Deckel drauf und fertig?

von Mona Linke 12. Februar 2020

Der Senat feiert den Mietendeckel als großen Erfolg – umsetzen und überwachen sollen ihn aber die Bezirke. Ist Pankow dieser Aufgabe gewachsen?


Es ist also passiert. Der Mietendeckel ist beschlossen und die Berliner Regierung mit einem wohnungspolitischen Paukenschlag ins neue Jahrzehnt gestartet. Nach heftigen Streitereien, politisch wie rechtlich, hat sich das Berliner Abgeordnetenhaus Ende Januar sogar auf eine verschärfte Version des Mietendeckels geeinigt: Die Mieten werden nicht nur rückwirkend zum 18. Juni 2019 eingefroren, sondern müssen auch von den Vermieter*innen selbstständig auf die geltenden Mietobergrenzen abgesenkt werden – ansonsten drohen Geldstrafen von bis zu 500.000 Euro.

Wird eine Wohnung neu vermietet, muss die Miete unverzüglich gesenkt werden. Für alle bestehenden Verträge gilt: Ab neun Monate nach Veröffentlichung des Gesetzes, also etwa im November, müssen auch hier hier die Mieten angepasst werden – sofern diese 20 Prozent über dem festgelegten Höchstwert liegen.

Betroffen sind rund 1,5 Millionen Berliner Wohnungen – also alle, die vor 2014 gebaut wurden. Spätestens Anfang März soll das Gesetz in Kraft treten.

 

Umsetzung bleibt an den Bezirken hängen 

Während vor allem im linken Teil der rot-rot-grünen Berliner Regierung jetzt die Sektkorken knallen dürften, haben die Berliner Bezirke derweil nur wenig zu feiern: Hat der Rat der Bezirksbürgermeister doch noch im November beklagt, am Ende nicht alleine auf den Verwaltungsaufgaben rund um das Projekt sitzen bleiben zu wollen, ist nun genau das eingetreten: Die Senatsverwaltung hat sich erfolgreich aus allen ordnungsrechtlichen Aufgaben herausgezogen – und die gesamte Umsetzung und Überwachung des Gesetzes auf die Bezirke abgewälzt.

___STEADY_PAYWALL___

So müssen sich Bürger*innen nicht mehr nur bei Fragen zu ihrem Mietvertrag, Mieterhöhung, Kündigungsschutz oder Modernisierungen an die bezirkliche Mieterberatung wenden. Der Bezirk ist auch verantwortlich dafür, dass das neue Verbotsgesetz eingehalten wird. Wenn also zum Beispiel eine Mieterin feststellt, dass ihr Vermieter unerlaubt viel Miete von ihr verlangt, muss sie dies nicht – wie ursprünglich im Gesetz vorgesehen – der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen melden, sondern dem Wohnungsamt – und damit den Bezirksmitarbeiter*innen.

Diese wiederum müssen eine amtliche Bescheinigung ausstellen, dass zu viel Miete gezahlt wurde und anschließend ein Bußgeld festsetzen.

 

Pankow rüstet auf 

„Der Andrang dürfte hoch sein“, sagt Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste, Vollrad Kuhn (Grüne) – blickt aber mehr oder weniger hoffnungsvoll in die Zukunft. Denn wie auch die anderen Berliner Bezirke ist Pankow gerade dabei, sich für den potenziellen Ansturm zu wappnen: Zum Jahresanfang wurde die Mieterberatung auf 20 Beratungsstunden pro Woche ausgeweitet und im Wohnungsamt werden 5,5 neue Stellen geschaffen.

Zumindest finanziell greift der Senat dem Bezirk damit unter die Arme. Die entsprechenden Mittel – für die Mieterberatung sind es nun 130.000 Euro pro Jahr für den Doppelhaushalt 2020/21 – kommen aus der Senatskasse. Auch die neu zu besetzenden Stellen im Wohnungsamt finanziert die Landesregierung.

Doch wird all das ausreichen? Oder wird der Pankower Verwaltungsapparat am Ende gar an dem Bürokratiemonster Mietendeckel zerbrechen? Noch kann diese Frage niemand mit Sicherheit beantworten.

