil ergänzt: „Wir wollen einen Ort schaffen, an dem die Kinder genau das finden, was sie in ihrem jeweiligen Entwicklungsschritt gerade brauchen.“ In der Ausstellungsplanung orientieren sie sich dabei stets an den Regeln der UN-Kinderrechtskonvention, die sie mit den Kindern besprechen und auf andere Bereiche übertragen: Der Borkenkäfer knabbert die ganzen Bäume im Harz kaputt und wird als Schädling betrachtet; aber ist er nicht auch das Kind einer Borkenkäfermama und hat ein Recht auf Leben?

Während es normalerweise also recht quirlig in dem alten Kirchengebäude zugeht, musste die Ausstellungsstruktur an die Corona-Maßnahmen angepasst werden; jetzt führt ein abgetrennter Weg entlang der Stationen, damit der Mindestabstand eingehalten werden kann. Auch in das sieben Meter hohe Kletterregal, das Herzstück des Hauses, darf nur eine beschränkte Anzahl an Kindern eingelassen werden, wenn das Museum Anfang September wieder für den Publikumsverkehr öffnet.

Museum

Foto: Eva von Schirach/ MACHmit! Museum für Kinder

 

Einmal prekär, immer prekär?

Die Freude auf das Wiedersehen mit den kleinen Besucher*innen wird jedoch von der Existenzangst gedämpft. „Von uns wird eine hohe außerschulische Qualität gefordert. Viele wissen aber gar nicht, unter welchen prekären Bedingungen und mit was für niedrigen Gehältern wir hier arbeiten. Manche sagen tatsächlich, wir würden ja schon immer prekär arbeiten, das wäre nunmal so“, sagt Rinklebe. Ihr ist es deshalb wichtig, das Museum in Zukunft stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken: „Dieser Ort ist auch deshalb qualitativ so hochwertig, weil er ein Mischort ist: er ist Bildungs-, Kultur-, Sozialort, er zieht Touristen an und hat also noch einen wirtschaftlichen Nutzen für diese Stadt. Außerdem ist er ein Identifikationsort für Pankow.“

Zwecks weiterer Förderung ist die Leiterin derzeit sowohl mit dem Bezirksamt Pankow als auch dem Berliner Senat im Gespräch. Und findet deutliche Worte für die Zukunft des Museums: „Im Herbst muss Bewegung ins Haus kommen oder wir brauchen nochmal Geld. Ohne Unterstützung überleben wir das wahrscheinlich nicht.“

Foto oben: Uta Rinklebe (li.) und Maren Klingbeil / Foto: Julia Schmitz

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