Die Wow Gallery in der Greifswalder Straße hat nur ein Ziel: Sie will die optimale Fotokulisse bieten. Besuch an einem Ort, bei dem sich alles um Selbstinszenierung dreht.
Coco hat vier verschiedene Outfits und einen Fotografen mitgebracht. „Ich bin Influencerin“, antwortet die 13-Jährige mit großer Selbstverständlichkeit auf die Frage, was sie denn hier mache. Eine ganze Reihe von Kulissen hat sie schon abgearbeitet. Jetzt steht Coco, die bei Instagram über 160.000 Abonnent*innen hat, inmitten eines futuristisch anmutenden Gebildes, dessen Boden von Lichtstreifen in wechselnden Farben durchzogen ist, und tut das, wofür sie hierher gekommen ist: Sie lässt sich fotografieren.
Vor wenigen Tagen hat die Wow Gallery in direkter Nähe zur S-Bahn-Haltestelle Greifswalder Straße eröffnet. Dort, wo Strauss Innovation mal Bettwäsche und Geschirr verkaufte, gibt es jetzt einen Ort, der alle möglichen Instagram-Klischees versammelt: Bällebad, Flamingo-Schwimmring, Meerjungfrau, Konfetti-Regen – und das Alpaka darf natürlich auch nicht fehlen. Die Besucher*innen posieren hier vor einer untergehenden Sonne, zwischen Wolken und Luftballons oder in einer Späti-Kulisse, die rätselhafterweise aus einem Einkaufswagen, einem Drehscheiben-Telefon und pinken Pappkartons besteht. Kai Pflaume war auch schon da.
Nichts als Oberfläche
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Dieser Ort richte sich vor allem an junge Menschen, an die „Generation Z“, sagt Torsten Künstler. Denn die, so erklärt uns der Filmemacher und Geschäftsführer der Wow Gallery, sei sehr internetaffin und suche nach Möglichkeiten, in den sozialen Medien aufzufallen. Die Kulissen seien von professionellen Szenenbilder*innen entwickelt worden, besonderen Wert lege man auf eine ordentliche Beleuchtung, damit die Fotos auch ohne Profi-Kamera gelingen. „Der Einzelne muss nicht viel können, außer, sich zu inszenieren“, sagt Künstler.
Er nennt sein Projekt einen „Social-Media-Playground“. Der oft bemühte Begriff „Selfie-Museum“ passe nicht so recht. Tatsächlich machen die Besucher*innen kaum Selfies, sondern bringen zum Fotografieren Verstärkung mit und wechseln sich ab, um zwischen all den Neonlichtern und Regenbogenfarben das perfekte Bild von sich zu ergattern. Museum trifft es auch nicht, zumindest, wenn man davon ausgeht, dass es bei einem Museum um Inhalte geht. Dieser Ort ist nichts als Oberfläche – und steht ganz offen dazu.
Lustig ist es, die Menschen zu beobachten, die nicht als Profis kommen und hier offenbar wirklich Spaß haben. Da ist zum Beispiel die Frauengruppe, die sich an einer Kulisse mit Turner-Ringen zu schaffen macht. Eine der Frauen trägt High Heels, was sie nicht davon abhält, den Fuß beherzt in einen der Ringe zu stecken und sich an der Konstruktion hochzuziehen.
Im Bällebad treffen wir den 12-jährigen Niklas und seinen Vater Martin. Die beiden Schwaben machen einen Vater-Sohn-Trip nach Berlin, die Wow Gallery besuchen sie gleich am ersten Tag. Auf Madame Tussauds habe sein Sohn keine Lust, sagt Martin, die Wow Gallery habe er für eine gute Alternative gehalten. „Ich war erst skeptisch, aber jetzt gefällt es mir ganz gut.“ Dann machen die beiden weiter ihr Ding, lassen sich rückwärts in das Becken voller Plastikbälle fallen und knipsen sich gegenseitig. Sie wirken nicht so, als würden sie hier an dem perfekten Instagram-Auftritt arbeiten.
Erst mal nur für sechs Monate
Die Wow Gallery ist als Pop-Up erst mal für sechs Monate geplant. Er könne die Räume aber länger nutzen, sagt Geschäftsführer Torsten Künstler. Ob er mit seinem Projekt verlängert, hänge davon ab, wie gut es sich trägt. 25 verschiedene Kulissen gibt es, künftig sollen sie auch immer mal verändert werden.
Man kann sich fragen, warum Menschen 29 Euro ausgeben, um sich in einen Raum zu stellen, der an die Berliner Clubs erinnern soll, warum sie auf einem Trampolin neben einer pinken Berliner Mauer hüpfen oder in einem pinken Pappkarton-Späti posen – wenn es die Originale doch ganz in der Nähe gibt (allerdings nicht in Pink). Die kulturpessimistische Antwort könnte lauten: Aus Instagram-Sicht sind auch die echten Berliner Straßen und Spätis nicht mehr als eine Kulisse zur Selbstinszenierung – allerdings ist das Licht da weniger schmeichelhaft.
Großes Bild: Die 13-jährige Influencerin Coco mit Fotograf Jamie. Foto: Sarah Schaefer