Dagegen spricht, dass der Bezirk zumindest die Mieterberatung nicht selbst ausführt, sondern Anfang des Jahres an die Sozialberater und Rechtsanwälte der Gesoplan Mieterberatung ausgelagert hat. Allerdings ist dieses Angebot nicht neu, mit der Mieterberatung waren auch zuvor schon externe Berater beauftragt. Zum Jahreswechsel hat lediglich der Anbieter gewechselt – denn bis dato konnten sich die Pankower mit ihren Fragen an den Berliner Mieterverein wenden, der aber „nicht die Kapazitäten hat, um die Mieterberatung im gewünschten Umfang durchzuführen“, sagt Nicole Holtz, Koordinatorin bei Bezirksstadtrat Kuhn.

Im Wohnungsamt, so Holtz weiter, seien weder Mitarbeiter noch geeignete Räume vorhanden, um Sprechzeiten anbieten zu können.

 

Stellen frühestens ab Juli besetzt 

Zumindest die Mieterberatung durch die Gesoplan GmbH bereitet dem Bezirk Pankow also keine Sorgen: „Der Bezirk ist bezüglich der Mieterberatung gut aufgestellt“, so Kuhn. Bedenken hat er allerdings, was die Arbeit der Kolleg*innen im Wohnungsamt betrifft, wo man für die Umsetzung des Mietendeckels zuständig ist – sprich: die zulässigen Miethöhen ermittelt, Bescheinigungen über zu hohe Mieten ausstellt und gegebenenfalls Bußgelder verhängt.

Die 5,5 zusätzlichen Stellen im Wohnungsamt sind zwar eingerichtet, jedoch noch nicht ausgeschrieben, geschweige denn besetzt. Die Besetzung aller Stellen sei sicher nicht vor Beginn des dritten Quartals, also frühestens Anfang Juli möglich, so Kuhn. Doch das ist noch nicht alles: „Das zusätzliche Personal muss nach Einstellung erst geschult werden, es gibt zu wenig Arbeitsräume, die Fachverfahren laufen noch nicht und Ausführungsbestimmungen fehlen.“

 

Ruhe vor dem Sturm

Neues Personal im Wohnungsamt ist allerdings dringend notwendig, denn die Zahl der Menschen im Bezirk, deren Mieten die festgelegten Obergrenzen der Mietentabelle sprengen, dürfte riesig sein. Wie viel Miete pro Quadratmeter erlaubt ist, hängt dabei von drei Dingen ab: vom Fertigstellungsdatum des Hauses, Ausstattung und Lage der Wohnung. Was die Lage betrifft, unterscheidet der Senat zwischen „einfacher“, „mittlerer“ und „guter“ Wohnlage.

So darf in einem Pankower Altbau, der vor 1918 fertiggestellt wurde und mit Sammelheizung und Bad ausgestattet ist, der Quadratmeter bei Neuvermietung künftig nur nicht mehr als 6,36 Euro kosten. Hochgerechnet auf eine 70 Quadratmeter-Wohnung sind das 445 Euro kalt. Eine bestehende Miete darf maximal 20 Prozent darüber liegen, sprich: bei 534 Euro. Ein kurzer Blick in die großen Immobilienportale genügt, um festzustellen, dass momentan das Doppelte üblich ist.

Völlig stressfrei wird es also keineswegs zugehen im Bezirksamt Pankow. Doch was bleibt den Mitarbeiter*innen im Wohnungsamt übrig? Aktuell können sie nur darauf hoffen, dass die geplanten Stellen schnellstmöglich besetzt werden – und die Anfragenflut erst dann über sie hereinbrechen wird. Bislang jedenfalls kann von einer Flut nicht die Rede sein: Zwei Menschen haben sich beim Wohnungsamt Pankow gemeldet, um ihre erlaubte Miethöhe zu erfragen. Es dürfte die allseits gefürchtete Ruhe vor dem Sturm sein.

 

Foto: Kristina Auer

 

 

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar