Nach fünf Jahren ist Schluss: Im März 2020 findet die letzte Prenzlauer Berginale statt. Wir sprachen mit Organisator Stephan Müller über den Kiez im Film und wie es jetzt weitergeht.
Ab und an wirft er einen kurzen Blick aus dem Fenster, prüft, ob der Postbote schon vor der Tür steht und die dringend erwartete Sendung bringt: Ich treffe Stephan Müller in einem Café an der Eberswalder Straße, Ecke Schönhauser Allee. Hier wohnt der gebürtige Oberhausener seit 22 Jahren, noch immer in der gleichen Wohnung, nur der Kohleofen ist seit ein paar Jahren weg. Und die Straße hat sich natürlich auch sonst ziemlich verändert, die Häuser sind saniert und in Pastellfarben gestrichen, der Vietnam-Imbiss ist längst passé, auch das beliebte Dr. Pong strich Anfang 2019 die Segel.
Berlin, Ecke Schönhauser: Wer sich sich für die Geschichte von Prenzlauer Berg interessiert, denkt bei diesem Titel unweigerlich an den alten DEFA-Film von 1957. Natürlich hat Müller den Klassiker schon im Rahmen der Prenzlauer Berginale gezeigt, auch andere überregional bekannte Filme wie Solo Sunny, Jahrgang 45 und Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann – Müllers persönlicher Lieblingsfilm über eine Kohlenhandlung in der Gleimstraße – waren Teil des Film-Festivals, das seit 2016 jedes Jahr im unmittelbaren Anschluss an die Berlinale stattgefunden hat.
___STEADY_PAYWALL___
Alltag in der DDR
Dabei war das Kiez-Filmfestival zunächst als einmalige Aktion im Museum Pankow geplant, wo Müller 2016 in der PR-Abteilung arbeitete. Weil die Nachfrage jedoch so groß war, folgten weitere Ausgaben, jetzt unter dem offiziellen Titel „Prenzlauer Berginale“. Filme und Dokumentationen, die hier vor Ort spielen und gedreht wurden, gibt es zur Genüge; auch nach fünf Ausgaben ist das Repertoire noch nicht ausgeschöpft. „Wir entdecken sogar immer neue Quellen“, erzählt Müller.
So arbeitete er für die diesjährige Ausgabe erstmals mit dem Deutschen Rundfunkarchiv zusammen, das die Aufnahmen des DDR-Fernsehens archiviert. Am Abend des 17. März können daher u.a. Berichte aus der Aktuellen Kamera von 1986 und dem Berlin-Journal von 1987 gezeigt werden sowie Ausschnitte aus einer groß angelegten, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Dokumentation im Auftrag der Staatlichen Filmdokumentation: Zwischen 1971 und 1986 entstanden rund 300 Berichte aus und über den Alltag der DDR, der Großteil davon wurde aus Kostengründen in Mitte und Prenzlauer Berg gedreht. „Eigentlich sollten die Szenen unter Verschluss gehalten werden, bis der Sozialismus erreicht ist; dann wollte man mit ihnen zeigen, wie aufwändig der Aufbau des politischen Systems war“, erklärt Müller. Es kam anders.
Manfred Krug im Wartburg
Was muss ein Film denn erfüllen, damit er auf der Prenzlauer Berginale gezeigt wird? Man müsse deutlich erkennen können, dass der Film im Stadtteil gedreht worden sei oder dass Prenzlauer Berg für die Geschichte eine Rolle spiele. „Wenn die meisten Außenaufnahmen in Mitte gedreht worden wären, dann würde ich den Film nicht zeigen“, sagt Müller und bringt als Beispiel den 2001 entstandenen Film Heidi M mit Katrin Sass in der Hauptrolle an: Der wurde hauptsächlich hinter der Zionskirche aufgenommen – und die liegt nunmal faktisch schon in Mitte.
Das mag kleinlich klingen, hat aber auch seinen Sinn. Denn das Publikum, so Müller, setze sich hauptsächlich aus Menschen zusammen, die die DDR noch als Jugendliche oder junge Erwachsene erlebt haben, die vielleicht sogar in Prenzlauer Berg aufgewachsen sind. Nostalgie spielt also eine wichtige Rolle für das Festival: „Ich habe das Gefühl die Leute kommen eher wegen der alten Filme, sie wollen Manfred Krug im Wartburg über die kopfsteingepflasterte Schönhauser Allee fahren sehen“.
Für Müller und die Prenzlauer Berginale ist nach diesem Jahr erstmal Schluss. Doch Cineast bleibt er weiterhin: Im nächsten Jahr will er Filme rund um das Thema Mauerbau zeigen – der jährt sich im August 2021 nämlich zum 60. Mal.
Die Filme der Prenzlauer Berginale laufen am 10., 17., 24. und 31. März im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr.