Das Gymnasium am Europasportpark ist inzwischen drei Jahre alt – und noch immer fehlt es an grundlegender Ausstattung.
Schon um elf Uhr morgens ist der glänzende Linoleumboden im Gymnasium am Europasportpark voller Straßendreck. Was nicht verwunderlich ist: Etwa 500 Menschen in dicken Winterschuhen drängen sich seit einer Stunde durch die schmalen Gänge der Schule. Eltern mit ihren Kindern, Geschwister, Großeltern. Neugierig lugen sie in die kleinen Klassenräume, sprechen mit Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern. Der Geruch von Waffeln und frischem Kaffee liegt in der Luft – so, wie es sich für einen Tag der Offenen Tür gehört, zu dem das 2016 eröffnete Gymnasium in Prenzlauer Berg an diesem Samstag geladen hat.
„Bonjour – Bienvenue – Welcome“, steht in roten, blauen und grünen Buchstaben über der Tür des „Sprachen-Raums“. Sie bringen ein bisschen Farbe in den DDR-Plattenbau, dessen schmutzige Wände man vor vielen Jahren allesamt in demselben gelb-beigen Farbton gestrichen hat.
In der Mitte des Klassenraums steht Thorsten Sager, umringt von Eltern und Kindern. Wenn er mal eine Sekunde Zeit hat, nimmt er einen großen Schluck aus seinem Kaffeebecher. „Der Andrang ist immens“, sagt er. Für den Sportlehrer kein Grund zur Freude. Schon jetzt werden mehr als 500 Kinder an dem Gymnasium mit erweitertem Sport- und Bewegungsangebot unterrichtet. Ab dem nächsten Schuljahr sollen es 677 sein.
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In der Mensa fehlen 250 Stühle und 60 Tische
„Das ist definitiv zu viel“, sagt Sager – und hat gute Gründe für seine Befürchtungen. Denn auch drei Jahre nach seiner Gründung wartet das marode Schulgebäude an der Conrad-Blenkle-Straße nicht nur auf seine Grundsanierung – sondern auch auf die Mittel für eine nötige Grundausstattung. Es fehlt an Lehr- und Lernmittel, insbesondere für die Fächer Deutsch, Biologie und Chemie. In der Mensa fehlen 250 Stühle und 60 Tische, sodass sich immer nur zwei von vier Klassen zur gleichen Zeit in der Mensa aufhalten können.
Wie aus einer Anfrage der Pankower Grünen an das Bezirksamt hervorgeht, werden Lehrer*innen und Schüler*innen auch noch eine ganze Weile auf die Erstausstattung warten müssen. Denn schon in der Vorbemerkung ihrer Anfrage fasst die Partei treffend das Dilemma zusammen, in dem sich das Gymnasium am Europasportpark befindet: Die Schule wurde nicht neu gebaut, sondern nutzt die Räume einer früheren landeseigenen Sport-Elite-Schule, die vor drei Jahren nach Hohenschönhausen umgezogen ist.
Anders als bei Schulneubauten ist bei Schulsanierungen laut geltender Vorgaben im Land Berlin grundsätzlich keine Neu- beziehungsweise Erstausstattung vorgesehen. So kann der Bezirk Pankow die anstehenden Mittel für die Erstausstattung nur aus den jährlichen Schulbudgets und eigenen Rücklagen schöpfen. Das Problem: Von Rücklagen kann der Bezirk derzeit nur träumen. Dem Pankower Haushalt fehlen aktuell über sechs Millionen Euro, um alle geplanten Vorhaben bis 2021 umzusetzen.
„Wirklich eine Katastrophe“
Für den Bezirk gibt es noch eine weitere Möglichkeit, Finanzmittel für die Erstausstattung von Schulen zu beschaffen: Er kann sogenannte Wertausgleichsmaßnahmen vornehmen – sprich: Finanzmittel für die einzelnen Schulen im Bezirk eigenverantwortlich so verteilen, dass zumindest eine teilweise Finanzierung der Erstausstattung ermöglicht wird. Wie der Bezirk von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, wollten die Pankower Grünen in ihrer Anfrage wissen. Und Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) rechnet zusammen: 2016 seien zentrale Mittel sowie als Wertausgleichsmaßnahme insgesamt 85.700 Euro für die Erstausstattung an die Schule geflossen. Dabei seien zum Beispiel von allen Pankower Oberschulen jeweils fünf Prozent dem Gymnasium am Europasportpark zur Verfügung gestellt worden. 2017 sei das Gymnasium dann im Aufbau mit rund 35.000 Euro, 2018 mit rund 50.000 Euro und 2019 mit rund 33.000 Euro gefördert worden.
Dass die Mittel bei Weitem nicht ausreichen, bekommt Thorsten Sager tagtäglich zu spüren. „Wir haben in nur drei bis vier Räumen Smartboards“, sagt der Lehrer. Verglichen mit dem Zustand vor drei Jahren, als die ersten Schüler unterrichtet wurden und es nicht einmal Computer gab, klingt das beinah harmlos. In Kombination mit den viel zu kleinen Klassenzimmern, die für maximal 24 Schüler ausgelegt sind, und dem vollkommen maroden Schulgebäude aber sei das Ganze „wirklich eine Katastrophe“, meint Sager. „Erst gestern wieder stand die komplette Turnhalle unter Wasser. Ein Rohrbruch. Das passiert ständig“, sagt er und blickt durch die schlecht isolierten Altbau-Fenster, von deren Rahmen die weiße Farbe abblättert.
Geplant ist die Sanierung und Erweiterung des Schulgebäudes für das Jahr 2023. So lange will der Bezirk allerdings nicht mehr auf die Mittel für die Grundausstattung warten, wie ebenfalls aus der Anfrage der Grünen hervorgeht.
Motivierte Lehrer*innen
Denn auf die Frage, welche Anstrengungen der Bezirk denn ansonsten noch unternommen habe, um endlich ausreichend Lern- und Lehrmittel bereitstellen zu können, hat Stadtrat Kühne eine etwas zufriedenstellendere Antwort: Mit dem Berliner Abgeordnetenhaus und den zuständigen Senatsverwaltungen konnte der Bezirk vereinbaren, dass die Mittel der Grundausstattung – entgegen dem eigentlichen Verfahren – auch vor der Sanierung freigegeben werden dürfen.
Die gute Nachricht: Im März 2019 hat das Bezirksamt dafür ein entsprechendes Bedarfsprogramm bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie eingereicht. Die schlechte Nachricht ist: Bis heute wartet das Bedarfsprogramm darauf, geprüft zu werden. Vorher können die Mittel nicht freigegeben werden.
Die Situation am Gymnasium am Europasportpark ist beklemmend. Aufgeben, das will aber keiner aus dem jungen Kollegium. Im Gegenteil: „Wir sind motiviert, etwas zu gestalten“, sagt Thorsten Sager. Und man glaubt es dem Pädagogen gern. Denn sieht man einmal über schlecht isolierte Fenster, alte Tafeln und ausrangierte OH-Projektoren hinweg, merkt man schnell, dass die Pankower Schule umso mehr mit ihren inneren Werten punkten kann: mit Surfkursen, Sprachreisen, Yoga-Unterricht und bilingualem Sportunterricht. Mit gesundem Mittagessen und individuellen Förderprogrammen. Vor allem aber: mit jeder Menge Engagement.
Foto: Mona Linke