Das mit dem Klopapier ist schlimm. Doch abgesehen von egoistischen Hamsterkäufen stimmen solidarische Aktionen hoffnungsvoll, dass wir die Zeit zusammen gut überstehen. Eine (unvollständige) Übersicht über Corona-Hilfen in Prenzlauer Berg.
Man sieht sie an Haustüren und Straßenecken: Handgeschriebene Zettel von Menschen, die anbieten, für ihre Nachbar*innen einzukaufen oder den Hund auszuführen. Innerhalb weniger Tage haben sich darüber hinaus Nachbarschafts-Netzwerke gebildet – vor allem, um Angehörige der Risikogruppen zu unterstützen. Sehr schnell haben die Berliner*innen offenbar begriffen, dass es viele Menschen gibt, die aufgrund der massiven Einschränkungen während der Corona-Pandemie auf andere angewiesen sind – zur Not auch auf Fremde. Wer gesund ist und sich engagieren möchte, rennt bei diversen Initiativen offene Türen ein.
Unter Quarantäne-Hilfe Berlin gibt es Listen für jeden Bezirk, in die sich Helfer*innen eintragen können – mit ihren Kontaktdaten und Angaben dazu, welche Aufgaben sie übernehmen können. In die Liste für Pankow haben sich mittlerweile über 100 Menschen eingetragen. Die Helfer*innen bieten an, einkaufen oder mit dem Hund spazieren zu gehen, Kinder zu betreuen oder zu telefonieren, wenn sich jemand einsam fühlt.
Auch die Seite coronaport.net sammelt Hilfsangebote – die Helferdatenbank hat derzeit über 2300 Einträge aus ganz Berlin. Die Freiwilligenagentur Pankow und die Nachbarschafts-Plattform nebenan.de koordinieren ebenfalls Hilfen in der Nachbarschaft. In Berlin gibt es außerdem diverse Gruppen, die Nachbarschaftshilfe über Telegram organisieren – Prenzlauer Berg ist mit mehreren Gruppen vertreten.
Die Angebote richten sich ausdrücklich auch an ältere Menschen – nicht alle von ihnen nutzen digitale Medien. Viele Portale stellen daher Druckvorlagen zur Verfügung, die man im Flur aufhängen kann, etwa die Seite fuerdenfall.com. Wer seine Nachbar*innen auch auf diesem Wege nicht erreicht, kann es vielleicht auf altmodischem Weg versuchen – natürlich mit dem dringend gebotenen körperlichen Abstand. Das geht zum Beispiel über die Freisprechanlage oder einen Zettel, den man unter der Tür durchschiebt.
Das Sozialprojekt Prenzlauer Berg bittet derzeit um Spenden von „kleinen Zelten, guten Schlafsäcken und Isomatten, damit Obdachlose sich in die selbstgewählte Isolation begeben können, ohne die begrenzten Angebote der Kältehilfe nutzen zu müssen“. Wer spenden möchte, kann sich im Zeitraum von 10 bis 14 Uhr vorab unter Tel. 4457506 melden.
An immer mehr Orten hinterlassen Menschen gezielt Lebensmittel und Hygieneartikel für obdachlose Menschen. Einen so genannten Gabenzaun gibt es unter anderem beim Rewe an der Kulturbrauerei und in der Cantianstraße am Haus der Fußballkulturen.
Das Stadtteilzentrum am Teutoburger Platz möchte einen telefonischen Notdienst für gefährdete Menschen in Prenzlauer Berg einrichten. Dazu sammelt das Team derzeit Smartphones. Wer ein altes Smartphone übrig hat oder für die Zeit der Einschränkungen eines zur Verfügung stellen möchte, kann sich beim Stadtteilzentrum melden. „Es wäre eine große Hilfe für uns, damit wir möglichst gut mit all denjenigen, die besonders betroffen sind, in Kontakt bleiben und im Notfall für sie da sein können“, schreiben die Mitarbeiter*innen.
Das Karada House in der Greifswalder Straße bietet Unterstützung für „queere Menschen, Frauen* und anderweitig marginalisierte Menschen“ und stellt dazu Kontakte her zwischen Helfer*innen und jenen, die Hilfe brauchen.
Die Kund*innen der Tafeln standen zuletzt vor verschlossener Tür. Da sowohl die Tafel-Nutzer*innen als auch die Ehrenamtlichen häufig höheren Alters sind, haben viele Ausgabestellen schon früh schließen müssen. Die Berliner Tafel versucht, Abhilfe zu schaffen und hat damit begonnen, Lebensmittel direkt zu liefern. Tafel-Kund*innen können bei ihrer Ausgabestelle telefonisch Bedarf anmelden – das gilt in Prenzlauer Berg für die Lebensmittelausgabe der Ev. Kirchengemeinde Prenzlauer Berg in der Göhrener Straße und der Ev. Advents-Zachäus-Kirchengemeinde in der Danziger Straße, wie sich dieser Übersicht entnehmen lässt. Übrigens: Derzeit bekommen die Tafeln weniger Lebensmittel von den Supermärkten gespendet – offenbar eine Nebenwirkung der Hamsterkäufe.
Auch die Gemeinden organisieren sich: Bei den Evangelischen Kirchengemeinden am Prenzlauer Berg beispielsweise hat sich eine Gruppe von Jugendlichen zusammengetan, die Unterstützung fürs Einkaufen anbietet, für den Spaziergang mit dem Hund – oder auch für etwas vermeintlich Simples wie den Müll runterzubringen.
Wir erreichen telefonisch Pfarrer Nils Huchthausen, der spontan ein paar Tipps gibt: „Das Wichtigste ist, den Hörer in die Hand zu nehmen, und Menschen aus dem Umfeld anzurufen – besonders auch jene, die man lange nicht gesehen hat. Außerdem: ein Auge auf die Nachbarn haben.“ Zudem sei dies eine Gelegenheit, um in sich zu gehen und zu überlegen, was einem wirklich wichtig sei im Leben. Dies sei eine ernste Situation, die er nicht klein reden möchte, sagt Huchthausen. Doch man könne versuchen, diese Zeit als Chance zu sehen. „Wir sollten uns fragen: Was können wir aus dieser Krise für die Zukunft lernen?“
Und zu guter Letzt: In vielen europäischen Städten treten die Menschen auf ihre Balkone oder an die Fenster, um mit Applaus ihre Anerkennung auszudrücken für Ärzte und Pflegekräfte, aber auch für Supermarkt-Mitarbeiter*innen und andere Menschen, die während der Corona-Krise im Einsatz sind. Auch in Prenzlauer Berg machen immer mehr Menschen mit, wie hier in der Choriner Straße.
Auch wenn der Einwand sicher berechtig ist, dass Klatschen allein kein Mittel ist gegen die oftmals schlechte Bezahlung und schwierigen Arbeitsbedingungen von Menschen in Pflegeberufen und im Einzelhandel: Eine freundliche Geste ist es allemal. Und eine schöne Gelegenheit, mal wieder seine Nachbar*innen zu sehen – natürlich aus der Ferne.