Hunderte Menschen zogen am Donnerstagabend lautstark durch Gleim- und Helmholtzkiez, um gegen die Schließung des Colosseums zu protestieren. Der Bezirk zeigt sich unterdessen zuversichtlich, das Gebäude retten zu können.
Betriebsrat Martin Ratke ist sauer. „Seit heute dürfen die Kinos in Berlin wieder öffnen – aber das Colosseum bleibt zu. Denn unser Arbeitgeber Sammy Brauner hat kein Interesse an einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs“, ruft er durch ein Megafon in die Menge; rund fünfhundert Menschen waren dem Aufruf zur Demo durch den Kiez gefolgt, sechseinhalb tausend haben bereits die Petition unterzeichnet. Ende Mai hätten die Mitarbeiter*innen erfahren, dass das Kino ab 2. Juli – wenn alle anderen Kinos in Berlin nach der Corona-Pause wieder öffnen dürfen – dauerhaft geschlossen bleibt, ihre Gehaltszahlungen seien sofort gestoppt worden, so Radtke.
Brauner habe kurz vorher Insolvenz beantragt, aber weder ein Konzept zum Fortbestand des Kinos entwickelt, noch Hilfen aus Corona-Fonds beantragt, kritisiert der Betriebsrat. Stattdessen habe es im September 2019 einen Bauvorbescheid gegeben, der das Gelände auf die Tauglichkeit für Büro- und Konferenzgebäude prüfte und positiv beschieden wurde. Der Bezirk Pankow hatte damals verschlafen, die Hausnummer des Grundstücks mit der aktuellen Nutzung abzugleichen und grünes Licht gegeben.
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Unterstützung aus der Politik
Zum Jahresende hat die Erbengemeinschaft Brauner den Pachtvertrag des Gebäudes gekündigt. Die Belegschaft des Kinos, das seit 1924 als Lichtspielhaus in Betrieb ist und als DDR-Premierenkino und Berlinale-Spielstätte bekannt wurde, will die Schließung aber nicht hinnehmen – und zeigt sich kämpferisch: „Wir fordern die Familie Brauner auf, die Kündigung zurückzunehmen, um die Fortführung des Spielbetriebs dauerhaft zu ermöglichen! Wir fordern auch den Berliner Senat auf, uns bei diesem Vorhaben zu unterstützen!“
Zumindest ideell können sie bereits auf die Unterstützung aus der Politik zählen. Klaus Mindrup (SPD), Mitglied des Bundestages und Anwohner, zeigte sich wütend:
Hier wird Corona zum Vorwand genommen; aber was Sie hier sehen ist nichts anderes als die hässliche Fratze der Spekulation! Dass die Eigentümer die Corona-Hilfen nicht in Anspruch genommen haben zeigt, dass sie ganz andere Intentionen mit dem Kino haben. Wir haben im Deutschen Bundestag 120 Millionen Euro für die Kulturwirtschaft und 40 Millionen für Investitionen bereitgestellt und ich erwarte, dass die Eigentümer sich um diese Fördermittel bemühen!
„Gehört wie die Nase ins Gesicht“
Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) hob noch einmal die Bedeutung des Kinos hervor: „Das Colosseum gehört zu Prenzlauer Berg wie die Gethsemanekirche und der Magistratsschirm – es gehört zu Prenzlauer Berg wie die Nase im Gesicht.“ Er sei derzeit mit der Erbengemeinschaft in Kontakt und versuche, mit diesen und den Stadträten von Pankow im Gespräch zu formulieren, was der Bezirk auf dem Gelände möchte:
Wir wollen an diesem Standort ein Haus der Kreativ- und Kulturwirtschaft haben. Wir wollen, dass dies ein öffentlicher Ort bleibt und nicht ein abgeschlossenes Gelände für Büros und Konferenzen wird.
Dazu gehöre selbstverständlich auch ein Kino. Wichtig sei, dass jetzt Politiker*innen aller Parteien an einem Strang ziehen und nicht persönliche Interessen in den Vordergrund stellen, auch brauche es weiteren Druck aus der Öffentlichkeit und der Bevölkerung, betont Benn und ergänzt: „Ich bin im Moment ziemlich zuversichtlich, dass die Liebe, die dem Colosseum gerade entgegen schlägt und die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Vorgang bekommt, auch die Familie Brauner nicht unbeeindruckt lässt.“
Ob die Erbengemeinschaft sich von dem Protest wirklich umstimmen lässt oder die Immobilie weiterhin abstoßen möchte, bleibt vorerst offen.
Foto oben: Julia Schmitz